Während es der Durchschnittsbevölkerung eher an der Bewegung als an der Erholung mangelt, ist es bei Freizeitsportlern oft anders herum: SPORTaktiv- Doc Robert Fritz über die Bedeutung des Regenerierens. 

Christof Domenig
Christof Domenig

Kein wirksames Training ohne ausreichende und qualitativ hochwertige Regeneration – weiß man im Prinzip und trotzdem fällt das Regenerieren gerade ambitionierten Freizeitsportlern oft schwer: „Von denen, die regelmäßig Sport betreiben und das oft neben einem fordernden Beruf und Familie: Da unterschätzen sehr viele nach wie vor die Macht der Regeneration“, weiß unser SPORTaktiv-Doc, der Sportmediziner Robert Fritz. Er erinnert an das Prinzip der Superkompensation, das – obwohl die Vorgänge in unserem Körper durchaus komplexer sind, als es dieses einfache Modell besagt – dennoch als Gedankenmodell und zur Verdeutlichung des Zusammenspiels zwischen Training und Regeneration gut geeignet ist. Durchs Training setzen wir einen Reiz, der den Körper schwächt und an dem er in der folgenden Reparaturphase wächst. Aber nicht nur bis zum Ausgangsniveau, sondern etwas darüber hinaus. Jetzt, bevor wir wieder schwächer werden (und der Trainingseffekt verpufft ist), wäre es an der Zeit, das nächste Training draufzusetzen. Und so ergibt sich aus dem gut getimten und aufeinander abgestimmten Zusammenspiel und Ablauf zwischen Trainingsreiz und Erholungsphasen, dass wir stärker werden und unsere Leistungsfähigkeit ansteigt. Würden wir stattdessen auf die benötigten Regenerationspausen verzichten und immer gleich ein Training aufs andere draufssetzen, ehe die Reparaturprozesse abgeschlossen sind, würden wir von Mal zu Mal schwächer werden.

Hör auf deinen Körper
„Die Basis der Regeneration ist zunächst: Hör auf deinen Körper“, rät der Sportmediziner. „Frag dich: wie geht es mir eigentlich? Hast du das Gefühl, es geht dir gut, dein sportlicher Einsatz wird von angemessenem Erfolg belohnt: Sehr gut, mach einfach weiter. All jene, die aber sagen: Ich hab das Gefühl, es geht in der Leistungsfähigkeit nichts weiter, ich trainiere immer härter, mache immer mehr, aber es wird nicht besser, sondern eher schlechter: die sollten über ihre Regeneration nachdenken.“ 

Oder auch die, die oft verletzt sind oder von Wehwehchen geplagt werden oder schlecht schlafen. Klassische Überlastungssymptome durch Entzündungen betreffen bei Ausdauersportlern beispielsweise das Knie („Läuferknie“ – das auch Radfahrer bekommen können), das Schienbein („Schienbeinvorderkantensyndrom“), die Achillessehne oder die  Plantarfaszie des Fußgewölbes. „Das Gemeine daran ist: Man spürt es zunächst nur in der Früh und es verschwindet im Verlauf des Tages. Auch beim Sport spürst du es zunächst nicht oder es wird durch den Sport zu Beginn sogar besser. Aber dann wird es mehr und mehr und schließlich chronisch. Solche Überlastungszeichen soll man ernst nehmen. Wobei es in einer frühen Phase noch gar nicht nötig ist, zum Arzt zu gehen – sondern sich einfach zu fragen: Wann war mein letzter Ruhetag?“, so die Empfehlung des Sportmediziners. 

Ein typischer Fehler, der die Regeneration betrifft, ist auch das „Nachholen“ von Trainings. Der Wettkampf rückt näher, man hat vielleicht einen Infekt gehabt und ist versucht, ausgefallene Einheiten eines Trainingsplans aufzuholen und komprimiert durchzuführen: „Aber das geht nicht. Es wird zu viel und der Körper kann den Reiz nicht verarbeiten. Gibst du ihm nicht die Zeit zur Regeneration,  wirst du mit ziemlicher Sicherheit in eine Überlastung hineinlaufen.“
Ganz wichtig, erklärt Robert Fritz, ist auch, neben dem Sport die Alltagsbelastung und sonstige Stressfaktoren mit zu berücksichtigen, um die passenden Regenerationszeiten zu finden. Ein mental fordernder, aber sitzender Beruf hat bereits das Potenzial, nötige Regenerationszeiten zu verlängern – aber vor allem sind es körperlich anstrengende Berufe, deren Belastungen unbedingt beachtet werden müssen und auf die das Sportpensum unbedingt abgestimmt sein soll.

