Die Frage drängt sich auf: Wird der Boom des Skitourensports auch als Chance für ­Österreichs Wintertourismus wahrgenommen? Oder anders gefragt: Ist der Skitourengeher mittlerweile ein Gast, der auch umworben wird?

Von Claudia Riedl


Skitourengehen, Skibergsteigen oder Tourenskigehen: Man kann es nennen, wie man will – Fakt ist: Bei keiner anderen Wintersportart war in den letzten Jahren ein derartiger Aufwärtstrend zu erkennen wie bei der „Fellaufstiegs-Skiabfahrts-Kombi". Noch einmal, um die Bedeutung aufzuzeigen: Weit mehr als eine halbe Million Sportler gehen in Österreich auf Skitouren, Tendenz weiter steigend.

Dass sich dieser Boom proportional zu dem Plus an Ausübenden auch im Sporthandel auf die Verkaufszahlen von Skitourenausrüstungen niederschlägt, ist logisch. Wie schaut es im Tourismus aus? Wird der eher naturbelassene Skitourengeher in unserem vom „Pistentourismus" geprägten Land nun ebenfalls als wichtiger Urlaubsgast wahrgenommen? Lohnt es sich, um ihn zu werben, werden für ihn spezielle Angebote kreiert? Und umgekehrte Frage: Welche Annehmlichkeiten wünscht sich der „typische" Skibergsteiger selbst für seinen Urlaub?

Ein Gedanke drängt sich da sofort auf: Gerade jenen Urlaubsregionen, in denen das Alpinskifahren keine alles überragende Bedeutung hat, die aber dafür mit unberührter Natur punkten, sollte die steigende Beliebtheit doch eine Chance bieten. Oder ist das gar nicht so? Wir haben uns mal quer durchs „Daheim" – genauer gesagt: in den Bundesländern Osttirol, Steiermark, Kärnten und Niederösterreich – zu dieser Thematik umgehört.

VON WEST NACH OST
Starten wir den (nur stichprobenartigen) Rundblick mit einer großen Wintersport­destination: Osttirol. Dort wird unsere Anfrage gleich mit Freude aufgenommen. „Ja, bei uns kommt dem Skitourengeher als Gast eine sehr hohe und stetig wachsende Bedeutung zu", erklärt Bernhard Pichler, Marketing­leiter der Osttirol Werbung. In Zahlen: „Zurzeit entfallen rund 10 Prozent aller Wintergäste auf die Skitourengeher, wobei auch ca. 10 bis 12 Prozent der Winternächtigungen durch Tourengeher erzielt werden."

Nachvollziehbar sind daher auch die Anstrengungen des TVB Osttirol, dieses Segment ganz gezielt zu bewerben, um noch mehr Menschen von einem Touren-Urlaub in Osttirol zu überzeugen. „Die Lienzer Bergbahnen bieten in den Skigebieten Lienz-Zettersfeld und Lienz-Hochstein sogar eine ‚Skitourensaisonkarte' an, wo der Tourengeher einmal pro Tag kostenlos die Liftanlagen nützen kann, um einem Gipfelziel näher zu kommen", erklärt uns Bernhard Pichler und führt weiter aus: „Dem Tourengeher wird von den Osttiroler Berg- und Skiführern generell ein vielfältiges Programm geboten, mit bester Betreuung und einer Vielzahl an wunderbaren geführten Touren."

Osttirol punktet bei der Zielgruppe weiters mit über 40 ausgesuchten Skitouren im Villgratental. Dazu bieten ausgebildete Bergführer vor Ort und das lokale Alpinbüro „Leisespuren" Skitourenerlebnisse in den Villgrater Bergen an. Passend dazu gibt es mehrere auf Tourengeher spezialisierte Hotels. Ein Beispiel: Der in Innervillgraten ansässige „Gannerhof" etwa wirbt mit Ruftaxis, die Tourengeher zum Ausgangspunkt ihrer Skitour bringen.

IN DER „LANGLAUF-REGION"
Nächster Stopp bei unserem Rundblick: das steirische Ramsau am Dachstein – im Winter vor allem als WM-erprobtes Langlauf-Eldorado bekannt. Obwohl nach Zahlen gemessen der Langlauf- und Skigast noch klar an der Spitze steht, nimmt die Bedeutung des Skitourengehers auch hier zu. „Bei uns gibt es zahlreiche für Tourengeher attraktive Routen und Aufstiegsmöglichkeiten. Alle zwei Wochen kann man an geführten Mondschein­skitouren in das Almgebiet teilnehmen", erzählt uns Philipp Walcher vom TVB Ramsau. Ein spezielles „Zuckerl" für Touren-Einsteiger: Ab Dezember bis Ende März wird wieder der „Tiefschnee-Pass" angeboten. Dabei zeigt ein ausgebildeter Ramsauer Berg- und Skiführer in Form von wöchentlichen 1-Tages-Kursen, was beim Skifahren und Skitourengehen abseits von präparierten Pisten zu beachten ist.

