Dünne Luft bringt dicke Erfolge. Oder anders gesagt: Du läufst im Urlaub in Bergregionen – und erklimmst zugleich die eigenen Leistungsspitzen. SPORTaktiv erklärt, warum Höhentraining funktioniert – und wie vor allem Hobbyläufer mit dieser Sauerstoffkur umgehen müssen.


Wer sportlich hoch hinaus will, muss trainingsmäßig hoch hinauf. Denn mit jedem Meter, mit dem auch Hobbyläufer dem Himmel näher kommen, steigt der Trainingseffekt. Weil da aber ziemliche Unwissenheit herrscht im Läufervolk, wollen wir gemeinsam mit einem Experten dieses Phänomen untersuchen.

Das Training in ausgesprochenen Höhenlagen ist im Spitzensport heute ja längst zur Routine geworden: Spätestens, seit man beobachtet hatte, dass Eliteläufer aus den Hochländern Kenias und Äthiopiens auch in flachen Gefilden zu besonderer Höchstform aufliefen, wollte und will auch der Rest der (Lauf-)Welt hoch hinaus.

BENEFIT DER BERGE
Logischerweise sind es nicht die malerischen Almen und die traumhaften Bergkulissen, die Laufsportler zu Gipfelstürmern machen, es sind vielmehr die veränderten klimatischen Bedingungen, die die Berge zum beliebten Trainingsterrain werden lassen. Ganz einfach und verständlich ausgedrückt: Je höher man kommt, desto mehr Faktoren verändern sich:

  • Der Luftdruck nimmt zu – und reduziert dadurch den absoluten Sauerstoffgehalt in der Luft.
  • Die Sauerstoffsättigung der Luft nimmt ab – der Bedarf des Körpers an Sauerstoff bleibt aber derselbe.

„Genau diese Kombinationen führen zur trainingstechnisch gewünschten Reaktion des Körpers“, erklärt der Innsbrucker Höhenmediziner Dr. Christian Pegger, „die Atemtätigkeit nimmt zu und der Organismus kompensiert die mangelnde Sauerstoffversorgung, indem er vermehrt rote Blutkörperchen produziert. Dadurch wird wiederum die Kapazität der Sauerstoffaufnahmegesteigert. Oder anders gesagt: Es kommt vermehrt Sauerstoff an die Stellen, an denen er benötigt wird – nämlich in die Muskeln.“ Und diese reagieren mit einem sprichwörtlichen Höhenrausch!

Die Leistungssteigerung soll teilweise derart intensiv sein, dass Kenner beim Höhentraining sogar von „legalem Blutdoping“ reden. Dass gerade in der Höhe die schnellsten Zeiten gelaufen werden, hat noch eine Ursache: Neben dem verminderten Sauerstoffanteil nimmt auch die Luftdichte, also ihr Widerstand, ab – wodurch wiederum Läufer, Biker und Co. klarerweise deutlich weniger in ihrem Vorwärtsstreben gebremst werden.

HOHE BERGE WERFEN SCHATTEN
Bei aller Wertschätzung, das Höhentraining hat auch seine Schattenseiten. Häufig kritisiert am Training in dünner Luft wird die Tatsache, dass durch die vermehrte Hämolglobinproduktion das Blut zähflüssiger werden kann. Das heißt: „Die Fließeigenschaften des Blutes verschlechtern sich, die Herzarbeit wird zwangsläufig erhöht und es könnte“, warnt der Mediziner, „im Extremfall sogar zu Verstopfungen der Blutgefäße kommen.“

Und noch ein Doppeleffekt ist zu beachten: Durch den verminderten Sauerstoff ist der Körper einerseits schneller erschöpft – gleichzeitig aber arbeiten die Muskeln durch die vermehrten Hämoglobine eindeutig effektiver. Das erklärt auch, warum beim Höhentraining in kürzeren Trainingseinheiten bei gleicher Intensität zumindest die gleiche Effektivität erzielt werden kann wie bei langen Einheiten im Tal.

In der Plus-Minus-Kartei wirkt sich das so aus: Als positiver Effekt darf notiert werden, dass zum Beispiel durch diese kürzeren Trainingseinheiten automatisch die Gelenke weniger strapaziert werden (darum ist die Höhenlage auch für gewichtigere Läufer, die abspecken wollen, absolut von Vorteil).

