Wie sich 28 Prozent Steigung anfühlen und wo die Rad-WM in Innsbruck möglicherweise entschieden wird. Begehung der Höttinger Höll‘ in Innsbruck.

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Wir stehen mittendrin und die beste Idee haben die slowakischen Kollegen. Sie lassen eine mit den WM-Logos gebrandete Rad-Trinkflasche die Straße hinunterrollen und filmen die rasante Fahrt. 20 Meter weiter unten kann man die Flasche nur noch mit Mühe stoppen.

Willkommen in der Hölle. So begrüßt Thomas Rohregger eine Handvoll Journalisten. Auch aus Spanien, Polen und Belgien sind welche dabei, die die WM-Generalprobe namens „Tour of the Alps“ für einen Abstecher in ein Waldstück über Innsbruck nutzen - die berüchtigte Höttinger Höll‘. Die Hölle wurde bei der Generalprobe noch nicht gefahren, sie wird für das Straßenrennen der Herren bei der Weltmeisterschaft (22. bis 30. September) als „Zuckerl“ aufgespart. Die Idee, das extrem steile und enge Sträßchen Richtung Hungerburg hinauf als Grande Finale einzubauen, stammt vom Tiroler Ex-Profi Rohregger, der als Streckenchef für alle Kurse verantwortlich zeichnet. Jetzt müht er sich gerade im ersten Gang seines Rennrades die Steigung herauf, um uns die Schwierigkeit zu demonstrieren.

Eckdaten zur UCI Straßenrad-WM Innsbruck-Tirol

  • Datum: 22. bis 30. September 2018
  • zwölf Rennen in acht Tagen zwischen Kufstein und Ötztal
  • von Junioren und U23 bis Elite, Damen und Herren
  • Zahlen: 1.000 Athleten, 5.000 offizielle Gäste, 500.000 Zuschauer erwartet, 700 Medien-Akkreditierungen

Auf unseren Fotos erkennt man es kaum, an der Wiegetritt-Technik des ehemaligen Bergspezialisten schon eher, wie steil es ist. Wir haben uns genau an der Stelle positioniert, die mit 28 Prozent am heftigsten ist. Zum Vergleich: Die Katschberg-Passstraße hat maximal 18 Prozent, der Grazer Schlossberg 21. Da macht selbst der erfahrene Rad-Journalist Hugo Coorevits („Het Nieuwsblad“) große Augen: „Es ist wie die Addition der Mauer von Geraardsbergen mit der Mur de Huy“,  zieht der Belgier Vergleiche zu Kult-Steilstücken der Flandernrundfahrt und von Fleche Wallone. Hardcore-Fans werden dort in die Bäume klettern. Kanaldeckel werden mit Grip-Tape abgeklebt, damit die Hinterräder nicht durchrutschen. Regnen sollte es besser nicht. Nur Motorräder werden dort bei der WM als Begleiter erlaubt sein, keine Autos. Von der Hungerburg geht es dann in spektakulären Serpentinen wieder runter ins Innsbrucker Stadtzentrum, wo der Zielbogen den Weltmeister krönen wird. Damit, dass viele aus dem Peloton ihn erreichen, rechnet man aber nicht.

Nicht alle haben Freude mit der Passage. Und wie um das zu demonstrieren, kommt ein kleiner Geländewagen von unten herauf, fährt drei Medienleute fast um und röhrt dann im Retourgang eine steile Hausfahrt hinauf. Von oben bellt ein Jagdhund bedrohlich. Die Höll‘, die diesen Namen schon seit Ewigkeiten trägt, heißt im Straßenregister Gramartstraße und hat ein allgemeines Fahrverbot. Nur Anrainer dürfen sie mit Einbahnregelung nutzen. Hobby-Radfahrern drohen bei Missachtung Anzeigen, sogar Rohregger wurde bereits angezeigt. Vor kurzem war er mit Italien-Star Vincenzo Nibali in der Hölle. Was, wenn er oder Tour-de-France-Dominator Chris Froome, der demnächst kommen will, Strafanzeigen bekommen? Negative Schlagzeilen kann man nicht brauchen, wenn man das größte Sommersport-Ereignis Österreichs (1000 Athleten, 500.000 Zuschauer) gut vermarkten will. Politik, Stadt und WM-Veranstalter bemühen sich um Lösungen.

Nibali adelte den Tiroler Kurs (Start in Kufstein, 252 km, 4670 hm) zum „schwersten WM-Rennen aller Zeiten“. Wer kann Weltmeister werden? „Alle Klassiker-Spezialisten“, mutmaßt Coorevits. „Aber vergessen wir Sagan nicht“, sagt Rohregger zur Beruhigung der slowakischen Kollegen. Die Hölle sollte sich der dreifache Weltmeister aber unbedingt vorher mal anschauen.

RAD-WM-CHECK

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