Singletrails für Mountainbiker sprießen derzeit allerorts wie die Eierschwammerl im August. Doch kann jeder, der ein Mountainbike besitzt (oder sich eines ausborgt), einfach einen solchen Trail runterfahren? Wenn ja, wofür gibt es dann Singletrailkurse? Gute Fragen für einen Selbstversuch.

Von Christof Domenig


Der Trend heißt „Singletrail". Wer touristische Bikeregionen beobachtet, kommt zu dem Schluss, dass es ohne Angebot an schmalen Naturwegen heute nicht mehr geht. In dieselbe Richtung entwickelt sich der Bikemarkt – „All Mountain" und „Enduro" sind genau für die Bedürfnisse maßgeschneidert. Fragt sich nur, ob die fahrtechnischen Fähigkeiten der Biker eigentlich auch mit diesen verlockenden Angeboten Schritt halten können. Wolfgang Krainer, mit seiner Sportschule in Feld am See Mitveranstalter unserer „Bike Flow Camps" in den Kärntner Nockbergen, ist da skeptisch: „Bei unserem ,Bike Four Peaks' im Juni haben sich wahre Dramen abgespielt. Die Marathonbiker sind auf den Trails regelrecht verzweifelt. Und zwar nicht nur im hinteren Teil des Feldes, auch die Elite. Bei bloß mittelschweren Passagen wurde reihenweise abgestiegen."

Dieses Dilemma, meint Wolfgang, der seit 25 Jahren die treibende Bikekraft in der Nockberge-Region ist, sei auf die Masse der Mountainbiker 1:1 umlegbar. „Der typische heimische Biker war immer der ‚Konditionstyp'. Bergauf in seinem Element, und bergab wurde, auch mangels anderer Routen, einfach auf Schotterstraßen runtergerollt. Fakt ist: Auf den Singletrails, wie sie nun immer mehr in Mode kommen, sind sogar erfahrene Biker vielfach überfordert. Denn Singletrailfahren ist im Prinzip eine eigene Sportart!" Andererseits müsse man nur ein
paar Tricks und Kniffe kennen – „nach einem Tag Trailkurs in der Bikeschule kommt jeder mittelmäßig Begabte über einfache bis mittelschwere Singletrails nicht nur sicher herunter, sondern hat auch Spaß dabei", verspricht der Kärntner.

DREI WICHTIGE GRUNDREGELN
Ob das stimmt? Für mich als nicht übermäßig geländeerprobten Biker ergab sich aus diesem „Versprechen" geradezu die Verpflichtung, mich für einen Tag unter Wolfgangs Fittiche zu begeben: Die theoretische Einführung, begleitet von einigen Übungen auf dem Fahrtechnikparcours der Bikeschule Krainer, ist schnell erledigt. Drei einfache Grundregeln sind es, die man wissen muss – die aber sehr oft falsch gemacht würden: Den Sattel runterstellen, sonst ist er unweigerlich im Weg. Die Pedale müssen für größtmögliche Bodenfreiheit am Trail immer parallel stehen. Und beim Anhalten wird nach hinten sowie zur Bergseite hin abgestiegen. Das ist zwar nur im Steilen wirklich relevant, doch tut man gut daran, diese Bewegung für Notfälle zu verinnerlichen – weil sich Überschläge nach vorn damit vermeiden lassen.

KONDITION UND KONZENTRATION
Singletrail, wir kommen! Dass wir zunächst 600 Höhenmeter mit dem Auto hochfahren (alternativ bietet sich die Gondelbahn an), hat weder mit dem etwas höheren Gewicht unserer All-Mountain-Bikes noch mit meiner (nicht zu verleugnenden) Konditionsschwäche zu tun. „Singletrailfahren erfordert Kraft und Konzentration. Gerade zum Lernen soll man aber frisch und kräftig sein", erklärt Wolfgang. Beim Rauffahren lasse ich mir noch die international übliche Singletrail-Klassifizierung erklären – von „S0" (leicht und flüssig) bis „S5" (das „S" kann da auch als „sauschwer" gedeutet werden). Die Nockbike-Region hier setzt allerdings auf eine dreistufige Bewertungsskala wie beim Skifahren – blau, rot und schwarz. „Unser schwerster, der ‚Alte Almtrail', ist schwarz, nach der internationalen Skala aber vielleicht nur S3", meint Wolfgang. Dabei ist das der Trail, der beim „Bike Four Peaks" für Verzweiflungsanfälle en masse gesorgt hat.

