„BIKE & HIKE"-Abenteuer liefern Bilder fürs Leben. Biketouren werden dabei mit Schiebe- und Tragepassagen um Alpinelemente „gestreckt". Der „Malurch Trail" vom Kärntner Nassfeld nach Pontebba in Italien ist ein Paradebeispiel für diese bikerische Horizonterweiterung – weiß SPORTaktiv-Geschäftsführer Alfred Brunner aus eigener Erfahrung zu berichten.

Alfred Brunner
Alfred Brunner

Diese Selbsterfahrung wurzelt in einem Vimeo-Link, den mir Ex-Pro und Freund Paco Wrolich zuschickte. Ein cooles, drohnengefilmtes Video von vier jungen italienischen Mountainbikern, das beim ersten Abspielen spontan Respekt, Gänsehaut und gleichzeitig Vorfreude in mir auslöste:


 

Das Resultat des mehrfachen Videostudiums war schließlich der feste Wille, diesen soeben auf die persönliche Bucket-List geschriebenen Traumtrail, den „Malurch Trail", auch tatsächlich in Angriff zu nehmen. Wie geht man ein Unternehmen nun konkret an, von dem man nur weiß, dass es spektakulär wie selten wird? Die übliche Internetrecherche spuckte relativ wenig aus, was für einen erst vor Kurzem entdeckten Trail spricht. Spannend fand ich, dass die existierenden Berichte und Tourenbeschreibungen sowohl aus dem Lager der Bergsteiger als auch aus dem der Biker kamen. Der Malurch-Gipfel ist mit seinen 1.899 Metern ein mittelhoher Berg mitten in den Karnischen Alpen. Die meisten Bergsteiger starten auf dem Nassfeldpass, gehen über die Winkelalm auf den Malurch-Sattel und marschieren dann entlang des südseitigen Wegs, der auf einem Kriegssteig verläuft. Der finale Anstieg führt durch ein langes Latschenfeld auf den Gipfel mit herrlicher Rundumsicht ins magische Alpen-Adria-Dreieck Österreich, Italien und Slowenien. Als Biker interessierte mich an dieser Tour nicht so sehr der Gipfelsieg. Ich war vielmehr auf meine persönliche Erstbefahrung des im Video gesehenen und tief im Bikerhirn abgespeicherten Mallurch-Trails gespannt. Die Bilder der steil abfallenden Felsen in unmittelbarer Nähe zu dem schmalen, die Südwand entlang führenden Weg sprachen für ein spektakuläres „Bike & Hike"-Abenteuer.

ZWEI VARIANTEN "BIKE & HIKE"
Doch bevor es ans Erlebte geht, zunächst noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen: „Bike & Hike"-Kombinationstouren sind der optimale Zugang, um vordefinierte Touren zu erweitern. Ein oftmals langer Zustieg lässt sich mit dem Rad zeitlich abkürzen. Der größte Vorteil aber liegt im Abstieg: Holt man sich als Wanderer bergab oft erst die richtigen „Spatzen", so hat der Biker beim Downhill in der Regel seine helle Freud. „Bike & Hike"-Touren lassen sich außerdem auf zweierlei Art gestalten: Bei der Hin- und Retourvariante geht's mit dem Mountainbike, Rennrad oder eBike zu einer Hütte oder auf eine Alm – eben einen Punkt, der noch mit dem Rad zu erreichen ist. Besitzt man nicht ohnehin einen Allmountain Radschuh mit griffiger Sohle, so steht spätestens hier der „Reifenwechsel", sprich: Schuhwechsel an. Ich selbst nehme dazu gerne Laufschuhe im leichten Rucksack mit – diese zusätzlichen 300 Gramm spürt man kaum. Nach der Gipfelbesteigung zu Fuß und ohne Bike geht's zurück zur Jause in der Hütte, und dann wieder mit dem Bike nach Hause.

