Im Herbst wird die Basis gelegt, um nächstes Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit verletzungsfrei zu bleiben. Wie das gemacht wird und warum dabei Pausen so wichtig sind, lest ihr in Teil 5 unserer „SPORT­aktiv-Doc“-Serie. 

Christof Domenig
Christof Domenig

Eine „Off-Season“, die Ruhepause mit anschließendem Neuaufbau der nächsten Saison: Die gibt es für immer weniger Freizeitsportler. „Viele sehen sich nicht mehr als klassische Läufer, Biker oder Triathleten, sondern als multisportiv. Auch Bewerbe gibt es rund ums Jahr“, hält Sportmediziner Robert Fritz eingangs fest. Aktuell kommt die spezielle Situation nach der coronabedingten Wettbewerbs-Auszeit dazu. Alles Aufgeschobene ist wieder möglich, die Lust am Wettkampf ist groß. Als unliebsamer Nebeneffekt könnten Pausen zu kurz kommen. Und weniger Erholungszeit heißt: ein höheres Verletzungsrisiko.

Zeiten ändern sich aber auch in dem Sinn, dass viele Freizeitsportler dem Credo „Prävention statt Reparatur“ bereits folgen. Regelmäßig zur Massage oder zum „Physio“ zu gehen, sei absolut schlau, auch wenn im Moment gar nichts wehtut. „Zu schauen, ob sich vielleicht ein Problem entwickelt; Dysbalancen – also Ungleichgewichten der Muskulatur –, Verhärtungen oder Verspannungen auf die Spur zu kommen: Das ist von großem Wert.“ Dass man das zumeist bevorzugte Ausdauertraining mit Kräftigungs- und Beweglichkeitskomponenten anreichern soll – das sei heute ebenfalls meist bekannt. In der Theorie zumindest. In der Praxis mangle es aber doch oft an der Zeit – oder besser ausgedrückt: an entsprechender zeitlicher Prioritätensetzung, so die „Diagnose“ des SPORTaktiv-­Docs zur Freizeitsport-Szene.

Faktoren Kraft und Beweglichkeit
Das gewohnte Training zurückschrauben, stattdessen Dysbalancen, Kraft- und Beweglichkeitsdefizite aufspüren und dagegen arbeiten: Dafür ist jetzt im Herbst der perfekte Zeitpunkt. Neben zu wenig Regenerationszeit sind es nämlich oft Schwächen in den Bereichen Kraft und Beweglichkeit, die Verletzungen hervorrufen. Von Natur aus nimmt die Muskelkraft ab Ende 20, Anfang 30 ab, erklärt Fritz, ungefähr 1 Prozent pro Jahr. Erst kaum merkbar, summiert sich das bis Mitte 40 schon ordentlich. Beweglichkeit sowie Koordinationsfähigkeit gingen später, aber ab etwa 50 Jahren dann rapide verloren. Beides sind Erklärungen dafür, warum mit zunehmendem Alter die Verletzungsanfälligkeit größer wird.

All dem kann man aber gut entgegensteuern – mit relativ kleinem Zeitaufwand, betont der Sportmediziner. Am Beispiel Krafttraining: In einer rund zweimonatigen Aufbauphase mit zwei bis drei Einheiten pro Woche lässt sich nämlich viel erreichen. Im Anschluss kann der Status quo mit nur einer wöchentlichen Trainingseinheit eine Saison lang recht gut erhalten werden. Wer im Oktober seinen Kraftblock startet, kann sich also im Dezember wieder schwerpunktmäßig der Ausdauer widmen.

„Das Schöne am Krafttraining ist auch, dass man als Einsteiger schon nach zwei Einheiten Erfolge merkt. Nicht, weil der Muskel schon wächst – aber aufgrund der intramuskulären Koordination. Und ein sinnvolles Krafttraining ist nach 30 bis 40 Minuten erledigt“, macht Fritz Mut zum Gewichte-Bewegen – und nimmt gleich Zeitausreden den Wind aus den Segeln. 

Wie aber kommt man den eigenen Dysbalancen und Schwächen auf die Spur? Am besten mit einem Physiotherapeuten oder Sportwissenschafter. Neben der klassischen Leistungsdiagnostik (der Ausdauerleistungsfähigkeit) werden vielerorts genauso Kraft- und Muskelfunktionsdiagnostiken angeboten. Das passende, individuell abgestimmte Programm bekommt man vom Physio oder „Spowi“ seines Vertrauens dann gleich dazu. 