Wir starten irgendwo zwischen „S0" und „S1". Für mich sind da schon durchaus ein paar subjektive „Steilhänge" dabei. Die Trails in den Nockbergen sind übrigens reine Naturtrails. Während anderswo künstlich angelegte, geschotterte Singletrails „nur zum Schnellfahren verleiten" (kritisiert Wolfgang), geht es hier zwischen kleineren Felsbrocken, einzelnen Stufen mit geschätzten 20 bis 30 cm Höhe und gelegentlichen Wurzelpassagen darum, im gemäßigten Tempo einen Rhythmus zu finden. Eben den Flow. Die Unebenheiten sind mit Körperbewegungen auszugleichen, auch wenn die 140 mm Federweg meines Bikes großartig unaufgeregt vor sich hin werkeln. Bei engeren, steileren Passagen kommt ein gewisses verspieltes Element dazu – „Trickseln", nennt das Wolfgang.

Kritik hör ich vom Bikelehrer zunächst eigentlich nur an zweierlei: Im Schulter- und Armbereich bin ich anfangs zu steif, der Lenker soll locker gehalten werden, „das Bike muss sich seine Spur selbst suchen können". Ja, und das Feingefühl beim Bremsen fehlt mir noch. Mit der zunehmenden Sicherheit wird beides bald besser. Am „Bachtrail", irgendwo zwischen „S1" und „S2" anzusiedeln, lässt Wolfgang dann mir den Vortritt und wir „rodeln" erstmals ein paar Minuten ohne Stopp und Erklärpausen talwärts. Geht gut, macht Spaß. Man merkt aber auch, dass Singletrailfahren wirklich in die Arme und Beine geht und Unkonzentriertheiten besser vermieden werden sollen. Auch wenn die Federwege moderner Bikes viel verzeihen.

DIE GRENZERFAHRUNG
An meinem ersten Singletrailtag stoße ich dann aber doch auch an meine fahrtechnischen Grenzen. Besser gesagt: Wolfgang führt mich dorthin. In einer nach nächtlichem Gewitterregen schlammigen, steileren Passage blockiert plötzlich mein Vorderrad und rutscht seitlich weg. Mir bleibt nur der (zum Glück auf den Füßen gelandete) Absprung nach vorn. Eh klar: Nach hinten abzusteigen wäre richtig gewesen. Die zu vorderradlastige Körperposition tat das Ihre dazu – daher kam wahrscheinlich auch der „Blockierer". Richtig gemein ist aber eine andere Übungspassage: Ein steiler Trail, der durch eine rund einen Meter breite und einen halben Meter tiefe Senke in die Forststraße einmündet. Um durch diese Senke ohne Köpfler durchzukommen, ist neben der richtigen Linienwahl auch das Hochziehen des Lenkers zum richtigen Zeitpunkt gefragt.

Leichter gesagt als getan, wenn man schon mit Steilheit und Körperposition kämpft. Beim ersten Versuch komm ich irgendwie mit bös' malträtierter Federgabel durch; beim zweiten, schon ermüdet und verunsichert, konzentriere ich mich so sehr auf die Sache mit dem Lenker, dass ich mich schon vorher im Steilen „niederlege". Was soll's, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Wolfgang klassifiziert die Passage, an der ich gescheitert bin, mit ungefähr „S2 bis S3". Fahrtechnisch ist also schon noch Luft nach oben – aber es war auch kein so schlechter Start als Singletrailer ...


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