Fit in sieben Minuten! In drei Tagen zum Traumbody! Cross-Fit, Bootcamp und Co. – die neuen Turbotrainings versprechen maximale Erfolge bei minimalem Zeitaufwand. Alles, was man tun muss? Sich quälen bis zum Erbrechen! Was Mediziner zum 'High Intensity Training' sagen und wer bei dieser Fitness-Schinderei mitmachen kann: Wir haben nachgefragt – und sind auf einen echten HIT gestoßen ...

Zitternde Muskeln, schmerzende Körper und Menschen, die sich bis zum Übergeben verausgaben. Das ist das neue Fitnesstraining, wie es rundum beworben wird. Ob in Boot-Camps, bei Drill-Stunden im Crossfitcenter oder auf eigene Faust im Studio: Trainiert wird kurz, aber exzessiv. Und qualvoll. Erschöpfung ist schick. Und nützlich. Denn nach dem Schweiß folgt angeblich der Preis: Das neue Killertraining verspricht bei minimalem Zeitaufwand maximale Erfolge. Zwei Trainingseinheiten pro Woche à 45 Minuten genügen, so heißt es, um schlank, fit und schön zu werden. Klingt doch wunderbar. Vor allem auch für diejenigen, die bisher stets notorischen Zeitmangel als größten Hinderungsgrund für regelmäßiges Fitnesstraining ansahen. Bloß: Die Rechnung „Kleiner Aufwand – großer Nutzen“, die stimmt nur für den Zeit- und nicht für den Schmerzfaktor. Denn für „Fit in 7 Minuten“ und andere propagierte Hardcore-Methoden muss man schon schwitzen, schnaufen und sich bis zur vollkommenen Erschöpfung schinden!

"INTESITÄT UND WAHNSINN"
... beschreiben nicht nur den ersten Eindruck, den Außenstehende bei dieser neuen Turbo-Training-Welle gewinnen mögen, sondern titeln bezeichnenderweise auch den Namen des berühmten Blitztrainingsprogramms von Bodybuilder-Legende und Ex-Mr. Universum Steve Michalik. Der ehemalige Schwarzenegger-Konkurrent erweckte in den letzten Jahren mit eben diesem „Intensität und Wahnsinn“-Konzept eine altbekannte Trainingsmethode wieder zum Leben, die seit den 60er-Jahren kaum mehr Beachtung gefunden hatte.

Vielleicht genau wegen der Intensität und des Wahnsinns. Denn bei der Michalik’schen Art des Trainings sind Extreme angesagt – wie so oft beim amerikanischen Adonis mit dem Brustumfang von 1,50 m. In seinem Studio mit den pechschwarzen Wänden, den blutroten Trainingsgeräten und dem Bild einer übergroßen Injektionsspritze an der Wand propagierte Steve sein Trainings- und Lebensmotto: Rauf mit der Dosierung. Limits sind was für Luschen. „Denn nur, wenn der Körper in eine Art Überlebenskampf gerät, verändert er sich“, predigte Michalik. Seinen Jüngern empfahl der Grenzgänger daher, den brennenden Schmerz der Erschöpfung einfach zu überhören und sich voll auf das Training zu konzentrieren. So führte schließlich auch Michaliks Weg zu unzähligen Welterfolgen im Bodybuilding.

DAS TRAURIGE ENDE MICHALIKS
Das Ende dieser extremen Fitnessreise? Nach diversen Trainingsexzessen, Unmengen an Steroiden, zahlreichen golfballgroßen Leberzysten und Hoden, die (wie der Meister selbst zugab) auf die Größe von Knabbernüssen geschrumpft waren, erreichte Michalik sein trauriges, aber ob des qualvollen körperlichen Verfalls wohl schon ersehntes Ziel: Er gab im vergangenen Frühjahr, im Alter von nur 63 Jahren, eine (O-Ton Michalik) „echte Ausnahmeleiche“ ab. Todesursache: der totale Overkill. Der Meister verließ also die Bühne der weltbesten, kunstbraunen Muskelmaxe. Er hinterließ dabei aber nicht nur die filmreife Historie eines hochneurotischen Selbstdarstellers, sondern auch ein Trainingskonzept, das nun plötzlich auch in unseren Breiten als neues Fitness-Wundertraining abgefeiert wird.

Denn subtrahiert man „Intensität und Wahnsinn“ um das muskelprotzige Machogehabe, den Drogenkonsum und den krankhaften Körperkult, dann bleibt eine Trainingsformel bestehen,die heute nicht nur zum Trendsport avanciert, sondern angeblich „Intensität und Sinn“ hat. Einer der größten Anhänger dieses Erfolgskonzepts ist der schlanke Sportmediziner Prof. Dr. Dr. Jürgen Gießing, der in seinem akademischen Alltag an der Universität Koblenz-Landau nicht nur selbst das knallharte Zeitspar-und -Schwitz-Workout durchzieht, sondern in zahllosen Büchern auch seinen Studenten und sonstigen Hobbysportlern dazu rät.

