Und plötzlich ist alles anders und ich bin zur Abwechslung mal weniger lustig und eher reflektiert. Ich habe lange überlegt, ob ich zu diesem allgegenwärtigen Thema nun auch meinen Senf dazugeben soll oder lieber nicht. Aber vielleicht findet sich der eine oder andere meiner Leserschaft hier wieder.

Nicole Weiss
Nicole Weiss / unicorn-racing.com


Ich war eigentlich gut unterwegs. Das Training für den Ironman Austria hatte sich gut eingependelt und vor allem beim Schwimmen hatte ich mich selbst an der Nase genommen und mich meist dreimal pro Woche ins Hallenbad bewegt. Ein Quantensprung in meiner Welt. Wenn es mal unlustiger wurde, so habe ich mich immer wieder mit den Gedanken an die Finishline motiviert. Plötzlich wurde dann aber das Thema „Corona-Virus“ auch in unseren Breiten real und als erste Hiobsbotschaft verlor ich in meinem Job aufgrund des vorzeitigen Aus in der Eishockeyliga zwei wichtige und langjährige Herzensprojekte. Dies war zunächst nicht einfach wegzustecken und in meinem Kopf kreisten Gedanken wie „Völlig übertriebene Maßnahmen!“ oder „Musste das jetzt sein?“. Diese plötzliche Leere fühlte sich für mich an, als würde ich beim Klettern den Halt verlieren und abstürzen.

Aber glücklicherweise blieb mir als Sicherungsseil der Triathlon als Konstante in meinem Leben. Jedoch begannen mich dann schon die ersten Leute zu fragen, ob denn der Ironman Austria und vor allem die 70.3 WM in Taupo angesichts der Lage überhaupt stattfinden würden. All diese Fragen nagten an mir wie ein Bieber an meinem Sicherungsseil. Ich bin an dieser Stelle vollkommen ehrlich und gebe zu, dass meine Denkweise in erster Instanz sehr egoistisch und auch unreflektiert war: Was soll der Shit? Zuerst der Job und dann auch noch Triathlon? Warum passiert genau mir das? Eh klar, jetzt findet bestimmt gar kein Rennen mehr statt. Alles sinnlos, jetzt kann ich doch gleich mit dem Training aufhören. Jetzt hätte ich durch den Verlust der Projekte endlich Zeit für Training, aber was soll ich mit der guten Form, wenn es keine Rennen geben wird? Wir kennen das doch alle, wenn wir grantig und enttäuscht sind. Man steigert sich mal so richtig in die Materie hinein und lässt sich temporär nichts sagen.

Doch dann habe ich die ersten Bilder aus Italien gesehen, mich mit Ärzten unterhalten und begann, all die Umstände und Fakten zu reflektieren. Plötzlich rückte der Triathlon immer weiter in den Hintergrund. Je mehr man sich mit dem Thema „Risikogruppen“ beschäftigt, desto mehr Menschen aus seinem Umfeld sind schlimmstenfalls betroffen. Dabei spielt für mich der medial propagierte Vergleich „Grippe vs. Corona“ keine Rolle mehr, denn für die Risikogruppen können beide Krankheiten fatal enden und bei einem parallelen Auftreten das Gesundheitssystem in die Knie zwingen. Oberste Priorität gilt also dem Schutz all jener Menschen, die nicht so fit und gesund sind wie man selbst und das ist meiner Meinung nach das einzige, was jetzt zählt, selbst wenn dies mit Einschränkungen einhergeht.

Trotz all den Geschehnissen ist man aber noch immer dem Triathlon verfallen, nicht nur, weil das Dasein als Triathlet ein Teil von einem ist, sondern auch, weil man gerade in Krisenzeiten an dem festhalten sollte, was einem Spaß macht und die Moral am Leben erhält. Was bedeutet dies nun aber alles für den gemeinen 08/15 Triathleten? Wie trainiert man, wenn nicht weiß, für welches konkrete Ziel, weil diese wackeln? Was macht man mit seinen Trainingsplänen und Periodisierungen? Tut man überhaupt noch was? Zählt man nun sein Klopapier? Es macht nun mal einen Unterschied, ob man sich im Training für einen Ironman befindet oder ob man gelegentlich nach Lust und Laune mit Ausdauertraining gegen den Fettaufbau kämpft. Die ersten Tage nach dem „Corona-Gate“ konnte ich mich ehrlich gesagt kaum zum Training aufraffen. Ich hatte einfach keine Lust, fühlte mich leer und sah keinen Sinn darin. Erst nach und nach mit der Rückkehr der geistigen Ausgeglichenheit kam auch der Wille und die Lust auf das Training wieder zurück.

