Ein Fechtkampf gleicht einem „Gespräch unter Gelehrten“, sagen Fechter. Tatsächlich kann auch jeder Hobbysportler so ein Gelehrter werden.Wir haben beim Fechtverband nachgefragt, warum Fechten nicht nur ein faszinierender Spitzen-, sondern auch ein lohnender Breitensport ist.


Fechten ist athletisch, taktisch und koordinativ anspruchsvoll. Und das Prädikat „elegant“ trifft wohl nur auf wenige andere Sportarten im selben Ausmaß zu. Aber in erster Linie fordert und fördert der Fechtsport die mentale Stärke. Zwei Episoden, die das belegen und die gleichzeitig zeigen, warum es auch für Hobbysportler ohne Leistungsanspruch erstrebenswert ist, den Fechtsport einmal auszuprobieren, erzählt uns Hans-Jürgen Burghardt, Sportdirektor im Österreichischen Fechtverband. Episode 1 handelt von einem Rechtsanwalt, den Burghardt lange Zeit trainierte. Nach einiger Zeit gestand der sportlich nicht übermäßig begabte, aber umso begeistertere Hobbysportler seinem Trainer: „Die Stunden beim Fechten sind die einzigen, in denen ich abschalten kann und abschalten muss; wo meinen Kopf nichts anderes belastet als das Geschehen auf der Fechtbahn.“
In Episode 2 beschreibt Burghardt die typischen Kinder und Jugendlichen, die mit dem Fechten beginnen: „Viele von ihnen sind zunächst eigentlich eher schüchterne Typen. Wenn sie sich aber einmal auf die physische und psychische Herausforderung einlassen, ändern sie sich völlig, zeigen ein neu gewonnenes, starkes Selbstbewusstsein – bis hinein in die Körpersprache der Kids.“ Und dieses neue Selbstbewusstsein gilt nicht nur für unsichere Jugendliche, sondern auch für Erwachsene – viele Hobbyfechter sind davon überzeugt, dank der im Fechten erworbenen Fähigkeiten im Beruf und im Privatleben ein anderer Mensch geworden zu sein.

TAKTISCHES GESPÜR
Was aber ist das Geheimnis, dass der Fechtsport solche Auswirkungen auf Ausübende hat? „Es ist eine Kombination aus zahlreichen Elementen. Aber zum Grundverständnis sollten sich Außenstehende am besten einmal die Situation auf einer Fechtbahn vorstellen“, schlägt der ÖFV-Sportdirektor vor „Diese Bahn ist 14 Meter lang, 2 Meter breit. Man steht dem Gegner gegenüber, kann nur bedingt vor und zurück, aber nicht seitlich ausweichen. Man muss sich also der Situation stellen. Und dabei entscheidet nicht die athletische Stärke, sondern das taktische Gespür für den richtigen Moment. Auch ein scheinbar Unterlegener kann jederzeit gewinnen. Genau das ist die enorme mentale Herausforderung.“
Das Sprichwort „eine feine Klinge führen“ passt absolut, wenn etwa Fechter ihrem Gegner eine scheinbare Blößeofferieren (die sogenannte „Einladung“), um die daraus zu erwartende Aktivität mit einer von acht definierten „Paraden“ zu beantworten. Burghardt erklärt es philosophisch: „Das Geschehen auf der Fechtbahn gleicht einem Gespräch unter Gelehrten: Man muss eine konkrete Frage stellen, um eine konkrete Antwort zu bekommen.“

    EIN SPORT FÜR ALLE
    Dass beim Fechtsport (in dem die offizielle Sprache französisch ist) nicht zuletzt wegen eines doch sehr komplexen Regelwerks der Akademikeranteil überproportional hoch ist, ist zwar bekannt. „Aber als elitären Sport kann man ihn schon lange nicht mehr bezeichnen“, meint Burghardt, „es ist tatsächlich ein Sport für jedermann geworden“. Natürlich auch für Frauen (der Anteil der Fechterinnen liegt bei etwa einem Drittel), und auch für Kinder und Jugendliche, die der Verband und die Vereine derzeit mit besonderen Aktionen in den Schulen auf die Sportart aufmerksam macht: Vereinsfunktionäre nehmen seit einiger Zeit im ganzen Land mit Schulen Kontakt auf, um den Fechtsport zu präsentieren und dem Nachwuchs das spielerische Ausprobieren einer Fechtwaffe zu ermöglichen. „Das grundsätzliche Interesse ist dabei sehr hoch, der langfristige Einstieg in die Sportart für viele der Kids aber dann doch schwierig“, bedauert Burghardt.
    Mit etwas über 60 Vereinen österreichweit und knapp 1.500 Aktiven gehört die Sportart zu den kleinen in Österreich. „Über Nachwuchs freut sich jeder Verein – und auch Späteinsteiger jedes Alters, die es nur als Freizeit sport ausüben wollen, sind immer willkommen.“ Der Älteste beim Fechtclub Feldkirch (V), dem Heimatverein Burghardts, ist übrigens 70 Jahre alt.

