Zwei „Winzlinge“ vor furchterregenden Riesen? Viel Schauriges und Dramatisches wurde einst gedichtet und gefilmt über die erdrückende Macht der Berge, über die Kleinheit des Menschen vor der Wucht der steinherzigen Natur. Die Riesen sind geblieben, der Respekt sicher auch – aber heute ziehen mehr Menschen denn je in die Berge, um aus ihnen mit neuer Kraft und Stärke heimzukommen. Ein Phänomen, das in Wahrheit zwar viele, aber ganz einfache Gründe hat.


Die neue Lust am Berg! Bei der Suche nach einer Erklärung kann man sich dieser Massenbewegung, der sich praktisch von Woche zu Woche mehr Menschen anschließen, natürlich ganz philosophisch nähern. Ist es die Sehnsucht nach dem Einfachen als Ausbruch aus einer hochtechnisierten Welt, die uns immer mehr knebelt? Die Suche nach Freiräumen, weil wir in den engmaschigen Netzwerken, die die Welt zum globalen Dorf gemacht haben, zu ersticken drohen?

JUGEND AUF DEN BERG
Große und kleine Dichter könnten auch heute ganze Bücher mit ihren sinnigen Betrachtungen füllen, warum so viele Menschen aus der Bequemlichkeit unserer Übermobilität in die Berge flüchten. Und zwar zu Fuß, oft unter großen Anstrengungen und Gefahren. Aber diesen und auch den anderen Denkern, die den Trend zum Berg auch mit „der Rückkehr zu traditionellen Werten“, die immer mehr verloren gehen und unsere Wurzeln kappen würden, begründen wollen – ihnen kann man locker dieses Argument entgegenhalten: Wie die Studien und Zahlen der Touristiker belegen, sind es vor allem die Jungen, die die Berge als Terrain für sich entdecken. Aber sicher nicht auf der Suche nach alten Werten und auch nicht unbedingt aus der Sehnsucht nach Ruhe und Entspannung, sondern nach neuen spannenden Herausforderungen. „Es geht in erster Linie um Erlebnisorientierung “, erklärt es Prof. Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeitforschung in Wien. „Viele und vor allem junge Menschen wollen ganzheitlich leben, im Einklang mit Körper und Geist. Sie wollen nicht mehr nur passiv etwas konsumieren, sondern selbst aktiv werden. Und da bieten sich die Berge mit einer Fülle an Möglichkeiten optimal als ,Sportplatz‘ an.“

DAS SPORTLICHE IMAGE
Um gleich beim Stichwort „Sport“ einzuhaken: Auch darin ist wohl eine durchaus nachzuvollziehende Motivation für die neue Lust am Berg begründet. Eine, die vor allem von den Medizinern und Sportwissenschaftern propagiert wird: Das einstige Berg Panorama AlpinsportFamilien-Wandern, oft ungeliebte Zwangsbeglückung für die Kinder, hat sich vom modrigen (rotweiß) kleinkarierten Image befreit – und einen durchaus sportlichen neuen Anstrich erhalten. Verantwortlich dafür ist die ebenfalls immer größer werdende Zielgruppe der fitnessorientierten Menschen, für die Bewegung ein entscheidendes Lebenselixier geworden ist. Sie laufen, biken, walken – und das nicht mehr nur zu ebener Erd’, sondern auch auf den ausdauerfordernden und -fördernden Trails in den Bergen.

DAS PASSENDE TEMPO
Das Geniale daran: So wie sich ein Hobbyläufer sein Tempo genau nach seinem Leistungslevel aussucht, so wählen die „neuen“ Bergsportler genau die Gangart, die ihnen am meisten Lust und auch Nutzen bringt: vom normalen Berggehen, dessen Ausdauertrainingswert sich nicht übers Tempo, sondern über die Dauer definiert, über das sportlich schnelle Wandern (Speed Hiking), bei dem die Stöcke als Antrieb fungieren, bis zum Trailrunning als leistungsfördernde Trainingsalternative für ehrgeizige Laufsportler.

Dass längst auch die Radsportler den Berg als Revier entdeckt haben, und zwar ebenfalls auf unterschiedlichste Weise, stärkt zusätzlich die neue Funktion der Berge als „Sportstätte“. Und nicht zu vergessen auf den Boom, der dem Bergsport den vielleicht noch fehlenden Adrenalin-Touch verleiht: Noch nie zogen so viele Menschen mit Seil und Haken in die Felswände. Weil eben auch für diese Art des Berg-Besteigens verschiedene Facetten der sportlichen Herausforderung angeboten werden, beginnend vom absoluten Megatrend am gesicherten Klettersteig über das Bouldern und Freeclimben bis zum hochalpinen Klettern samt Gipfelsieg.

Um nochmals auf die Ursachenforschung für den Trend zum Berg zurückzukommen: Allein die Aufzählung der unterschiedlichsten Bergsportarten bringt noch einen großen Mitspieler ans Licht: Die Sportartikelhersteller haben natürlich auch einen Riesenanteil an dieser Bewegung. Denn sie sorgen mit ihren modernen Gerätschaften und Ausrüstungen dafür, dass der Bergsport heutzutage um vieles leichter, sicherer und abwechslungsreicher ist. Ja, manche sagen sogar: „Die stecken in Wahrheit hinter dem Trend ...“

Aber spielt’s eine Rolle, woher die neue Lust am Berg kommt? Einigen wir uns einfach darauf, dass es eine magische Kraft ist, die unsere Berge ausstrahlen – und marschieren wir los!


Zum Weiterlesen: