In der Morgendämmerung geht es los. Hunderte Kalorien ­später haben wir das Ziel erreicht. Wir steuern die nächste Hütte an. Stellt sich nun die eine bange Frage, die alle Outdoorfans zur Genüge kennen: Was genau wird uns dort erwarten?

Von Wolfgang Kühnelt


Auf der Suche nach regionalen Köstlichkeiten und neuen kulinarischen Ideen auf den Almen und Berggipfeln haben wir für euch etliche Recherchekilometer zurückgelegt. Die gute Nachricht: Immer mehr Hütten- und Gastwirte erkennen, dass eine geschmackvolle Speisekarte zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal werden kann.

ALLES, NUR KEIN ÖTZI-TELLER
Beginnen wir im Südtiroler Eisacktal. Dort gibt es Routen wie den Doloramaweg, die sportliche Herausforderung mit gutem Essen ideal verbinden. 61 Kilometer führt dieser Weg über Forst- und Wanderstraßen. Hier gibt es nicht nur Almenlandschaften und die Berggipfel der Dolomiten zu entdecken, sondern auch eine Menge Geschichte. Auf der Lüsner Alm machten schon die Jäger in der Steinzeit Rast. Keine Angst, wir bestellen trotzdem kein Ötzi-Menü. So etwas wird in den Almgasthäusern wie dem „Ütia de Börz“ am Würzjoch, auf der Ramitzler Schwaige oder der Schutzhütte Raschötz auch gar nicht angeboten. Allein die Namen der Gaststätten sprechen schon Bände. Den Rest erzählt die Speisekarte – seltener allerdings die Website, da sind die Südtiroler Wirtsleute fast alle überraschend zurückhaltend. Macht nichts, wir sind ja nicht wegen der virtuellen Welt hier, sondern wegen der realen Nahrungsaufnahme. Und da kann man im Eisacktal viel Neues probieren. Es gibt typische Gerichte wie Speckbrettl, Wildgulasch, Knödel und neuerdings immer mehr „Exzellenz“-Nahrungsmittel wie Zwetschken, Kastanien, Äpfel, Milchprodukte und Honig. Eine schöne Jause, hier „Marende“ genannt, beinhaltet dann auch ein Schüttelbrot, Almkäse und Butter frisch vom Senner.

DIE UNSICHTBARE GRENZE
56 TOP-Hütten gibt es im Eisacktal. TOP steht übrigens für „Tested outstanding place“. Heißt: Hier gibt es Genusskultur auf höchstem Niveau. Würzigen Graukäse oder Schafsmilchkäse kennt man auch außerhalb Südtirols. Aber wer hat schon Weinsuppe, die traditionellen Teigwaren Tirtln oder Schlutzer probiert? Eine gute Gelegenheit, Kulinarik mit Bergsport zu verbinden, bietet beispielsweise die Prantneralm in Sterzing. Auf 1.800 Metern serviert Familie Gogl Gerstsuppe, Graukäscremesuppe mit Roggencroutons und Ronenknödel. Noch höher liegt die Europahütte, ein Schutzhaus auf 2.693 Metern in den Zillertaler Alpen. Nicht nur das Essen und Trinken sind hier bemerkenswert, sondern auch die Tatsache, dass die Grenze zwischen Österreich und Italien mitten durch den Gastraum verläuft.

EIN KAFFEEHAUS AM GLETSCHER
Wenn wir schon auf österreichischem Terrain angekommen sind: Auch Nordtirol hat Spannendes zu bieten. Wer Bergsportler und zugleich Genießer ist, sollte sich Österreichs höchstgelegenes Kaffeehaus vormerken. Die imposante Bergstation der Wildspitz-Bahn am Pitztaler Gletscher beherbergt das „Café 3.440“. Richtig, wir befinden uns auf einer Seehöhe, wo es eher außergewöhnlich ist, Sachertorte und Kaffee nach Wiener Art zu servieren. Dafür ist die Fernsicht genial und Ski fahren kann man hier von September bis Mai. An guten Tagen fabriziert Konditor Norbert Santeler mit seinen Zwillingstöchtern Sandra und Stefanie auf beachtlichen 2.840 Metern in der höchsten Konditorei des Landes 4 Tonnen Kaiserschmarrn und rund 25 Meter Apfelstrudel. Hier zu arbeiten erfordert Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Denn wenn der Luftdruck nicht passt, geht der Kuchen nicht auf. Weiter unten im Pitztal dominiert neuerdings die Zirbe. Es gibt einen Zirbenpark mit Zirbenwasser, eine Zirbencart-Strecke und ein Stamperl Zirbenschnaps. Gut essen kann man im Hochzeigerhaus und auf der Stalderhütte, wo man stilgerecht im Zirbenzimmer übernachtet. Besonders konsequent ist man im Zeigerrestaurant auf 2.000 Metern. Christian Wittwer serviert dort Zirbencappuccino, Zirbenhauswürste, Zirbensenf, Zirbenzapfenbrot und Zirbensirup.

