„Skitourenparks“, also abgegrenzte und lawinensichere Areale als ­touristische Angebote gerade für weniger erfahrene Skitourengeher, sind in vielen Wintersportregionen ein Thema – aber eben meist noch Zukunftsmusik. Eine Ausnahme gibt’s: Die „Tourenski World ­Pillerseetal“ hat bereits geöffnet.

Es tut sich was! Für alle, die es noch nicht gehört haben, nochmals die Kurzzusammenfassung – auch, weil wir heute direkt an diese Geschichte anknüpfen. Also: Endlich wird versucht, der immer größer werdenden Gruppe der Skitourensportler, die in erster Linie aus Trainingsgründen bergwärts steigen und daher nicht (oder nicht immer) ins freie Gelände wollen, Angebote zu stellen.
Nach gut zehn Jahren, in denen in den meisten Skigebieten die stetig mehr werdenden „Pisten-Tourengeher“ als ungebetene Störenfriede empfunden wurden, setzt nun langsam ein Umdenken ein. Immer öfter hört man aus den Wintersportregionen Stimmen, die den Wert (vor allem den monetären Wert)­ dieser Sportlergruppe anerkennen. Schließlich verzeichnet der Handel beim Skitourenmaterial seit Jahren Umsatzzuwächse, während das beim alpinen und nordischen Material nicht unbedingt der Fall ist.
Eine Idee, die in diesem Zusammenhang immer weitere Verbreitung findet, sind sogenannte „Tourenskiparks“ – also abgesicherte und vor allem lawinensichere Geländeteile, die eine Alternative zum rechtlich nicht unproblematischen Hochsteigen am Rand der Skipisten darstellen sollen. Eine durchaus gute und speziell für Touren­neulinge begrüßenswerte Idee – die aber zurzeit in den meisten Skiregionen über die Andenk-Phase kaum hinauskommt.
Die löbliche und bislang einzige Ausnahme: die „Tourenski World Pillerseetal“, die schon seit letztem Winter in das Skigebiet Buchensteinwand in den Kitzbüheler Alpen integriert ist. Und die es – auch als Lernbeispiel für etwaige Nachahme – durchaus wert ist, einmal genauer inspiziert zu werden.

IN DOPPELFUNKTION
Dass es dort im gemeinsamen Skigebiet der Orte St. Ulrich am Pillersee, St. Jakob in Haus und Hochfilzen die „Tourenski World“ schon gibt, während anderswo erst darüber nachgedacht wird, das ist vor allem einem Mann zu verdanken. Paul Günther heißt er, und er sagt auch selbst: „Stimmt, es hat nur mit meiner Person zu tun, dass wir schon weiter sind also anderswo.“
Klingt vielleicht im ersten Moment etwas selbstüberschätzend, aber wenn man die Hintergründe kennt, wird schnell klar, wie es gemeint ist. Paul Günther vertritt nämlich in Personalunion zwei Parteien, die sich bei diesem heiklen Thema normalerweise am Verhandlungstisch nur gegenübersitzen. Denn Günther betreibt einerseits das Intersport-Geschäft bei der Talstation in St. Ulrich, hat also naturgemäß Interesse daran, dass die Menschen, die sich bei ihm eine Tourenskiausrüstung kaufen, dafür auch ein Betätigungsfeld vorfinden. Gleichzeitig ist der Sporthändler Aufsichtsratsvorsitzender der örtlichen Bergbahnen – mit der ureigenen Aufgabe, die alpinen Skifahrer vor „Gegenverkehr“ durch Pistengeher zu schützen.

SECHS MARKIERTE ROUTEN
In dieser Doppelfunktion kennt Paul Günther also ganz genau die Problematik von beiden Seiten – und war selbst oft genug in der Zwickmühle: „Wenn ich den Leuten eine Tourenskiausrüstung verkauft habe, musste ich ihnen dazusagen, dass sie bei uns neben der Piste aber nicht den Berg raufsteigen dürfen. Und irgendwann dachte ich mir: Das kann’s doch nicht sein!“
Also machte sich Günther gemeinsam mit Manfred Bader, dem Geschäftsführer der Pillersee Bergbahnen an das Ausarbeiten einer Lösung. Günther nutzte auch seine guten Kontakte zu Grundbesitzern – und heraus kam bereits zu Beginn der letzten Wintersaison die „Tourenski World Pillerseetal“. Mit sechs markierten und eigens dafür adaptierten Skitouren – und zwar von der Einsteigertour mit 120 Höhenmetern zum Reinschnuppern in diesen Sport bis zur zackigen Gipfeltour mit 600 Höhenmetern.
„Wer noch mehr will, kann zwei Touren auf beiden Bergseiten miteinander kombinieren, und so auf über 1.000 Höhenmeter kommen“, erklärt der Erschaffer der Skitouren World. Aber egal, welche Route auch gewählt wird – ins Tal abgefahren wird dann auf den normalen Skipisten.

ALLE PROBLEME GELÖST
Den ganzen letzten Winter über war dieser erste „Funpark“ für Skitourengeher schon in Betrieb – und er funktionierte laut Paul Günther reibungsfrei. Ja, mehr noch: „Die typischen Probleme, die Pistentourengeher früher auch bei uns im Skigebiet Buchensteinwand verursachten, die sind zur Gänze verschwunden.“ Konkret schauen die ­Problemlösungen in der Tourenski World Pillersee so aus:

Problem 1: Abfahrende Skifahrer und aufsteigende Tourengeher kommen sich in die Quere, es herrscht Kollisionsgefahr. Die Bergbahnen sind gleichzeitig­ per Gesetz verpflichtet, ihre zahlende Klientel (also die Alpinskifahrer) vor­ ­etwaigen Gefahren bestmöglich zu schützen.

