Du bist schwer motiviert und kannst jetzt auch im Dezember, Jänner und Februar nicht genug vom Radfahren kriegen? Willkommen im Klub! Das sind deine Schlüssel zum Erfolg beim Winterbiken.

Christoph Heigl
Christoph Heigl


Heuer fahr ich zum ersten Mal durch! So lauten vielerorts die Parolen und Kampfansagen motivierter Zweiradritter und -ritterinnen. Die Ursachen mögen vielschichtig sein: Übermotivation nach einem großartigen Bike-Herbst, ein ehrgeiziger Trainingsplan für den Frühjahrsauftakt, das neue E-Bike, ein paar Extra-Kilo auf den Hüften, der Klimawandel (eh kaum Schnee, eh kaum Minusgrade) oder schlicht und einfach: Spaß. Sämtliche Beweggründe stellen uns aber vor offene Fragen: Was muss ich beachten? Was adaptieren, bevor ich mit klammen Fingern Bilder zu #myfirstbikewinter posten kann?

Schlüssel 1: deine Motivation
Wichtigster Faktor ist dein eigener Antrieb. Jeder findet Biken im Frühling, an genialen Sommertagen und im goldenen Herbst herrlich. Im Gatsch bei 2 Grad plus und Nebel schaut das schon anders aus. Und da reden wir noch gar nicht von Gefrierfach-Temperaturen und 35 Zentimeter Neuschnee. Der innere Schweinehund ist ein zähes Tier, oft ist er stärker als du. Dir muss also klar sein, dass es die Extra-Motivation braucht, bei Schlechtwetter in die vielen Schichten deines Radgewandes zu schlüpfen. Du wirst nicht sauber nach Hause kommen. Du wirst das Stiegenhaus versauen, den Kellerabgang, du wirst dein Bike putzen müssen. Aber du wirst glücklich sein.

Was hilft? Plane keine zu langen Ausfahrten, Kälte kriecht irgendwann durch das beste Gewand. Lass es mit einer Stunde gut sein, oder 90 Minuten, Rekorde brichst du nicht jetzt. Hilfreich ist es im Winter, sich einer Gruppe oder einem Verein anzuschließen. Gemeinsam gegen den Schweinehund.

Schlüssel 2: deine Bekleidung
Beginnen wir unten: Mit deinen normalen Sommer-Radschuhen (egal, ob für Flatpedals oder Click-Pedale) kommst du recht weit, sofern sie nicht extraluftig sind und du dickere (Ski-)Socken anziehst oder sogar ein zweites Paar. Damit geht es bis etwa 5 Grad plus. Zusätzlich kannst du dich mit Neopren-Überschuhen wappnen. Doch sobald das Quecksilber unter null fällt, braucht es spezielle und gefütterte Winter-Radschuhe. Bei Flatpedals tun es auch Winterwanderschuhe. Vorsicht bei Clickpedalen: Der Mechanismus vereist durch Schnee schnell. Welche Hosen? In der Praxis bewährt es sich, kurze, normale Radhosen als unterste Schicht zu tragen und darüber entweder lange Softshell-Radhosen (eng oder weit geschnitten) oder praktische Skitourenhosen. Wer dann noch je nach Kälte eine Schicht darüber wünscht, greift zu Primaloft-Überhosen oder für den Bikerlook zur normalen Sommer-Baggyshort. Ja, die äußerste Hosenschicht wird sehr schmutzig werden.

Am Oberkörper zunächst wie an den Beinen schichtenweise auftragen. Funktionsunterwäsche wie beim Skifahren ist superpraktisch, dann folgen Kombinationen von Langarmtrikots, Merinowolle, Wintertrikots, Softshelljacken und robuster Außenhülle. Tipp: Nicht zu viel anziehen! Selbst bei -10 Grad kann man extrem schwitzen – und sich dann wunderbar verkühlen. Stück für Stück herantasten, im Rucksack kann man trockenes Gewand mitnehmen. Für den Hals eignen sich Tücher und Buffs. Beim Helm schlauerweise nicht zu jenem Sommer-Modell greifen, das gerade den neuen Rekord an Belüftungsöffnungen aufgestellt hat. Für darunter wieder Tücher, Buffs oder Helmhauben. Extrem wichtig: gute Handschuhe. Mit dem Langfinger-Modell aus dem Herbst kommst du (ähnlich wie bei den Schuhen) bis etwa 5 Grad. Darunter folgt garantiert das große Bibbern, wen du nicht in warme Handschuhe mit Windstopper und Softshell investierst. Bei dicken Modellen prüfen, ob man genug Gefühl für Schalt- und Bremshebel hat. Generell gilt beim Anziehen: Ein paar Minuten extra einplanen, es dauert, bis der Zwiebellook perfekt ist.

