Nirgendwo wird der Klimawandel für die Allgemeinheit so sichtbar wie am Rückzug der Gletscher. Daher muss die ganze Wintersportbranche umdenken. Wie weit man da schon ist und was die Zukunft bringen wird, zeigte sich am Rande des traditionellen „Forums Zukunft Winter“ in Kaprun.

Klaus Molidor
Klaus Molidor

Es gibt kein Vorbeikommen mehr an dem Thema. Nicht auf dem Kitzsteinhorn, nicht im Kühtai, nicht beim Forum Zukunft Winter in Kaprun. Wie überall geht es auch beim Netzwerktreffen der Ski- und Seilbahnindustrie sowie des Tourismus darum, wie wir den Winter „grüner“ machen können, wie wir auch in Zukunft Ski fahren können ohne die Umwelt über Gebühr zu belasten, zu schädigen. „Die Branche steht deswegen so im Fokus, weil am Thema Schnee und Gletscher sichtbar wird, wie sich das Klima verändert“, sagt Michael Rothleitner vom Schneezentrum Tirol. „Es bringt nichts zu jammern und zu fragen: warum wir? Dieser Kelch wird an der Branche nicht vorübergehen.“ Daher müssen Liftbetreiber, Skigebiete und Co. die Herausforderung annehmen und versuchen etwas zu ändern, auch wenn das auf die globale Klimaveränderung keine weltbewegenden Auswirkungen hat.

Rothleitner tut bereits etwas. Der Ex- Vorstand der Mayrhofener Bergbahnen betreibt seit einigen Jahren das Schneezentrum Tirol. Damit forscht er unter anderem an effizienteren Beschneiungsmethoden. „Wir wissen immer noch nicht, wie viel Wasser bei der technischen Beschneiung verdunstet und bei welchen Rahmenbedingungen die Verdunstung höher ist.“ Ersten belastbaren Zahlen zufolge verdunsten bei ungünstigen Bedingungen 30 Prozent. Löst man dieses Rätsel, kann man effektiver beschneien, braucht weniger Wasser und weniger Strom und schont damit auch die Umwelt. Eine entscheidende Rolle in diesem Prozess kommt einem Fußballplatz zu. Auf 2000 Meter Seehöhe im Tiroler Kühtai steht er und dient Rothleitner und seinem Team als Testzentrum. „Dort sehen wir gut, wie viel der Wind verbläst“, sagt Rothleitner. Um die Feuchtigkeit des Schnees messen zu können, sollte der Schnee natürlich auf einen Haufen fallen. Das geht bis ungefähr 5 km/h Wind. Nach Jahren der Forschung könne man jetzt endlich die Feuchtigkeit relativ gut messen. Um der Verdunstung auf die Spur zu kommen, sind ebenfalls aufwendige Methoden notwendig. Vereinfacht gesagt werden dabei Wasserstoff-Isotope im Schneiwasser untersucht und dann mit dem geschmolzenen technischen Schnee verglichen, was Rückschlüsse auf die Verdunstung zulässt. 

Grün ist das neue Weiß

Umdenken beginnt
Auch die Seilbahnen tun etwas. Eingriffe in die Natur werden möglichst sanft gemacht, Speicherteiche und dergleichen harmonisch in die Landschaft zu integrieren versucht. „Da haben wir den Grünen viel zu verdanken“, sagt Hannes Parth, Tiroler Hotelier und jahrzehntelang Vorstand der Bergbahnen in Ischgl. Das reine Profitdenken kann sich keiner mehr leisten. So haben auch die Gletscherbahnen Kaprun ein Riesenprojekt kleiner gemacht. Zwar hat man mit der „3K K-onnection“ Seilbahn, einer hochmodernen3S-Bahn, den Lückenschluss zwischen Maiskogel in Kaprun und dem Gletschergebiet auf dem Kitzsteinhorn geschaffen. „Aber eigentlich wollten wir ein weiteres Tal erschließen“, gesteht Vorstand Norbert Karlsböck. Aus ökologischen und – natürlich auch – wirtschaftlichen Gründen hat man es aber bleiben lassen. Beim Bau der neuen Bahn, die seit 29. November in Betrieb ist, hat man ebenfalls versucht, „grün“ zu denken. So sind die Kabinen nicht knallig lackiert, sondern in dezentem Grau. In den Tragseilen der Bahn ist ein Lichtreitersystem integriert. „Damit mussten wir für die Kommunikation zwischen Stützen und Stationen keine Kabeln im Boden vergraben“, sagt Karlsböck stolz. Über die Seilreiter, die Trage- und Zugseile in regelmäßigem Abstand zusammenhalten, hat man sich mit Ornithologen beraten. „Die sind jetzt grau lackiert, weil sie so von Vögeln am besten wahrgenommen werden können.“ Dadurch, dass man nun von Kaprun ohne Auto auf den sieben Kilometer entfernten Gletscher kommt, lassen sich 1,5 Millionen Autokilometer einsparen.