    ALLES FUSST AUF DER BEINARBEIT
    Was lernt man als Fechteinsteiger als erstes? Bevor man Florett, Degen oder Säbel in die Hand bekommt, müssen die Fechtstellung und die Beinarbeit verinnerlicht werden. „Der Beinarbeit, dem stabilen Stand und dem Vor- und Zurückbewegen auf der Bahn kommt eine enorme Bedeutung zu. Man muss sich anders bewegen, als man es von Natur aus gewohnt ist, aber das ist notwendig, um einem Gegner später eine möglichst kleine Trefferfläche zu bieten“, erklärt der ÖFV-Sportdirektor.
    Ist diese Grundtechnik geschafft, lernt man den Umgang mit der Waffe zunächst an einem Stoßpolster. Dabei wird deutlich, wie wenig Kraftaufwand es eigentlich benötigt, um einen gültigen Treffer zu landen: Je nach Waffengattung reichen 500 bis 700 Gramm Druck über die maximal einen Quadratzentimeter große Klingenspitze, um den elektronischen Sensor auszulösen. Auch dabei wird wieder deutlich: Es kommt eben nicht auf den kraftvollen Umgang mit dem Sportgerät an – wenngleich laut Burghardt „in den vergangenen Jahren im Spitzensportbereich Athletik, Schnelligkeit und Schnellkraft an Bedeutung gewannen“.

    DREI LANGE MINUTEN
    Nun kann man sich auch schon ausrechnen, welche Talente Kinder und Jugendliche (das beste Einstiegsalter liegt bei 8 bis 12 Jahren) idealerweise haben sollten, wenn sie Fechten potenziell auch als Leistungssport betreiben wollen: Schnelligkeit, Koordinationsfähigkeiten und ein gutes Reaktionsvermögen. Interessant ist: Der Ausdauer kommt generell im Fechtsport eine untergeordnete Rolle zu, denn Ausdauertraining ist für die Schnellkraft eher kontraproduktiv. Trotzdem: Die drei Minuten auf der Fechtbahn, die ein Wettkampf dauert (reine Kampfzeit, in allen Unterbrechungen wird die Uhr angehalten), muss man auch erst einmal durchstehen. Laut Hans-Jürgen Burghardt ist die körperliche Belastung „durchaus mit einem Boxkampf vergleichbar“.
    Bleibt letztlich noch die Frage nach der Sicherheit: Die ist, seit in den 80er- Jahren die Stahlklingen und Baumwollstoffe durch moderne Materialien ersetzt wurden, zu 100 Prozent gegeben. Zwar kostet die vollständige Fechtausrüstung klarerweise etwas mehr (ab rund € 700,– aufwärts), aber Einsteiger bekommen sie, inklusive Übungswaffen und -masken in den meisten Vereinen zunächst einmal zur Verfügung gestellt. Sportbekleidung und -schuhe reichen also, um versuchsweise auch einmal eine feine Klinge zu führen.

    DIE WAFFENGATTUNGEN

    • FLORETT: Das Florett ist eine reine Stichwaffe. Es ist biegsam und leicht und gilt als perfekte Einsteigerwaffe, um die technischen Grundfertigkeiten zu lernen. Andererseits spricht man beim Florettfechten auch von der anspruchsvollsten und elegantesten Art zu fechten. Trefferfläche sind Rumpf sowie der „Latz“ der Maske (= der Teil, der den Hals schützt).
    • DEGEN: Auch der Degen ist eine reine Stichwaffe, mit max. 770 Gramm ist er der schwerste der drei Wa en beim Sportfechten. Die Klinge ist um einiges stärker als beim Degen. Der Hauptunterschied: Der ganze Körper von Kopf bis Fuß gilt als Trefferfläche.
    • SÄBEL: Der Säbel ist die einzige Hieb- und Stichwaffe. Er ist so leicht wie das Florett und etwas kürzer als die beiden Stichwaffen. Trefferfläche sind der Rumpf sowie Arme und die gesamte Maske.
    • WEITERE AUSRÜSTUNG: Fechtjacke, Fechthose, Plastron (= Unterziehweste als zusätzlicher Schutz), Fechtsocken und -schuhe, Handschuh, Maske. Alles geprüft nach Normen des weltweiten Fechtverbands FIE.

    Weitere Infos zum Fechtsport in Österreich findest du auf der Webseite des ÖFV.


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