Verlässlich taucht sie jetzt beim Laufschuhe zubinden wieder auf, die Frage: Lieber lang und langsam laufen oder lieber kurz und dafür schnell? Für Sportwissenschafter Stefan Arvay liegt die Antwort darin in den Zielen – und in der Steinzeit.

Klaus Molidor
Klaus Molidor

Langsam laufen die Jäger der Gnuherde nach, hetzen sie mit Ausdauer von Busch zu Busch. Nach zwei, drei Stunden kippen die Gnus um. „Und der Steinzeitmensch brauchte ihnen nur noch die Nüstern zuzuhalten, um sie zu erlegen“, sagt Stefan Arvay. Was diese Geschichte mit dem Laufen zu tun hat? Sehr viel. Arvay ist Sportschwissenschafter und illustriert mit der Episode, „dass keine andere Spezies so ausdauernd ist wie der Mensch und seinen Temperaturhaushalt durch Schwitzen so gut regulieren kann. „Das hat in der Steinzeit den Erfolg bei der Ausdauerjagd gebracht und zeigt, dass lange Bewegung im aeroben Bereich in unseren Genen liegt. Seit 120.000 Generationen.“

Und diese Anekdote kann auch eine Antwort sein auf die ewige Frage: „Lang und langsam oder kurz, dafür schnell? Denn lang und langsam zu laufen, also Grundlagenausdauertraining zu betreiben, dient dazu, den Fettstoffwechsel anzuregen. „Damit wir im Wettkampf dann schneller darauf zurückgreifen können.“ Das ist deswegen wichtig, weil die Aufnahme der Kohlehydrate begrenzt ist und uns nicht über einen Marathon lang mit Energie versorgt. Schnellere Einheiten dagegen stärken die Muskeln und lassen uns überhaupt erst höhere Geschwindigkeiten laufen.

„Wer an einem 10-Kilometer-Lauf teilnehmen möchte, wird das ohne große Grundlagenausdauer schaffen, wenn er zwei-, dreimal die Woche läuft“, sagt Arvay. „Aber sie hilft auch in diesem Segment bei der Leistungsfähigkeit.“ Überhaupt hält er ein Plädoyer für die Grundlage. „Das Schöne an der Ausdauer ist, dass wir sie bis ins Alter steigern oder zumindest auf einem hohen Niveau halten können, während das etwa bei der Kraft nur bedingt möglich ist.“ 

Verpönt ist dagegen eigentlich die Einheit, die uns einst so fasziniert hat am Laufen. Die Rede ist von der Wohlfühleinheit, bei der wir die Hausrunde laufen, die nicht zu kurz ist, aber auch nicht wirklich lang, die uns ins Schwitzen bringt, aber nach der wir nicht am letzten Zacken die Haustüre erreichen. Kurz: Der Lauf, nach dem es uns besser geht als davor. Der bringt nichts. Sagt man. Heißt es. Stimmt gar nicht, sagt Arvay. „Es gibt kein Training, das nichts bringt“, sagt der Grazer, selbst Triathlet und Konditionstrainer der U21-Fußball-Nationalmannschaft. „Gerade Einsteiger machen in dieser Zone am Anfang enorme Fortschritte.“ Erst wenn die Distanzen lang und länger werden und die Ziele ambitionierter, kommt es auf die Ausdifferenzierung des Trainings an. Sprich: Grundlagenausdauer auf der einen, Tempohärte auf der anderen Seite. Die Wohlfühlrunde darf dann aber auch sein. „Für den Kopf und für die Abwechslung.“
  

Viele Leute, gerade Einsteiger, sind muskulär gar nicht in der Lage für ein intensives Training.

Sportwissenschafter Stefan Arvay

Wunder? Fehlanzeige!
Das hochintensive Training dagegen hält er bei Gesundheitssportlern für bedingt sinnvoll. Also viele schnelle Intervallläufe, Crossfit-Einheiten oder Sprünge auf eine Bank. „Klar kann ich damit schnell bis zu einem gewissen Grad Erfolge erzielen. Aber die Stagnation ist schnell erreicht und wenn du mit dem Training aufhörst, ist der Effekt gleich wieder weg.“ Während Läufer, die jahrelang eine gute Basis aufgebaut haben, ein paar Wochen ohne Training locker ohne große Leistungseinbußen wegstecken. „Außerdem sind viele Leute, gerade Einsteiger, muskulär gar nicht in der Lage für so ein intensives Training.“ Ein weiterer Vorteil des Grundlagentrainings: „Es ist nicht sportartenspezifisch. Ich muss es also nicht mit Laufen alleine machen, sondern kann Wandern, Walken, Radfahren auch dazu verwenden.“ Erst in den letzten Wochen vor einem Laufwettkampf sollte man auch diese Einheiten tatsächlich laufend absolvieren.

Warum boomen dann aber hochintensive Trainings – wie auch Crossfit – so? „Weil sehr viele Leute in kurzer Zeit viel erreichen wollen.“ Im Ausdauersport gibt es aber keine Wunder. „Wenn du drei Jahre regelmäßig Laufen trainierst, bist du, was den Ausdauersport betrifft, ein Kind“, sagt Arvay. „Dafür kannst du dich aber auch noch zehn Jahre lang kontinuierlich steigern.“