Die Kehrseite der Medaille kennt unser Experte aber auch: „Die gesteigerte Intensität des Höhentrainings birgt natürlich auch das Risiko einer Überlastung. Zudem steigt mit der Trainingsintensität auch die Laktatproduktion: Die Muskeln übersäuern leichter und ihre Regenerationszeit verlängert sich.“ Auch nicht zu vergessen: Der Wasserbedarf erhöht sich wegen der Lufttrockenheit und der erhöhten Atemventilation. „Der Atem muss stärker befeuchtet werden, damit die Schleimhäute nicht austrocknen. Insgesamt braucht der Körper daher in den Bergenmehr Wasser.“


DAS RICHTIGE HÖHEN-KNOW-HOW
So hat eben auch das Training in der Höhe seine Tiefen – die man allerdings umgehen kann, wenn man sich bei dieser Sauerstoffkur an ein paar wichtige Grundregeln hält. Und die greifen schon im Vorfeld. Dr. Pegger: „Regelmäßige sportmedizinische Checks machen für Hobbysportler ja grundsätzlich Sinn. Aber wer hoch hinaus will, sollte vorher unbedingt seinen Trainingszustand ermitteln lassen. Sportmediziner finden diesen durch Laktatmessungen rasch heraus und können auf diese Weise Empfehlungen geben, welche Seehöhe für das individuelle Training wirklich ideal ist.“

Denn die gewählte Höhe des Laufreviers hängt maßgeblich vom Trainingsniveau des Sportlers ab: Für nicht so gut trainierte Läufer genügen zum Einstieg 1.000 bis 1.500 Meter Seehöhe, um sich nicht zu sehr zu verausgaben. Besser Trainierte halten problemlos ein Lauftraining in bis zu 3.000 m Höhe durch. In noch größeren Höhen aber steigen einerseits die Anpassungsschwierigkeiten und zugleich wird die Trainingsintensität immer geringer.

Apropos Anpassen: Am sinnvollsten ist es, wenn man sich für ein Höhentrainingscamp mehrere Wochen Zeit nehmen und das Training allmählich steigern kann. Zumindest drei Phasen soll der Zeitplan beinhalten:

PHASE 1
Vorbereiten und akklimatisieren. Zumindest eine Woche sollte sich der Körper an den niedrigen Luftdruck gewöhnen können. Gehen und langsames Laufen stehen in dieser Zeit auf dem Programm.

PHASE 2
Trainieren und Leistung steigern. Ab der 2. Woche wird dannnach dem erstellten Trainingsplan gearbeitet. „Aber auch hier gilt, bei allem Ehrgeiz: Die vom Tal her gewohnte Trainingsintensität muss auf der Höhe in jedem Fall um gut zehn Prozent reduziert werden, da die Belastung für den Körper sonst zu hoch wird.“ Und auch die notwendigen Regenerationspausen müssen auf dem Berg erst recht eingehalten werden.

PHASE 3
Reakklimatisieren. Nach dem Ende des Höhentrainings braucht es unten im Tal drei Tage, damit sich dein Körper wieder reakklimatisieren kann. Das bedeutet: Egal, wie top du dich nach der Sauerstoffkur auch fühlst – brems dich nach der Rückkehr drei Tage lang auf ein gemütliches Lauftempo ein, um deinen Body umzustellen. Und keine Sorge: Das Laufjahr ist noch lang genug, damit du zeigen kannst, wie viel Kraft du dort oben getankt hast.

"GEFAKTE" BERGE
Und wer keinen Bock auf Berge hat: Ein effektives Höhentraining funktioniert sogar ohne auch echte Höhenlage! „Um die erwünschten Effekte des Höhentrainings auch im Flachland erreichen zu können, wird die natürliche Höhe durch künstlich hergestellte Hypoxie ersetzt“, erklärt Höhenprofi Pegger den Nutzen von sogenannten Unterdruckkabinen, die manche Sportmediziner anbieten. „Damit können verschiedene Höhenlagen schrittweise und stufenlos und ganz unabhängig von irgendwelchen Witterungsbedingungen simuliert werden. Zudem hat man stets einen Mediziner an der Seite, sodass das Training kontrollierter und damit gegebenenfalls auch effizienter abläuft.“ Im Gegenzug muss man natürlich auf die atemberaubende alpine Aussicht verzichten. Aber die Aussicht auf noch mehr Trainingseffizienz ist für wahre Läufer ohnehin ein noch viel besserer Anreiz, oder?



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