Das Weitwandern, einst nur den „Dauermarschierern“ auf endlosen Pilgerwegen vorbehalten, liegt mittlerweile voll im Trend. Nicht zuletzt, weil es noch nie so unkompliziert war, diese einzigartige Erfahrung zu machen und „seinen“ Weg zu gehen. Und das ganz ohne asketischen Komfortverzicht.

Thomas Polzer
Thomas Polzer

Immer mehr Menschen gehen lieber den weiten Weg! Und fragt man Experten aus dem Tourismus, was ihrer Meinung nach so viele am Weitwandern fasziniert, bekommt man zusammengefasst fast idente Erklärungen. „Weitwandern“, sagt Christine Reichholf, Projektkoordinatorin für Nachhaltigkeit in der Ferienregion Nationalpark Hohe Tauern Salzburg, „bietet die Chance einerseits, den Alltag hinter sich zu lassen und sich andererseits auf immer wieder neue Eindrücke einzulassen. Man hat plötzlich Zeit, über Dinge nachzudenken und die Natur mit allen Sinnen zu spüren.“

Für Michael Feiertag, Geschäftsführer des Steiermark Tourismus, geht Weitwandern weit über das klassische Wandermotiv hinaus. „Es geht darum, neue Perspektiven zu finden, zu sich zu kommen und sich inmitten der Natur vom Alltäglichen zu lösen. Neben der körperlichen Fitness, die dabei gefragt ist, geht es beim Weitwandern ganz stark um den mentalen Aspekt.“ Diesen Erklärungen kann sich auch Kurt Kaiser, CMO des Burgenland Tourismus, vollinhaltlich anschließen, bringt es so auf den Punkt: „Weitwandern ist viel mehr als nur Gehen. Es ist ein tiefes Eintauchen in die Landschaft, in die Kultur, in den Genuss.“ 

Komfortables Marschieren
Tatsächlich aber haben diese Benefits immer schon fürs Weitwandern gegolten und trotzdem war das tagelange Marschieren nur für eine kleine, eingefleischte Zielgruppe interessant. Zu sehr schreckten komplizierte Planung, das Tragen schweren Gepäcks oder der große zeitlicher Aufwand den Normalwanderer ab. Genau hier liegt die Begründung, warum das weite Gehen heutzutage boomt. „Das Wandern selbst ist ja generell im Mainstream angekommen“, weiß Michael Feiertag, „aber speziell beim Weitwandern hat sich viel im Bereich der Angebotsgestaltung getan. Zwar braucht man noch immer eine gute körperliche Konstitution, aber vom Gepäcktransfer bis zur Auswahl an leichten Routen weg vom Hochalpinen gibt es nun tolle Mehrtages-Wanderungen für unterschiedlichste Bedürfnisse.“ Als bestes Beispiel führt der steirische Cheftouristiker die Wanderroute „Vom Gletscher zum Wein“ an. „Hier gibt es durch die Etappenaufteilung auch Zwei- bis Drei-Tagestouren, die es ermöglichen, je nach Jahreszeit und Kondition die Nord- und Südroute in ,Häppchen‘ zu genießen, denn man kommt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Wandertaxis immer zu seinem persönlichen Startpunkt zurück.“

Die Fakten, für alle, die gleich planen wollen: Die Nordroute über 35 Etappen und 534 km führt von den weißen Bergen zwischen Dachstein und Rax bis ins sanfte Weinland und die 25 Etappen und 370 km der Südroute vom Dachstein über die Schladminger Tauern ins Bergsteigerdorf Krakau und über Murau weiter in den Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen und schließlich ins Schilcherland und den Naturpark Südsteiermark.

Für Christine Reichholf „findet man mittlerweile ein großes Angebot an Weitwanderwegen, die zu verschiedensten Themen gestaltet sind, wie etwa ,Unterwegs in wilder Natur‘ oder ,Genuss und Kulinarik‘, oder auf denen einfach großartige Ausblicke garantiert sind“. Alle Weitwanderwege sind sehr gut beschildert und man kann sich bereits im Vorfeld über alle Services, die diese langen Trails bieten, informieren. „Das macht die Tourenplanung umso leichter,“ sagt die Salzburgerin, weist aber auch darauf hin: „Bei vielen Trails wie etwa dem ,Hohe Tauern Panorama Trail‘ besteht die Möglichkeit, das Weitwander-Erlebnis über ein Tourencenter zu buchen. Das erspart viel Zeit und man genießt viele Vorteile wie professionelle Tourenunterlagen, Gepäcktransport, Übernachtungen, Verpflegung, Transfers und eine 24/7-Hotline.“ ­

Gut zu wissen: „Auch auf der Weitwandertour kann man einen Ruhetag einplanen und sich in Partnerbetrieben verwöhnen lassen.“ 
Auch hier die Zahlen und Fakten: Der Hohe Tauern Panorama Trail führt durch den Salzburger Teil des Nationalparks Hohe Tauern. Auf 17 Tagesetappen legen Wanderer eine Wegstrecke von 270 km zurück, gespickt mit Naturschau-spielen, Ausstellungen, Nationalpark-Orten und Ausflugszielen.