SALZBURGER BIO-BLADLN
Über die Verbindung von bodenständiger Küche, Outdoorsport und den immer anspruchsvolleren Gästen hat man in Salzburg bereits seit Jahren nachgedacht. Die Antwort: Via Culinaria. Neun Genusswege verbinden 260 empfohlene Adressen. Der neue Guide dieser Initiative ist 190 Seiten stark. Leo Bauernberger, der oberste Salzburger Touristiker, sieht dementsprechend gutes Essen als „wesentlichen Bestandteil eines gelungenen und unvergesslichen Urlaubs“. Es gibt Genusswege für „Hüttenhocker“, „Naschkatzen“, „Kräuterliebhaber“ und seit heuer auch für „Bio-Genießer“. Das ist weit mehr als eine Marketingidee. Die Salzburger können stolz darauf verweisen, dass es in keiner europäischen Region mehr Bio-Produzenten gibt. Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche wird biologisch bzw. biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Zu den Salzburger Stärken gehören Milchprodukte wie der Tennengauer Almkäse oder der Lungauer Ziegenkäse; Fleisch, zum Beispiel vom Berglamm, aber auch Fisch wie bei Walter Grüll. Stellvertretend für viele engagierte Wirte und Produzenten besuchen wir die Familie Hörl und ihre Jagglalm in Saalfelden, die erste bio-zertifizierte Almhütte im Salzburger Land. Hier gibt es unter anderem herzhafte Bladln, eine Art Krapfen, die im Pinzgau süß oder pikant gefüllt werden, Kaspressknödel und Bio-Eier der Rassehühner. Wer mehr über die Wege zum Genuss im Salzburger Land erfahren will, sollte sich den Guide kostenlos auf www.via-culinaria.com bestellen.

FRIGGA VOM ALMBUTLER
Zum Abschluss begeben wir uns ins Grenzgebiet zwischen Kärnten und der Steiermark. Auf der Turracher Höhe ist im Winter der Pistenbutler aktiv, der mit den Gästen von Hütte zu Hütte auf Kostprobefahrt geht. Im Sommer ist es der Almbutler, mit dem man wandern kann und der einem regionale Spezialitäten zeigt. In der Früh geht es eine gute Stunde lang zu Fuß auf den Kornock, wo der Butler höchstpersönlich ein Frühstück zubereitet. Mit etwas Glück handelt es sich dabei um Frigga, ein Gericht, das früher besonders die Holzknechte schätzten. Bergkäse, Speck, Eier und Schwarzbrot nehmen die einen, die anderen setzen auf Polenta. Eine Pfanne und offenes Feuer und bald ist das bodenständige Gericht fertig. Wer etwas länger gehen möchte, bucht beim Almbutler die Wanderung über die Schafalm und die Winkleralm bis zur Wildbachhütte, wo es eine köstliche Jause gibt. Oder man besucht Franz Grubenbauer, der sich auf Heu-Produkte spezialisiert hat und daraus sogar Schnaps brennt. Für die Kinder ist besonders die Familienwanderung mit See-Picknick ein Erlebnis, bei der man nicht nur gemeinsam jausnet, sondern auch barfuß über das Hochmoor geht.

EIS VOM BERGBAUERN
Wieder beim Ausgangspunkt auf der Turracher Höhe angelangt, empfiehlt sich ein Besuch der K-Alm am Fuße der Kornockbahn. Die Wirtsleute haben sich mit einem großen Humidor für ihre Schinken-, Speck- und Käsespezialitäten einen Herzenswunsch erfüllt. Zum Finale gibt es dann noch Eis vom Bergbauernhof. Ja, richtig gehört: Hans Peter Huber aus Saureggen unweit der Turrach produziert auf 1.600 Metern Speiseeis. Anfangs belächelte man ihn, heute stellt er mehr als 160 Sorten her, allesamt ohne chemische Zusätze oder Farbstoffe, dafür aber mit bester Alm-Milch. Feinstes Eis mit Granten, Waldhonig, Kürbiskern oder Butterkeks, wie man es bei den Hubers am Hof kaufen kann. Damit kann man sicher auch Kinder von der Sinnhaftigkeit des Wanderns überzeugen.

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