Johann Wünscher ist 66 und Triathlet. Vor 16 Jahren war sein Gewicht dreistellig, heute bewältigt er die dreifache Ironman-Distanz. Seine Ziel geht aber über das Körperliche hinaus. Er will vorzeigen, dass es nie zu spät ist. 

Klaus Molidor
Klaus Molidor

Die Voraussetzungen hätten schlechter nicht sein können. Ein Mann in seinen 50ern, 120 Kilogramm, Nichtschwimmer. Zwar viel auf Achse, aber halt eher im Nachtleben. Das alles war einmal. Heute ist Johann Wünscher Triathlet, Ironman-Finisher, Doppel-Ironman-Finisher und 24 Stunden-Radler. Und weil mit 66 Jahren das Leben ja bekanntlich erst anfängt, hat er im Sommer den Triple-Ironman in Bad Blumau auf dem Zettel. Darum kommt er am frühen Vormittag auch schon vom Schwimmtraining. „Eine Stunde Technik, weil ich das immer noch nicht g’scheit kann“, sagt der „Hans“, den die anderen Triathleten, die im Laufe des Tages hier zum Training eintrudeln, alle per Handschlag begrüßen. Einer wie er ist eben bekannt, weil die Ausnahme.

Denn, dass jemand mit 50 erst mit dem intensiven Ausdauersport beginnt, ist nicht die Regel. Schon gar nicht mit Triathlon. „Ich war ja bis ins Erwachsenenalter Nichtschwimmer, bis es mir meine Frau einmal ein bissl gezeigt hat. So, dass ich halt mit dem Kopf über Wasser bin“, erzählt er und lacht. Mittlerweile krault er schon, aber eben lange nicht perfekt.

Irgendwann vor 16 Jahren hat er gemerkt: So geht es nicht weiter. Nächtelang unterwegs, ordentliches Übergewicht. „Das war meine Midlife Crisis. Ich war komplett schräg drauf. Da hab ich mir dann gedacht: Jetzt muss sich was ändern.“ Immerhin hatte er da schon dem Rauchen abgeschworen und sich vom ersparten Geld ein Rennrad gekauft, das dann entstaubt wurde. Und so ist es dahingegangen. Erst kleine Runden, dann immer mehr, bis zu 12- und 24-Stunden-Rennen. Über Sohn Andreas, der selbst Triathlet ist, hat er in den für ihn neuen Sport hineingeschnuppert. „Irgendwie hat mich das dann schon interessiert, nur hab ich halt nicht schwimmen können.“ Ausschlaggebend war dann, dass ihm zwei Mal ein 24-Stunden-Rennen abgesagt wurde. „Dafür hab ich aber monatelang hintrainiert. So hab ich es dann einfach probiert.“

Botschafter der Krebshilfe
Die Basis war gelegt, Wünscher mit dem Sport infiziert. Auch, weil er dadurch Kilos verloren und Lebensqualität gewonnen hat. Schlüsselerlebnisse haben die Motivation noch beschleunigt. „Zum Beispiel hab ich auf meiner Hausrunde andere Läufer bergauf überholt. Trotz meines Gewichts.“ Der Grazer macht das alles aber nicht für sich alleine. Er will mit seinem Ex­tremsport auch Gutes tun, im doppelten Sinn. Zum einen zeigen, dass es nie zu spät ist, mit dem Sport zu beginnen. Zum anderen, Geld aufzutreiben, für Menschen, denen es nicht so gut geht. Zu seinem 60er ist er in einem Einkaufs­center 12 Stunden für den guten Zweck geradelt und hat damit einen Freund unterstützt, der im Rollstuhl sitzt. Mittlerweile ist er Bewegungsbotschafter der Krebshilfe. 

Die Kommentare, warum er sich das in seinem Alter antut, überhört er. „Oft sagen die Leute auch: Hans, du trainierst ja viel zu viel.“ Sieht ja auch so aus. Immerhin radelt, schwimmt und läuft der Hans 20 bis 24 Stunden pro Woche.  „Was sie aber übersehen: Ich regeneriere auch sehr viel. In der Pension geht das ja leicht. Nach einem harten Training leg ich mich halt zwei Stunden hin. Oder geh nach dem Fitnessstudio gemütlich in die Sauna.“

Seine Ziele sind aber nicht nur sportlicher Natur. Er will noch mehr Leute zum Sport bewegen, ihnen zeigen, dass immer noch was geht. Wünscher selbst hat im Vorjahr eine neue Hüfte bekommen – und sich wieder zurückgekämpft. Die Verletzungspause hat er zudem genützt, um sein Buch „Alter schützt vor Leistung nicht“ zu schreiben. Und er will auch Vorträge halten. „Meine Zielgruppe sind Leute, die kurz vor der Pensionierung stehen. Viele haben da erst Pläne, was sie nicht alles machen wollen. Aber dann bekommen sie eine ordentliche Abfertigung, kaufen sich ein dickes Auto, sitzen daheim und warten aufs Sterben. Hab ich alles gesehen.“ Es müsse ja keiner so extrem werden wie er. „Aber Leute, tut was.“ Sein Credo ist auch: auf den Körper hören. Trainingspläne schön und gut. „Das hilft schon. Gerade am Anfang, oder wenn man faul ist. Aber wenn der Körper nicht bereit ist für eine harte Einheit, soll man darauf hören und stattdessen weniger intensiv trainieren.“
  

Johann Wünscher



Mit 50 hatte ich meine Midlife Crisis, war extrem schräg drauf. Da hab ich mir gedacht: Jetzt muss sich was ändern.

Offene Rechnung
Wer rastet, rostet – körperlich wie geistig. Auf beides hat der Hans keine Lust. Der Sport hält seinen Körper in Schuss und den Geist beweglich. „Durch den Triathlonsport komme ich mit so vielen jungen, gescheiten Menschen in Kontakt, mit denen du gute Gespräche führen kannst. Das taugt mir unheimlich.“ Während die Jungen gerade ins Becken springen, hat er seine erste Einheit schon hinter sich. „Jetzt geh ich heim, rast ein bissl, dann geht es auf den Ergometer und auf eine kleine Laufrunde.“ Denn es ist nicht mehr lange hin, bis zum Triple-Ironman in Bad Blumau.
  

Das Buch
Buch „Alter schützt vor Leistung nicht“ von Johann Wünscher
2017 bekam Hans Wünscher eine neue Hüfte. Die Zeit nutzte er, um sein Buch „Alter schützt vor Leistung nicht“ zu schreiben, das Leute zum Sport motivieren soll.