Früher hätte ich mich bei einem Ausfall des Schwimmtrainings wie ein Honigkuchenpferdchen grinsend und entspannt zurückgelehnt. Doch habe ich in den letzten Monaten durch die Regelmäßigkeit und die Hilfe meiner überragenden Schwimmtrainerin Fortschritte gemacht (finally!) und ging wirklich gerne ins Wasser. Im Schwimmen werde ich, wenn die Normalität irgendwann wieder Einzug gehalten hat und die Hallenbäder wieder geöffnet sind, aber wohl wieder bei Null beginnen müssen. Das ist angesichts der bisherigen Investition sicher sehr schade. Der positive Effekt der geschlossenen Schwimmbäder ist die Reduktion an Stress, weil man sich nicht mehr ständig die Zehennägel lackieren muss. Statt in der Kraftkammer malträtiere ich mich im Garten mit Übungen zur Rumpfstabilität, die in den letzten Wochen ohnehin ein wenig hintenangestellt wurden. Die guten alten Liegestütze kann ich auch nur jedem ans Herz legen und für irgendwas werden sie dann bei der Rückkehr ins Wasser sicher auch gut gewesen sein. Laufen dürfen wir im Alleingang bekanntlich immer noch und da soll es schlimmeres geben, als die Laufeinheiten hinsichtlich Häufigkeit und Länge noch ein wenig nach oben zu schrauben.

Am letzten Wochenende hatte ich das Angebot, in der Gruppe eine Radausfahrt zu bestreiten, doch ich habe mich dagegen entschieden und fuhr nicht mit. Meiner Meinung nach sollten wir als Sportler vorbildlich handeln und uns nicht über Maßnahmen oder Empfehlungen hinwegsetzen. Aktuell fahre ich wieder auf der verhassten Rolle, mal auf der freien, mal auf der fixen noch immer Zwift-losen, mal im Wohnzimmer und mal im Garten. Wie es schon einige Athleten vor mir betonten, kann auf den Straßen einfach immer ein Unfall passieren und ich möchte nicht die Möchtegern-Triathlon-Tussi sein, die einem Patienten der Risikogruppe ein Intensivbett wegnimmt. Ich für meinen Teil gestalte mein aktuelles Training im Sinne des Formerhalts, denn wenn vielleicht doch noch ein Rennen in nächster Zukunft stattfindet, möchte ich halbwegs gewappnet sein. Außerdem leistet mein geordnetes Training einen wichtigen Beitrag zu meinem Seelenwohl, immerhin bleibt einem das gute Gefühl nach einem absolvierten Training nach wie vor erhalten.

Das Social Distancing, das genau genommen ja eher einem Physical Distancing entspricht, denn im Idealfall kommuniziert man ja noch über digitale Wege miteinander, hat bis jetzt noch recht wenig Auswirkungen auf mein Leben mit sich gebracht. Abgesehen von den nicht mehr stattfindenden Besuchen der Kraftkammer und des Hallenbades zeigt sich keine signifikante Veränderung in meinem Tagesablauf. Ich laufe allein in der Gegend herum, ich fahre allein im Wohnzimmer am Rad, während mich mein Hund irritiert beobachtet, und esse meine Post-Trainings-Mahlzeit allein und glücklich auf der Couch vor dem Fernseher. Ein klares Zeichen dafür, dass ich als Triathletin vorher schon völlig asozial war (oder einfach Single), mich jetzt für meinen Lifestyle aber nicht mehr entschuldigen muss.

Ironman hat in dieser Causa „COVID-19“ bereits ein Statement abgegeben. Man werde die Entwicklungen beobachten und im Notfall die Rennen je nach Möglichkeit entweder innerhalb des aktuellen Jahres oder auf das nächste Jahr verschieben. Die gemeldeten Athleten werden automatisch zum neuen Renndatum transferiert. Dies wirft für den normalen Age Grouper natürlich wieder weitere Fragen und Ungewissheit auf, denn ein Ironman ist eben nicht wie ein Urlaub auf Malle, den man eben mal verschiebt, weil die einzige Sorge die Wahl des passenden Bikinis ist. Kann ich das neue Renndatum und das monatelange Training bis dahin überhaupt wieder in meinen Alltag integrieren? Kann ich mir die erneute Anreise und Logistik angesichts der wirtschaftlichen Lage dann überhaupt noch leisten? Will ich mir wieder so trainingsintensive Wintermonate antun? Was passiert mit meinem WM-Slot und sollte er verfallen, schaff ich es überhaupt nochmal, mich zu qualifizieren?

Es handelt sich hier um Umstände und Entscheidungen, die nicht in unseren Händen liegen. Hier können wir uns wohl nur an die Regeln halten, abwarten und (Kamillen-)Tee trinken. Aktuell kann keiner von uns sagen, wohin die Reise geht, aber was mir hilft, ist das Wissen, dass wir Sportler hier alle im selben Boot sitzen. Es geht uns allen gleich, nur dürfen wir uns glücklich schätzen, noch so gesund und fit zu sein. Also lasst uns gemeinsam mit vereinten Kräften in diesem Boot dahinpaddeln… mit genügend Sicherheitsabstand versteht sich.

Nicole Weiss
Nicole Weiss / unicorn-racing.com

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