HRV-Messung der Sportuhren
Wer sich einen professionellen Trainingsplan auf Basis einer Leistungsdiagnostik auf Lebensumstände und Ziel abgestimmt holt und sich danach richtet, ist einen bedeutenden Schritt weiter, weil Regenerationszeiten von Sportwissenschaftern und Trainingsexperten einberechnet werden. Eine Möglichkeit, heute abzuschätzen, wie lange der Körper zum Verkraften einer Trainingseinheit braucht, bieten aber auch die modernen Sportuhren, die mittels Plusmessung am Handgelenk 24 Stunden am Tag Körperfunktionen und etwa auch die Herzfrequenzvariabilität (HRV) überwachen. Und die letztlich aus einer Vielzahl an ermittelten Daten Stress und Erholungszeiten berechnen. Garmin etwa nennt den Erholungswert „Body Battery“, Polar misst die „Nightly Recharge“, also die „nächtliche Erholung“. Obwohl die heute übliche Puls(wellen)messung am Handgelenk die Herzfrequenzvariabilität bei Weitem nicht so genau ermitteln kann wie ein  Brustgurt, liefern die Uhren, wenn sie sich einmal auf den Träger „kalibriert“ haben, aufgrund der Vielzahl an gemessenen Werten recht verlässliche Daten, weiß Robert Fritz. Ein guter Indikator ist aber einfach auch die Ruheherzfrequenz: „Weicht diese um fünf bis zehn Schläge nach oben vom gewohnten Wert ab, kann das auf einen beginnenden Infekt hindeuten – aber genauso auf eine beginnende Überlastung.“ Auch die Ruheherzfrequenz wird von den Sportuhren angezeigt – ebenso aber lässt sie sich morgens ganz simpel mit den Fingern am Handgelenk messen.

Der Schlaf ist die wichtigste Regenerationsmaßnahme. Aber gerade beim Schlaf wird oft ­„weggezwickt“.

Passive und aktive Regeneration
Die wichtigste – und zugleich am meisten unterschätzte – Regenerationsmaßnahme ist Schlaf: Da gehen die wichtigen Reparaturprozesse am effektivsten vonstatten. „Doch gerade beim Schlaf wird oft weggezwickt“, kritisiert der Mediziner, „im Versuch, Beruf, Familie, Sport zu vereinbaren, stehe ich um 4 Uhr auf, um meine Trainingseinheit durchzuziehen. Das ist aber nicht sinnvoll! Zumindest 6 bis 7 Stunden Schlaf sind nötig, damit sich Körper und Psyche erholen können.“ 

Ebenfalls wichtig und effektiv in der Unterstützung der Regeneration ist die passende Ernährung: „Geleerte Kohlenhydratspeicher nach dem Training auffüllen, besonders bei Krafttraining aufs Eiweß achten“, empfiehlt der Doc: „Damit lässt sich die Regenerationszeit um bis zu 50 Prozent verkürzen“.
Natürlich spricht auch für Freizeitsportler nichts dagegen, sich auch das eine oder andere Weitere von Profisportlern abzuschauen, um Regenerationszeiten zu verkürzen und die Qualität der Regeneration zu verbessern. „Aktive Regenerationsmaßnahmen setzt man mit kurzen und sehr niedrigintensiven Bewegungsreizen – idealerweise am Ergometer mit einer maximalen Dauer von 30 bis 40 Minuten“, erklärt der Mediziner. Sinnvolle passive Regenerationsmaßnahmen sind etwa: Sauna, Wechselduschen und Wechselbäder – alles Maßnahmen, die die Durchblutung anregen. Massagen und Massageräte, eine Blackroll oder auch Elektromyostimulationsgeräte – auch daran kann man denken. Aber erst, wenn die zuvor genannten Basics stimmen – das Gefühl, der Schlaf, die Ernährung: Dann klappt auch die Regeneration. „Keep it simple“ ist auch hier letztlich das Motto, das der SPORTaktiv- Doc mit auf den Weg gibt. 

Dr. Robert Fritz
Dr. Robert Fritz

Der Sport- und Ernährungsmediziner ist einer der Gründer und medizinischer Leiter einer Unit der „Sportordination“ in Wien und einer der bekanntesten Sportärzte in Österreich. Als „SPORTaktiv-Doc“ beleuchtet er kompetent in jeder Ausgabe ein Sport- oder Ernährungsthema.


Web: www.sportordination.com