Lösung: Alle sechs markierten Skitouren laufen abseits der Pisten, sie werden trotzdem präpariert und sind jeweils mindestens eine Ratrac-Spur breit. Lawinengefahr ist durch den Routenverlauf und die Präparierung völlig ausgeschlossen. „Lediglich an einer einzigen kurzen Stelle läuft die Aufstiegsspur entlang der Skipiste – da wurde eine deutliche Trennung vorgenommen.“

Problem 2: Viele Pistengeher nutzen die Abendstunden für einen Aufstieg und eine anschließende Abfahrt mit Stirnlampe bei Dunkelheit. Dabei herrscht unter Umständen Lebensgefahr, weil bei den abendlichen Präparierungsarbeiten die Pistengeräte oft mit einem bis zu einem Kilometer langen, in der Dunkelheit schwer zu sehenden Stahlseil gesichert werden müssen. Auch für die Fahrer der Pistengeräte ergeben sich dadurch brenzlige Situationen.

Lösung: In der Tourenski World stehen jeden Dienstag und Freitag Skitourenabende am Programm, bei denen die beliebteste­ Aufstiegstour sowie eine Abfahrt bis 22 Uhr geöffnet bleiben. Erst danach wird präpariert. „Und an diese Regeln hielten sich praktisch alle Tourengeher“, sagt Paul Günther, „bis auf ganz wenige schwarze Schafe, die es wohl überall geben muss ...“

Problem 3: Die Schaffung einer solchen eigenen Infrastruktur für Skitourensportler, sowie das zusätzliche Präparieren kosten viel Geld. Wer soll das bezahlen?

Lösung: Mit „Runnersfun“ bot sich ein erfahrener Partner für das Schaffen der Infrastruktur für die Tourenski World an, der auch Sponsoren anwarb. Die Erstkosten – Günther spricht von (überschaubaren) 20.000 Euro – konnten praktisch zur Gänze durch diese Sponsoren gedeckt werden, die im Gegenzug zum Beispiel im gedruckten Folder der Tourenski World aufscheinen. Die etwas höheren Präparierungskosten sind für den Bergbahnen-Aufsichtsratsvorsitzenden Paul Günther ebenfalls kein Thema: „An den Tourenabenden kamen bis zu 100, ja sogar 120 Tourengeher. Und auch tagsüber waren es nicht selten mehr als hundert Tourensportler, die den Berg raufgestiegen sind und von denen viele oben auch was konsumiert haben. Da ist der Aufwand ja wohl gerechtfertigt.“

WIN-WIN-SITUATION
Auch das ist freilich eine Besonderheit im Skigebiet Buchensteinwand: Das Gipfelrestaurant, in dem viele Tourengeher einkehren, gehört den Bergbahnen. In anderen Wintersportgebieten kollidieren hier ebenfalls die Interessen – wenn die einen (die Gastronomie) profitieren, die anderen (die Bergbahnen) für die Infrastruktur bezahlen sollen. Paul Günther aber möchte das Thema doch etwas umfassender verstanden wissen: „Von zusätzlichen Gästen profitiert doch die ganze ­Region. Außerdem sind die meisten Skitourensportler doch auch Alpinskifahrer, die den Service, den wir bieten, zu schätzen wissen – und dann auch, mit ihren Familien, zum normalen Skifahren wiederkommen.“ Damit steht für den Tourenpark-Pionier außer Streit, dass die Skitouren World eine klassische „Win-win-Situation“ ergibt.
Eine Benützungsgebühr für die bereitgestellte Infrastruktur kommt für Paul Günther übrigens nicht in Frage. In einigen Skigebieten wurde bekanntlich in der Vergangenheit versucht, von Pisten-Tourengehern einige Euro „Eintritt“ (über Parkplatzgebühr oder ähnliches) zu kassieren. Für Paul Günther, selbst begeisterter Skitourensportler, ist das eine Prinzipienfrage. „Aber wir überlegen schon, eine eigene Tourenkarte aufzulegen. Für Sportler, die an schönen Tagen während des Aufstiegs draufkommen, dass sie gern ein paar zusätzliche ­Abfahrten machen möchten. So eine spezielle Liftkarte könnte 9 Euro oder so kosten – aber der Erwerb muss freiwillig ­bleiben.“

KONKURRENZ VOM NACHBARN
Die Tourensportler jedenfalls freut das Angebot am Pillersee – aber sie werden auch gern hören, dass die„Tourenski World“ nicht auf ewig Soloanbieter sein dürfte: Zehn Kilometer entfernt von Hochfilzen, im salzburgerischen Leogang, wird im dortigen weit größeren Skigebiet auch über einen „Tourenskipark“ gesprochen. „Das wird noch dauern,“ glaubt allerdings Paul Günther, „weil zu viele unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen sind.“ Manchmal hat eben auch der Kleine Vorteile – zum Beispiel, wenn man sich selbst am Verhandlungstisch gegenüber sitzt.


DER EXPERTE
PAUL GÜNTHER ist Inhaber von „Intersport Günther“ in St. Ulrich am Pillersee und Aufsichtsratsvorsitzender der Bergbahnen Pillersee, die im Skigebiet Buchensteinwand seit Winter 2011/12 die „Tourenski World Pillerseetal“ betreiben. Web: www.bergbahn-pillersee.com