Die Tage werden wieder kürzer, die Natur wird stimmungsvoller, mit Blicken aufs Nebelmeer und sich verfärbenden Lärchenwäldern. Zeit zum Aufbruch in die wanderbarste Jahreszeit.

Christof Domenig
Christof Domenig


Wenn das Gefühl draußen auf Herbst umschaltet, die Vegetation sich ändert und das Verfärben der Landschaft einsetzt: Dann beginnt der Wanderherbst.“ So beschreibt Ulrich Andres, Geschäftsführer von Österreichs Wanderdörfern und erfahrener Outdoorsportler, die zum Wandern so beliebte Jahreszeit. „Das beginnt auch schon im August, mit ersten Morgenstimmungen, die in die Richtung gehen, mit Nebel unten und klarer Sicht oben. Vermehrt tritt es im September ein“, ergänzt Andres. Wobei: Wandern ist ja mittlerweile ein Ganzjahressport geworden, auch im Winter sind viele mit Berg- oder Schneeschuhen unterwegs. Aber der Herbst, der gilt ganz einfach als die Wanderzeit im Jahr. Und das zu Recht: „Ich habe da draußen die Lärchenwälder, die sich anders färben. Etwas später sind dann auch schon die Vorboten des Schnees zu spüren. Schnee verändert eine Landschaft komplett, die Mächtigkeit der Berge ist dann viel präsenter.“

Die Bergseen erlebt man im Herbst ebenfalls irgendwie anders, geprägt von Stille. „Du sitzt an einem Bergsee und bist im absoluten Kristallisationspunkt der Ruhe. Das ist auch so ein goldener Moment, den ich als Wanderer im Herbst immer wieder abhole“, erzählt Andres.
Dass der Herbst sich zum Wandern so gut eignet, liegt andererseits auch ganz einfach am Wetter. „Es hat sich stabilisiert, es gibt keine Gewitter mehr. Das große Sicherheitsbedürfnis, das viele haben, ist dann perfekt erfüllt.“ Aber es ist insgesamt eben doch das besondere Gefühl, das viele in den Monaten ab September in die Berge und die Natur treibt. Andres: „Wir sagen bei den Wanderdörfern ‚Magie des Gehens‘ dazu: In dieser Herbstlandschaft unterwegs zu sein, wo die Temperatur nicht zu heiß und nicht zu kalt ist, wo du die Ruhe hast und insgesamt alles stiller wird: Das führt automatisch zu einer Art inneren Einkehr. Du kannst dieses Wandererlebnis unheimlich gut abholen.“
 

10 Herbsttouren
...quer durchs Land. Die Kriterien: besonderes Landschaftserlebnis, auf der Sonnenseite, Einkehrmöglichkeit mit regionaler Kulinarik und über der Nebelgrenze. Ausgewählt von "Österreichs Wanderdörfern."

Covid-19 hat generell dem Erlebnis Outdoor und da speziell dem Wandern noch einmal einen Schub gegeben. 2020 war auch die Herbstwetterlage besonders stabil, in Verbindung mit den Lockdown-Einschränkungen haben viele Menschen den Ausgleich in der Natur gesucht. „Viele haben gesehen, dass man im Oktober, November noch unheimlich gut wandern kann“, sagt Andres. Der selbst die stabilen, „magischen Tage“ schätzt, mit Sonne und einer klaren Fernsicht. Andererseits könne aber auch ein Regentag seinen Reiz haben. In Skandinavien seien die Outdoorsportler viel aufgeschlossener und auch bei Regen unterwegs. „Die Ausrüstung ist ja sehr gut, es gibt keinen Grund, wegen Regens aufs Draußensein zu verzichten. ich selbst verwende am liebsten einen Poncho, der ist perfekt belüftet. Und wenn es regnet, dann ist es nur selten so, dass es die ganze Zeit durchregnet: Meist ist es ein Wechselspiel zwischen Regen und Wolken, und dann bricht wieder die Sonne durch. Diese Stimmungen haben noch einmal ihren ganz eigenen Reiz.“

Ulrich Andres verweist auch darauf, dass die Nebensaisonen, und da vor allem der Herbst, in den touristischen Regionen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das heißt für alle, die keine schulpflichtigen Kinder haben, dass man der Hochsaison ausweichen kann. Es ist viel weniger los auf den Wanderwegen, die Wanderbusse fahren trotzdem und viele Hütten haben bis weit in den Herbst hinein geöffnet. Zumindest länger noch als vor einigen Jahren. Manche Regionen feiern auch speziell den Wanderherbst, etwa in Verbindung mit Kulinarik-Schwerpunkten. Was den Südtirolern ihr Törggelen ist, wird in immer mehr Regionen beliebt.
Auch Weit- und Mehrtageswanderungen sind im Herbst sehr gut möglich. Wobei man aufpassen muss, weil manche Hütten Ende September zusperren. Am einfachsten ist es hier, auf ein fertig geplantes Package zurückzugreifen, wie es in vielen Regionen und auf jungen Weitwanderwegen (wie dem „Alpe-Adria-Trail“, von dem das Titelbild stammt) angeboten wird. Da muss man nur noch gehen, die Planung wird einem komplett abgenommen, sogar das schwere Gepäck wird auf Wunsch von Unterkunft zu Unterkunft transportiert.

Stichwort Planung: Wie im ganzen Jahr gilt es natürlich auch im Herbst trotzdem, Touren gut zu planen. Durch Nebel beeinträchtigte Sicht, rutschige Untergründe oder die kürzer werdenden Tage sind etwa jahreszeitspezifisch zu beachten. In höheren Lagen kann über Nacht auch einmal Schnee fallen. „Die Vorbereitung ist das A und O jeder Tour. Dazu gehört zunächst, sich ein genaues Bild von der Wetterlage zu machen.“ Der Wanderdörfer-Geschäftsführer rät aber speziell weniger erfahrenen Wanderern auch, sich einen GPS-Track der Tour aufs Handy zu laden. „Damit weiß ich: Bin ich am richtigen Weg oder wie weit bin ich weg davon.“ Andres’ Tipp: Hüttenwirte kennen die Lage vor Ort am besten, ein kurzer Anruf vor einer geplanten Tour schafft Gewissheit über die Bedingungen.  
Auf der Suche nach seiner Tour hat man freie Auswahl. Das Schöne am Wandern ist ja auch die Vielfalt: Man kann hochalpin unterwegs sein, aber genauso in Tallagen wunderschöne Wege entdecken. Noch etwas, das für den Wanderherbst spricht. Tourenportale, Tourismusregionen und auch Österreichs Wanderdörfer haben Herbsttouren gelistet. Das Wanderdörfer-Team hat für unsere Leser zusätzlich zehn seiner Herbstwander-Favoriten aus unterschiedlichen österreichischen Regionen ausgesucht, die wir hier links vorstellen.

Ulrich Andres
Ulrich Andres

ist Geschäftsführer von Österreichs Wanderdörfern, eine Vereinigung von 45 Destinationen in Österreich als ideale Startpunkte zum Wandern.
Web: www.wanderdoerfer.at