CHANCE ODER NISCHE?
Weiter in den Süden: Noch eher ein „Nischenprodukt" ist das Skitourengehen in der Kärntner Region Bad Kleinkirchheim. Nicht zuletzt der Naturschneemangel, der in den letzten Jahren auf der Alpensüdseite geherrscht hat, hat hier den Aufbau eines großangelegten Skitourenangebots erschwert. Trotz allem wird der Skitourengeher als wichtige Kundschaft wahrgenommen und es wird für diesen in der Region auch so einiges getan: Die „Ski- & Sportschulen Krainer – Wulschnig" etwa arbeiten zusammen mit dem Biosphärenpark an neuen Tourenvorschlägen, die bereits bestehende Strecken wie die „Alpe Adria Trail Skitour" ergänzen sollen. Die Skischule St. Oswald selbst bietet sowohl geführte als auch Schnupper-Skitouren für Wintergäste an. Geheimtipp in der Region: die geführte Vollmond-Skitour.

Und auch im östlichen Alpenraum haben wir nachgefragt: In den kleinen Mostviertler Skigebieten (NÖ) ist der Tourengeher mittlerweile ein gern gesehener Gast. Das Skigebiet Gemeindealpe-Mitterbach etwa wirbt mit zwei ausgeschilderten Skitourenrouten vom Tal auf das neu eröffnete Terzerhaus nahe am Gipfel; in Annaberg werden indes jeden Donnerstag die Pisten und Hütten für Skitourengeher bis 20 Uhr offen gehalten.

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AUF DEM VORMARSCH
Zugegeben, die befragten Tourismusregionen spiegeln die Lage in Österreich nur exemplarisch wider, zeichnen aber doch zumindest ein grobes Bild: „Natürlich wird in einigen Wintersportregionen, besonders in Gebieten mit starkem Ski-alpin-Sektor, das Tourengehen noch als Randsportart wahrgenommen", sagt Bernhard Pichler. Dennoch ist klar zu erkennen, dass der Skibergsteigergast im heimischen Tourismus im Vormarsch ist. Und dass nicht nur kleinere Skidestinationen sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können, wenn sie die Thematik offensiv aufgreifen. Wie etwa der Report über das „Pistentourengehen" eindrucksvoll beweist.

DIE WÜNSCHE DER ZIELGRUPPE
Was sich der Skibergsteiger von seinem Urlaub erwartet, lässt sich anhand des Angebotsspektrums in den Regionen, das von Anfängerkursen über geführte Skitouren bis zu Skitourensaisonkarten reicht, bereits erahnen. Was weiters auffällt: Der Tourengeher von heute ist nicht nur bereit, Geld in Ausrüstung und Sicherheit zu investieren – er hat auch den Wunsch nach komfortablen Hotels und gutem Essen. Vorbei ist die Zeit, in der der „einsame Skitourenwolf" mit seinem selbst­ge­schmier­ten Jausenbrot auf den Berg stapfte.

Der Wandel in der Erwartungshaltung lässt sich auch auf die Veränderung in der Zielgruppe zurückführen. Das Bild vom schrulligen Einzelgänger ist längst überholt – heute dominieren deutlich jüngere „Allroundsportler" das Feld, die nicht nur das Tourengehen, sondern die Kombination aus vielen sportlichen Aktivitäten attraktiv finden.

AUSSPERREN ODER BEGRÜSSEN?
Ja, und eines noch: Im Vorjahr waren Skitourengeher aufgrund des späten Schneefalls zu Beginn der Wintersaison als „Störenfriede" in den Skigebieten wieder einmal besonders oft in den Schlagzeilen. Da mangels Naturschnee im Dezember sehr viele am Rand der Kunstschneepisten aufstiegen, drohten mehrere Skigebiete laut mit dem Aussperren. Prompt aber gab es zahlreiche Gegenstimmen nach dem Motto: „Bei uns sind Tourengeher willkommen!" Auch ein Indiz dafür, welchen Stellenwert der Tourengeher als Gast schon hat.

Philipp Walcher vom TVB Ramsau spricht wohl für viele Touristiker in diesem Land, wenn er sagt: „Da ich selbst begeisterter Skitourengeher bin, konnte ich anfangs feststellen, dass man in manchen Skiregionen nicht sonderlich erwünscht war. Meiner Meinung nach wurde der Trend des Skitourensports mancherorts wirklich nicht gleich erkannt – aber mittlerweile ist man an vielen Orten gut darauf eingestellt." Allen Anzeichen nach scheint es sich jedenfalls zu lohnen, wenn die Tourismusregionen heute auch den Skitourengehern als Gästegruppe signalisieren: „Ihr seid bei uns herzlich willkommen!"


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