Deine Fahrtechnik wird enorm profitieren. Im Frühjahr fährst du eine Klasse besser.

Schlüssel 3: dein Bike
Jedes Bike und jedes E-Bike ist winterfest. Worauf man achten muss? Durch die Kälte zieht sich die Luft zusammen, was direkte Auswirkungen auf den Druck in den Reifen und in den Federelementen der Federgabeln und Hinterbaudämpfer hat. Also nachpumpen, falls der Druck abgefallen ist. Zweiter Kälteeffekt: In Federgabel und Hinterbaudämper fließt dünnflüssiges Öl. Das wird bei Minusgraden deutlich zähflüssiger und langsamer und kann zu einer viel schlechteren Performance führen. Tüftler greifen zu speziellen Dämpferölen, in der Praxis reicht es aber oft aus, bei den Dämpfereinstellungen (Rebound, Compression) ein bis drei Clicks in Richtung schnellerer und offenerer Set-ups zu drehen. Ansonsten wird das Mountainbike wie immer funktionieren. Einzig die Schaltperformance leidet im Winter, Seilzüge bzw. Schaltwerk können im Extremfall sogar einfrieren. Oft gefragt: Moderne, weiche MTB-Reifen mit griffigem Profil funktionieren im Schnee ausgezeichnet. Wer oft auf eisigen Trails und Abschnitten unterwegs ist, greift zu speziellen, leider sehr teuren Spikereifen. Wintertipp: ein Fatbike ausprobieren. Die superbreiten Wobbelreifen machen riesig Spaß.

Schlüssel 4: deine Streckenwahl
So lange es noch Plusgrade hat, ist es nicht dramatisch. Wurzeln und Steine sind im Winter zwar deutlich rutschiger, aber man muss kaum Abstriche machen. Erst Schnee und Eis verlangen nach etwas mehr Augenmerk, was Routen und Streckenwahl betrifft. Auf festgepresstem Schnee kommt man erstaunlich weit nach oben (nach unten sowieso), bei tieferem Schnee und Matsch verliert man bergauf irgendwann die Traktion. Bergab kann man bis etwa 10, 15 Zentimeter Tiefschnee herrlich biken. Darüber wird es mühsam. Deine Fahrtechnik wird übrigens enorm profitieren: Im Frühjahr fährst du garantiert eine Klasse besser.

Schlüssel 5: deine Gewohnheiten
Du wirst im Winter andere Strecken fahren. Du wirst mit anderen Leuten fahren. Du wirst mit anderem Outfit fahren. Du wirst bis zum Knöchel im Gatsch versinken. Du wirst im Schnee wedeln. Und du wirst noch etwas ganz Neues erleben: Nachdem es nur zwischen 7 Uhr morgens und 16 Uhr ausreichend hell ist, wirst du deinen ersten abendlichen Niteride machen. Das heißt: Lampe aufs Bike, Lampe auf den Helm, hinten ein rotes Funzerl auf die Sattelstütze und los geht es. Fahre auf Straßen und Trails, die du gut kennst (und die legal sind). Es ist erstaunlich, wie schnell Strecken vor deiner Haustür zum Abenteuer werden, wenn du sie nur im LED-Feuerwerk deiner Lampen siehst. Rundherum bleibt alles finster, Orientierung wird zur Challenge. Kombiniert mit einer Prise Neuschnee wird es dich packen. Und vielleicht wirst du traurig sein, wenn im März dein erster Bike-Winter wieder vorbei ist.