Wer jedoch lieber selbstständig zur „Reparatur“ schreitet: Ein Krafttrainings-Schwerpunkt, der die großen Muskelgruppen des Oberkörpers, der Gesäß- und Beinmuskulatur sowie der Körpermitte fokussiert, ist für Ausdauersportler ideal. Gewicht so wählen, dass 10 bis 15 Wiederholungen möglich sind, drei Sätze pro Übung. Und nicht vergessen, immer die jeweiligen Gegenspieler mitzutrainieren.

Weitere Maßnahmen
Generell ist ein abwechslungsreicher Trainingsplan im Sinne der Verletzungsvorbeugung von großem Wert. „Dem Büromenschen mit Lieblingssport Radfahren muss bewusst sein, dass er nicht viel anderes macht als sitzen – selbst wenn er 15 Stunden pro Woche am Rad sitzt.“ Es gilt also, sportartspezifisch mittels Üben der vernachlässigten Körperpartien einen muskulären Ausgleich zu schaffen. Um vielseitige Reize zu schaffen, können und sollen freilich auch alternative Sportarten auf den Trainingsplan, gerade jetzt, wo die nächste Saison noch weit weg ist: Als Radfahrer mal laufen, als Läufer mal schwimmen, sich im Fitnessstudio auf den Ergometer setzen oder den Crosstrainer stellen. Skitouren und Langlaufen, auch alpines Skifahren – alles wertvoll. 

Dem Büromenschen mit Lieblingssport Radfahren muss bewusst sein, dass er nicht viel anderes macht als sitzen.

Dr. Robert Fritz

Wird man älter, werden die nötigen Regenerationspausen ebenfalls länger. Die Gruppe, die am öftesten mit Verletzungen zu kämpfen hat, sind nach Fritz’ Erfahrung die Mittvierziger. „Man steht voll im Berufsleben, voll im Familienleben und will im Sport noch die Performance wie früher bringen. Da wird dann die Trainingszeit vom Schlaf, von der Regenerationszeit abgezwickt – aber das geht halt nicht“, weiß der Sportmediziner. Man müsse auch die eigenen zeitlichen Kapazitäten anerkennen und die Zielsetzung anpassen – „mit 60-Stunden-Job und kleinen Kindern geht sich kein Ironman mehr vernünftig aus.“

Wird es draußen kühler, beugt auch das Aufwärmen Verletzungen vor. Weniger bei lockeren Ausdauer­einheiten, da genügt es langsam einzulaufen – aber bei Intervalltrainings, Lauftechniktrainings oder gar Wettkampfteilnahmen sollte im Anschluss an eine zehnminütige Einlaufphase auch der Bewegungsapparat spezifisch vorbereitet werden. Das funktioniert mit dynamischem Stretchen, Schwunggymnastik, Steigerungsläufen. Nicht mit statischem Dehnen, wie man es von  Hobbyathleten oft sieht.

Und wenn es doch schon wo wehtut? „Schmerz heißt immer, dass etwas nicht stimmt“, sagt Robert Fritz, doch es gelte zu differenzieren: „Ein leichtes Zwicken, das während der Bewegung schwächer wird und verschwindet, sollte zwar schon beachtet werden, braucht aber keine Akut-Maßnahme. Werden Schmerzen dagegen während der Sportausübung stärker, und kommen sie vor allem immer wieder, nicht weitertrainieren. Dann ist eine medizinische Abklärung nötig.“ Ein No-Go: Über den Schmerz „drübertrainieren“, vielleicht sogar mit Schmerzmitteln nachhelfen. Wer solcherart das Alarmsignal des Körpers ignoriert, riskiert dann eine größere Verletzung mit deutlich längerer Zwangspause.

Dr. Robert Fritz
Dr. Robert Fritz

Der Sport- und Ernährungsmediziner ist einer der Gründer und medizinischer Leiter einer Unit der „Sportordination“ in Wien und einer der bekanntesten Sportärzte in Österreich. Als „SPORTaktiv-Doc“ beleuchtet er kompetent in jeder Ausgabe ein Sport- oder Ernährungsthema.


Web: www.sportordination.com