Hallenklettern ist schon super. Aber bei vielen, die sich indoor die ers­ten Sporen verdient haben, steigt irgendwann bestimmt auch die Lust auf einen „Griffwechsel“ – sprich: Ran an den echten Fels! Aber kann man sich das als reiner Hallenkletterer einfach trauen, ohne große „Umschulung“? Logisch, man kann – wenn man dabei ein paar Punkte beachtet, die wir bei zwei Klettertrainern erfragt haben.

Eine Statistik gibt es zwar nicht, aber geschätzte 80 Prozent aller­ Neueinsteiger beginnen mit dem Klettern in der Halle. Ist aber die Lust an dieser Sportart einmal geweckt, dann zieht es viele nach dem Sammeln erster Erfahrungen auch raus in die freie Natur. So war es auch bei Harald Penasso: „Schließlich gab es von den großen Vorbildern immer viel spektakulärere Bilder am Fels als an der Hallenwand zu bewundern.“
Zehn Jahre nach seinem Umstieg von drinnen nach draußen ist Harald hauptsächlich dann noch in der Halle anzutreffen, wenn er selbst als Trainer Kletterneulinge instruiert – oder wenn er gezielt an seiner Klettertechnik arbeitet. „Denn dafür sind die standardisierten Bedingungen in der Halle perfekt. Und auch für Wettkämpfe, wenn es rein um die sportliche Leistung und ihre Vergleichbarkeit geht“. Penassos Passion ist allerdings der „echte“ Fels – vom Bouldern („das ist sogar in den Wintermonaten fast immer möglich“) übers Sport- bis zum Alpinklettern. „Outdoor zu klettern ist die faszinierende Kombination aus Sport und Natur­erlebnis. Und beim alpinen Klettern kommt noch eine Portion Abenteuer und Ungewissheit dazu.“
Aber bei allen Unterschieden: Der Umstieg von der Halle auf den Felsen ist unkompliziert. Lediglich ein paar offene Fragen gilt es zu klären, bevor man als Hallenkletterer zum ersten Mal in eine­ echte Felswand einsteigt. Und das machen wir hier mit Klettertrainer Harald Penasso und mit Stefan Kleinhappl, Leiter der Kletterhalle „City Adventure Center“ in Graz. Der übrigens noch ganz traditionell in der Natur das Klettern erlernte.

Trau dich raus: Klettern in der Halle und am Felsen / Bild: KKWO FINDE ICH DIE IDEALE WAND FÜR DEN ERSTEN EINSTIEG?
Klare Empfehlung unserer Profis: Ab in den Klettergarten – am besten in Begleitung eines schon erfahrenen Kletterers! „Der übliche Weg, das Klettern zu erlernen, ist heutzutage dieser: Kletterhalle – Klettergarten – Einseillängenrouten – Mehrseillängenrouten im Mittelgebirge – alpines Gelände. Dieser Entwicklungsprozess zieht sich aber durchaus über mehrere Jahre“, weiß Stefan Kleinhappl. Der Vorteil von Klettergärten: Es sind in der Regel mehrere unterschiedlich schwierige Routen vorzufinden, in denen Sicherungshaken – in der Regel mit eher kurzen Abständen – bereits angebracht sind. Aber aufpassen: Nicht alle Klettergärten sind automatisch anfängertauglich. Das Internet und Fachliteratur (Kletterführer) geben über örtliche Begebenheiten Auskunft. Auch interessant: Fit für's Klettern: Die 6 besten Übungen für daheim.

WAS IST DER UNTERSCHIED ZWISCHEN HALLE UND KLETTERGARTEN?

  • Der Hauptunterschied: Im Freien gibt es keine fix installierten Sicherungs­seile, sondern nur Sicherungshaken.
  • Punkt 2: In der Halle findet man „standardisierte Bedingungen“ vor – wie zum Beispiel normierte Hakenabstände. Draußen ist eben alles „naturbelassen“.
  • Punkt 3: Kletterhallen werden vom Betreiber verpflichtend gewartet. Auch Klettergärten werden zwar in der Regel von alpinen Vereinen gewartet und in Schuss gehalten – aber trotzdem darf man sich draußen nie darauf verlassen, dass zum Beispiel alle Haken noch sicher verankert sind! „Beim Felsklettern ist noch viel mehr Eigenverantwortung als in der Halle gefragt. Und diese eiserne Regel gilt noch mehr für freie Routen außerhalb von Klettergärten.“ Noch ein Unterschied zur Kletterhalle: Orientierung ist in der Halle mit farbigen Griffen und Routenkärtchen in allen Details überhaupt kein Problem – im Gegensatz zu draußen, wo allenfalls ein grobes „Topo“ hilft.