Durchorganisierte Routen
Diese neue Unkompliziertheit, heutzutage einen Weitwanderweg zu beschreiten, ist auch für Kurt Kaiser ein entscheidender Faktor und er erklärt es am Beispiel des burgenländischen „Bernstein Trails“: „Solche durchdachten Routen sorgen für eine entspannte Auszeit entlang des ganzen Trails. Es gibt komfortable Unterkünfte inklusive Gepäcktransport, lückenlose Beschilderung und hilfreiche Informationsangebote vor Ort oder digital. Einkehrtipps, Etappenplanung oder Wetterinfos – all das macht das Weitwandern angenehm und sorgenfrei. So bleibt der Kopf frei fürs Wesentliche: die Natur genießen, den Alltag vergessen und ganz im Moment ankommen“, sagt Kurt Kaiser. 

Klar, ein gewisses Maß an Ausdauer und Grundkenntnissen im ­(alpinen) Gelände ist immer noch Grundvoraussetzung für weites Gehen, aber grundsätzlich ist es ein Erlebnis für alle, die gern wandern. So verweist Kurt Kaiser nochmals auf den Bernstein Trail, der ein sehr breites Publikum anspricht, denn er bietet etwas für unterschiedlichste Interessen: Abenteuerlustige genießen das Gefühl, auf den Spuren einer alter Handelsroute zu wandern. Genießer schätzen die pannonische Küche, die Möglichkeit, in charmanten Winzerhöfen oder Kellerstöckln zu übernachten. Naturbegeisterte lieben die malerischen Weinberge, Wiesenlandschaften und die Exotik des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel. „Das alles immer mit dem Vorteil, sich die einzelnen Etappen auswählen und die Region im eigenen Tempo erkunden zu können.“

Auch hier die Zahlen und Fakten: Der Bernstein-Trail verbindet in 13 Etappen auf rund 300 Kilometern das historische Carnuntum in Niederösterreich mit dem idyllischen St. Martin an der Raab im Südburgenland – eine Entdeckungsreise durch abwechslungsreiche Landschaften, kulturelle Highlights und die kulinarische Vielfalt des Burgenlands. 

In der Steiermark setzt man ja traditionell schon lange auf das Thema Weitwandern, dementsprechend groß ist laut Michael Feiertag auch die Vielfalt des Angebots: „Das beginnt beim klassischen Pilgern wie etwa auf dem Mariazeller Weg oder dem steirischen Jakobsweg, setzt sich fort auf den beiden Varianten der Wanderroute ,Vom Gletscher zum Wein‘, die alle Landschaftsfacetten im Grünen Herz erlebbar machen, und reicht bis zum Schladminger-Tauern-Höhenweg, den Grenzlandweg oder die Via Alpina, um nur einige zu nennen.“
 

So bleibt der Kopf frei fürs Wesentliche – die Natur genießen, den Alltag hinter sich lassen und ganz im Moment ankommen.

Gut für die Umwelt
Stellt sich noch die Frage, wie umweltfreundlich das Weitwandern heute ist? „Im Nationalpark Hohe Tauern in Salzburg bieten wir mit der ,Green Spirit-Pauschale‘ am Hohe Tauern Panorama-Trail klimafreundliches Wandern mit individueller Bahnanreise an“, freut sich Christine Reichholf. „Einmal am Etappenstart angekommen, wandert man von Unterkunft zu Unterkunft und genießt abends regionale Produkte. Alles sehr bodenständig und geerdet.“ Geht es nach Kurt Kaiser, „dann ist ohnehin jemand, der sich zu Fuß durchs Land bewegt, automatisch nachhaltig unterwegs. Erst recht, wenn er wie bei uns zum Bernstein Trail problemlos mit Öffis anreist. Zudem setzen die regionalen Betriebe entlang des Weges auf lokale Produkte, viele Unterkünfte sind umweltzertifiziert“, sagt der burgenländer Touristiker, der den perfekten Schlusssatz hat: „Weitwandern hat nichts mit Extremwandern zu tun! Weite Wege zu gehen, ist entschleunigend, komfortabel, genussvoll, abenteuerlich.“ Und es sorgt nicht zuletzt dafür, dass man sich wohl auch selbst ­wieder ein Stück näherkommt.