Video: Steve Michalik beim Mr. Universe 1975


DER HIT: KURZ UND KNACKIG
Gießings akademische Studien und sein Minimum von nur acht Prozent Körperfett wirken dabei nicht nur seriöser als Michaliks fragwürdiger Höllenritt – sie lassen auch kaum Widersprüche zu. Denn „HIT“, wie der Wissenschaftler sein „High Intensity Training“ nennt, wirkt wirklich! Oder wie es der anerkannte Fitness-Professor sagt: „Kurze, aber intensive Trainingseinheiten sind wesentlich effizienter als das herkömmliche Volumentraining, bei dem mehr Sätze und Zeitaufwand nötig sind, um den gleichen sportlichen Erfolg zu erreichen.“

Hinter diesem Kurz-und-knackig-Training stecken ja keine brandneuen Erkenntnisse, sondern schlichtweg das Modell der Superkompensation. Wie es Gießing erklärt: „Nur durch eine Schwächung erfolgt eine spätere Stärkung. Der Körper wird also zunächst durch einen sportlichen Reiz geschwächt. Anschließend folgt eine Phase der Regeneration, in der sich der Körper nicht bloß auf das Ausgangsniveau zurückbringt, sondern ein Stück darüber hinauswächst.“

Unterstützend können in dieser Zeit sogenannte Supplements eingenommen werden, um die Regenerationsfähigkeit des Körpers zu fördern. Online-Shops wie der Andro Shop bieten eine breite Produktpalette an Sportnahrungs-Artikeln zu vielen verschiedenen Anwendungsbereichen an.

Gut, das ist ja an sich nichts Neues für jeden halbwegs bedarften Hobbysportler, der sich mit der Trainingslehre auseinandergesetzt hat. Der springende Punkt aber ist: Je größer die Schwächung ist, desto größer ist auch die anschließende Stärkung! Womit sich auch der Effizienzvergleich zum herkömmlichen Volumentraining erklärt. Bei letzterem werden vom Sportler mehr Sätze mit geringem Krafteinsatz durchgeführt. Die Schwächungen sind weniger intensiv und der anschließende Muskelzuwachs damit geringer. Beim neuen Turbo-Training erreicht man durch eine höhere Trainingsintensität hingegen einen höheren Erfolg bei gleichzeitig geringerem Zeitaufwand. „Nach unzähligen Studien können wir davon ausgehen, dass es innerhalb von zehn Wochen machbar ist, bis zu ein Kilo Fett gegen circa ein Kilo Muskeln zu tauschen“, sagt der Wissenschaftler und Paradeathlet Gießing.

FATALE FEHLINTERPRETATION
Klingt richtig verlockend. Doch genau das ist wohl auch die „dunkle Seite“ von HIT: Diese „kurz-und knackig“- Formel verleitet nämlich nicht nur viele chronisch Zeit-knappe Freizeitsportler, sondern wohl auch so manchen absolut Untrainierten zum Nachmachen und sitzt damit einer fatalen Fehlinterpretation auf. Denn wie der Wiener Sportmediziner und Buchautor Dr. Christian Matthai warnt: „Radikale Veränderungen bergen das Risiko, dass der Erfolg nur von kurzer Dauer und ohne Nachhaltigkeit ist. ,Superfit in einer Woche‘ ist zwar eine verlockende Vorstellung, gleichzeitig aber auch ein unseriöses Versprechen. Denn sogar einem absoluten Laien muss klar sein, dass so ein Vorhaben unrealistisch ist. Was monatelang vernachlässigt wurde, kann in sieben Tagen nicht wieder gut gemacht werden. Sich in seiner Figur wohlzufühlen, sollte zur Lebensphilosophie werden und nicht ein 7-Tage-Programm.“ Auch Gießing selbst gibt klar zum Ausdruck, dass HIT zwar Zeit spart, aber deshalb keine Abkürzung ist. „Sport ist eine Lebenseinstellung – und HIT ein effizienter Teil davon. HIT ist die effizienteste aller Trainingsmethoden, aber selbst die bringt keine Traumfigur über Nacht“, sagt der Professor.