Kommunikationsdesaster
Marketinggag oder nicht – das Thema Klima ist omnipräsent. Auch in der Skiindustrie. „Wir heizen unsere Pressen nur noch mit Woodchips und sparen uns damit 10.000 Liter Öl“, sagt Wolfgang Mayrhofer, Atomic-Vorstand und Sprecher der heimischen Skiindustrie. Und dann gibt es verheerende Bilder, die in diesem Herbst für einen Aufschrei gesorgt haben: das Schneeband auf der Resterhöhe bei spätsommerlichen Temperaturen und die geplante „Gletscherehe“ zwischen Pitz- und Ötztal, wo man schon Bilder von Baggern am Berg gesehen hat. „Ein Kommunikationsdesaster“, sagt Michael Rothleitner ganz klar. Auch wenn der Schnee der Resterhöhe aus dem Depot war. Man zeige damit, dass sich der Mensch über alle Naturgesetze hinwegsetzen kann. „Das ist nicht gescheit. An dem Wochenende hatte es spätsommerliche Temperaturen. Hätte man das ein, zwei Wochen später und bei kälteren Temperaturen gemacht, wäre das viel gescheiter gewesen.“ Ähnlich die Sache mit der Gletscherehe. Da wurde ein Bild verwendet, das bereits Bauarbeiten suggeriert. Tatsächlich aber war das vom Zuschütten der Gletscherspalten. „Das macht man so seit vielen, vielen Jahren“, sagt Rothleitner. „Früher war das mit Pistengeräten möglich, heute ist das so vereist, dass das der Bagger machen muss.“

Was beide Ereignisse zeigen: „Wie emotional das Thema in der Gesellschaft aufgenommen wird. Das zeigt, dass wir wissen, dass wir nicht so weitertun können wie bisher.“ Und das ist durchaus eine positive Entwicklung. „Das Gute daran ist auch: Skigebiete haben wirtschaftlichen und ökologischen Druck. Und in dem Fall führt der in dieselbe Richtung. Sprich: weniger Ressourcenverbrauch.  Ein Sinnbild für die Thematik ist für den Tiroler Rothleitner auch die Tagespolitik. „Da verhandeln Grüne und ÖVP auch um eine Regierung. Aus zwei sehr weit voneinander entfernten Positionen. Und klar ist, dass sie eine Lösung finden müssen.“ Wie beim Klima. Die Richtung stimmt also. Das Thema ist für Rothleitner ein Megatrend. „Also etwas, das unser ganzes Handeln in allen Bereichen über einen sehr langen Zeitraum beschäftigt.“ Was man nur beachten müsse: Dass die Debatte nicht zu stark emotionalisiert wird. Sonst ist das der Sache abträglich. „Das zeigt sich am Beispiel Donald Trump. Dadurch, dass die Debatte um ihn so emotional aufgeladen ist, lassen sich seine Anhänger auch von Argumenten und Fakten nicht mehr vom Gegenteil überzeugen.“ Das wäre für die Klimadebatte eine Katastrophe. Dann haben wir in Zukunft wirklich einen „grünen“ Winter. Aber nicht im übertragenen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Und damit ist dann niemandem geholfen.