Trau dich raus: Klettern in der Halle und am Felsen / Bild: KKWELCHE AUSRÜSTUNG BRAUCHE ICH IM FREIEN?
Zusätzlich zum Klettern in der Halle werden benötigt:

  • Ein Seil – zumindest in doppelter Länge der Route (die Länge entnimmt man dem Topo), um wie in der Halle top­rope sichern zu können. „Viele Unfälle in Klettergärten sind auf das Verwenden zu kurzer Seile zurückzuführen“, warnt Stefan Kleinhappl.
  • Expressschlingen zum Sichern – für Einsteiger reichen in der Regel zehn bis zwölf Stück. Aber auch hier gilt: Auf die Länge der Route kommt es an.
  • Einen Helm. „In Klettergärten ist das Tragen von Helmen zwar nicht üblich – denn erfahrene Kletterer können in der Regel abschätzen, wo mit Steinschlag zu rechnen ist, und wo nicht. Einsteigern ist das Tragen eines Helmes aber unbedingt anzuraten“, meinen unsere Experten. Spätestens in Mehrseilroutenlängen besteht prinzipiell Helmpflicht – auch wenn leider gerade erfahrene Kletterer und Profis diesbezüglich oft schlechte Vorbilder sind (siehe rechts).

WORIN UNTERSCHEIDET SICH DIE KLETTERTECHNIK
In der Halle sind die Routen in der Regel kraftorientierter ausgelegt, oft steiler als die meisten „Naturwände“. Im Freien dagegen ist eine saubere Technik gefragt, das Stehen auf bedeutend kleineren Tritten wird hier zu einer echten Herausforderung. Viele, die in- und outdoor klettern, empfinden Routen mit dem selben Schwierigkeitsgrad im Freien manchmal einfacher als in der Halle. Wer dagegen bisher nur in der Halle Erfahrungen gesammelt hat, für den ist dieses Empfinden garantiert genau umgekehrt: „Deshalb sollten reine Hallenkletterer im Freien unbedingt mit zwei Schwierigkeitsgraden leichter starten, als sie es von drinnen gewohnt sind“, empfiehlt Stefan Kleinhappl. „Außerdem ist es für Hallenkletterer zunächst gar nicht so einfach, Griffe und Tritte im Fels überhaupt zu erkennen. Nehmt euch also unbedingt genügend Zeit zum Studieren der Route“, ergänzt Harald Penasso.

Trau dich raus: Klettern in der Halle und am Felsen / Bild: KKWELCHE ROLLE SPIELT DER FAKTOR MUT?
Draußen sind, zumindest in schon länger angelegten Routen, die Hakenabstände oft deutlich größer als in der Halle. „Früher spielte auch die psychische Belastung bei der Schwierigkeitsbewertung einer Route eine entscheidende Rolle“, weiß Stefan Kleinhappl. „Erste Haken in sieben, acht Metern Höhe waren keine Seltenheit. Heute ist man davon völlig abgekommen – die Sicherheit hat Vorrang und es wird nur noch die sportliche Leistung bewertet. Viele Klettergebiete wurden auch saniert.“ Trotzdem: Genau schauen – Felsrouten mit sehr großen Hakenabständen eignen sich nicht für Einsteiger.

Video: Klettern mit Lonnie Kauk


WAS IST SONST NOCH ZU BEACHTEN?

Wichtig ist, dass Umsteiger stets beachten, dass sie sich nun in der freien Natur befinden, somit auf die Umwelt Rücksicht nehmen, festgelegte Zugangswege benutzen und lokale oder zeitliche Sperren (z. B. aufgrund von Brutzeiten) stets beachten.
Übrigens: Den einfachsten und sichersten Umstieg vom künstlichen Felsen zum „echten Klettern“ garantierten die speziellen „Von der Halle an den Fels“-Kurse, die es in fast ­allen Kletterschulen Österreichs gibt.


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