Bei der zweiten Variante ist das Rad dagegen immer dabei. Für mich ist diese Kombinationsvariante die klassische „Bike & Hike"-Ausformung und sie wird meist bei kombinierten Mountainbike-/Wandertouren angewendet. Der Vorteil gegenüber reinen Wandertouren ist die rund vierfache Geschwindigkeit der Bike-Abschnitte; der Nachteil auf den Wanderteilen ist, dass das Bike zu tragen oder zu schieben ist. Als Schuhwerk ist hier der etwas höher und stabiler geschnittene Allmountain-Bikeschuh die perfekte Wahl, wenn nicht sogar Pflicht.

DER TAG DER WAHRHEIT
Gemeinsam mit meinem Bikekumpel Roland beschloss ich also letzten August, den Malurch endlich in Angriff zu nehmen. Da wir außer dem Video und wenigen Tourenbeschreibungen keine weiteren Infos haben, fragen wir am Tourentag frühmorgens bei der Talstation Nassfeld Marco von Sport Sölle, wie denn der Trail tatsächlich zu fahren sei. Marco kennt als Local jeden Meter vor Ort und meint, dass bei guter Trittsicherheit und entsprechender Vorsicht dieser Trail schon fahrbar bzw. als „Bike & Hike"-Tour bewältigbar sei. Wir steigen in die Gondel, die uns gemütlich auf die Madritsche befördert. Dort erwartet uns das erste Highlight, nämlich der völlig neue und flowig gebaute MTB Trail runter zum Nassfeld-Pass. Von dort geht's in ein paar Minuten runter zur Winkelalm, wo ein rund halbstündiger felsiger Aufstieg mit geschultertem Bike erfolgt. Ein erstes Zwischenziel ist der Malurch-Sattel. Den Gipfel selbst lassen wir links liegen und bereiten uns auf die Abfahrt vor. Wird diese befahrbar sein? Die ersten Spitzkehren sind es nicht, zu steil geht's runter, da heißt es nix riskieren. Es folgt eine atemberaubende Aussicht tief in den friulanischen Teil der Karnischen Alpen („Alpi Carniche"). Rund 80 Prozent des meist ein bis zwei Meter breiten Trails sind für uns letztlich fahrbar. Die Jungs im Vimeo-Film fuhren dagegen alles, sind also entweder ein lebensmüder Haufen, haben passendere Bikes als wir oder sind wahrscheinlich einfach technisch versierter ...

BILDER FÜR DIE EWIGKEIT
Rechts sehen wir ständig die hunderte Meter abfallende Felskante; einen blöden Fehler darf man sich also nicht erlauben. Ein Höhepunkt des Trails ist dann die alte wackelige Holzbrücke, die wir nicht überfahren, sondern respektvoll schiebend passieren. Diese alte Holzbrücke auf diesem geschichtsträchtigen Trail ist ein solch starkes Bild, das man es tief in sich abspeichert. Die lokalen Touristiker wissen über die Anziehungskraft der Tour übrigens durchaus Bescheid, gehen aber behutsam mit einer Bewerbung um, da die alpine Gefahr für die breite Masse hier doch hoch ist. Daher gilt seit heuer, dass der Trail offiziell nur mit Guides befahrbar ist! Der Trail führt schließlich durch den Wald zum zweiten Highlight: einem breiten, vom Wasserfall in den Fels geschliffen Wasserbecken, wo man auch bei noch so kalten Wassertemperaturen einfach reinspringen muss. Im Anschluss wird der Trail immer breiter und führt zu abgelegenen kleinen Ortschaften und schließlich nach Pontebba im Kanaltal. Dieser Ort markierte 1919 die italienisch-österreichische Grenze und wies zwei Gemeindehälften auf: das italienische Pontebba und das österreich-ungarische Pontafel. In Pontebba erfreuen wir uns am „italienischen Triathlon" mit Pizza, Tiramisu und Espresso, bevor wir auf der Nassfeldstraße vom Süden kommend rund 13 Kilometer später und 1.000 Meter höher den Nassfeldpass zurückerobern. Von dort folgen 12 Kilometer abwärts zurück zum Ausgangspunkt Tröpolach, wo wir wieder Marco treffen. Und ihm mit breitem Grinsen von der Bewältigung des „Bike & Hike"-Trails unserer Träume berichten ...