NOCH HÄRTER MIT "HIT"
Doch nicht nur die Frage nach falschen Hoffnungen stellt sich bei den diversen Turbo-Trainingsmethoden, es macht sich bei vielen logischerweise auch die Skepsis darüber breit, ob ein Training bis zur Erschöpfungsgrenze überhaupt gesund sein könne. Auch hier sind sich die Mediziner Matthai und Gießing einig. Grundsätzlich könne ein hoch intensives Training keinem gesunden (!) Körper schaden. „Eine medizinische Untersuchung macht aber vor dem Beginn des Trainings in jedem Fall Sinn“, rät Gießing. „Was die Beanspruchung des Körpers angeht, muss man etwas tiefer in die Materie eintauchen und wissen, dass HIT grundsätzlich sowohl im Ausdauer-, als auch im Kraftsport einsetzbar ist. Im Ausdauerbereich nennt man es allerdings HIIT, also hochintensives Intervall-Training.“
Zur Erklärung: Beim HIT wird lokal entweder der Bizeps, der Oberschenkel, der Bauchmuskel oder ein anderer Muskel in seiner Maximalleistung gefordert, während der übrige Körper nicht in diesem Maß beansprucht wird. Zwar ist das Ziel, bei einer HIT-Sitzung möglichst den gesamten Muskelapparat zu trainieren – das Herz-Kreislauf-System wird dabei aber nicht überlastet.

Gießing: „Beim HIIT-Ausdauertraining wird hingegen das gesamte Herz-Kreislauf-System durch gezieltes Intervalltraining an seine Grenzen gebracht. Auch das ist für einen gesunden Körper nicht schädlich, bedarf jedoch der gezielt individuellen Vermessung und Einhaltung der persönlichen Leistungsskala.“

Für einen nur mäßig trainierten Hobbysportler sind der Aufwand und das Risiko der Überforderung bei einem HIIT-Ausdauertraining in der Regel zu groß. Beim HIT-Muskeltraining muss man dagegen wegen der nur punktuellen Belastung keine gesundheitliche Überforderung befürchten. „In jedem Fall gilt jedoch, dass ausreichende Erholungsphasen nach dem Sport eingehalten werden müssen, damit der Körper die Trainingsreize auch verwerten kann. Besonders in den Ruhephasen finden Reparaturvorgänge statt, die Muskeln zum Wachsen und Fett zum Schmelzen bringen“, ergänzt Dr. Matthai.

Video: HIIT-Trainingsvariante für Frauen


NICHT OHNE BEGLEITUNG
Wer sich an diese Regeln hält, absolviert mit HIT ein durchaus gesundes und wirkungsvolles Training. Dies gilt laut Gießing auch deshalb, weil es bei HIT nicht um absolute, sondern individuelle Leistungsgrenzen geht. Jeder trainiert bis zu seinem persönlichen Maximum. „Beim Anfänger bedarf es hierfür wenig Gewichteinsatz, der Geübte braucht mehr. Entscheidend ist nicht so sehr die Höhe des Gewichts, sondern der Effekt der Superkompensation. Niemand wird über sein Maß hinaus gefordert“, sagt der Professor und weiß seine HIT-Methode noch weiter zu bestärken: „HIT zeichnet sich auch durch ein besonders geringes Verletzungsrisiko aus. Denn eine Hantel ist ein Präzisionsgerät und wird bei HIT auch mit entsprechender Genauigkeit und Sorgfalt bedient. Das Gewicht wird nicht schwungvoll, sondern ganz langsamund technisch absolut korrekt gestemmt.“

HIT eignet sich also für jeden gesunden Sportler. „Dennoch macht es gerade im Bereich hoher Trainingsintensitäten Sinn, sich von einem Profi begleiten zu lassen“, sagt Matthai. Dabei raten die Mediziner allen Interessierten, die sich der neuen Turbo-Trend-Bewegung anschließen wollen, die Seriosität des angebotenen High-Intensive-Trainings genau zu überprüfen. Wichtiger als lautes Bootcamp-Gebrüll ist gerade beim Training im Extrembereich der leise Beistand des fachkundigen Trainers, der Acht gibt, ob die Übungen anatomisch korrekt und innerhalb des persönlichen Trainingsniveaus ausgeführt werden.

LIMITS KNACKEN
Wer professionelle Betreuung gefunden hat, braucht nur noch den eisernen Willen, sich seinen körperlichen Limits zu stellen. Jedenfalls, wenn man Lust hat. „Denn es ist zwar eine unglaubliche Erfahrung und ein erfolgreiches Training, den Körper bis zum Maximum zu reizen. Doch sich Zeit nehmen, zur Ruhe kommen und vielleicht beim Training die Verbundenheit mit der Natur genießen zu können – das sind ebenso wichtige Trainingsziele wie der Gedanke des schnellen, effizienten Erfolges“, sagt Sportexperte Matthai. Und selbst Professor Gießing ergänzt: „HIT ist zwar ein hoch effizientes Training, deshalb haben aber herkömmliche Methoden keinesfalls ausgedient. Letztlich geht es beim Sport um körperliche Gesundheit und seelische Balance; und um das zu erreichen, dafür gibt es viele Methoden.“ Richtig. Sport soll schließlich nicht nur schnell gehen, sondern vor allem auch Spaß machen. Und jede(r) muss für sich selbst entscheiden, welche Methode sein persönlicher Trainings-Hit ist ...


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