Es gehört vermutlich zu den Berufskrankheiten eines schreibenden Menschen, dass man auch im Alltag ständig über Worte stolpert – wie zum Beispiel ich unlängst bei der Zeitungslektüre über das Wort „Bewegungsempfehlung“.

Egyd Gstättner
Egyd Gstättner


Natürlich fragte ich mich, wie die Menschheit Jahrtausende lang ohne Bewegungsempfehlungen ausgekommen ist – und sich gewissermaßen „einfach so“ bewegt hat. Zum Glück aber haben wir heute Expert:innen (Sportwissenschaftler:innen, Sportmediziner:innen), die für Erwachsene zwischen 18–65 Jahren 150 bis 300 Minuten pro Woche „ausdauerorientierte Bewegung mittlerer Intensität oder 75 bis 150 Minuten mit höherer Intensität (Joggen, Radfahren [19–25km/h] oder Einzeltennis) „empfehlen“, (Doppeltennis ist ja doch nur Herumstehen mit seiner Frau/ihrem Mann/seinem Mann/ihrer Frau am Netz …). Außerdem Lifte „links liegen lassen“ (aber welcher Lift „liegt“ schon „links“?) und „Einkäufe zu Fuß bewältigen“: Wie soll man ganz ohne Wissenschaft ganz allein auf sowas Originelles kommen?

Aber Achtung: Jetzt wird es sensationell! Ab 3967 Schritten täglich sinkt das Risiko, frühzeitig an einer Krankheit zu sterben! Und schon ab 2337 Schritten sinkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (auch für Diabetes Typ 2, Dickdarm-, Brust-, Gebärmutter-, Blasen- oder Lungenkrebs)! Allerdings – das muss man zugeben – ist es gar nicht so leicht, auf 2337 oder 3967 Schritte zu kommen. Nicht auszudenken: Man absolviert 2336 Schritte – und erleidet einen Herzinfarkt. (In dem Fall spricht man von einem „Pechinfarkt“: Ich weiß, wovon ich spreche: Ich hatte selber einen. Und ich weiß auch, dass Wissenschaftler:innen nicht gern von „Pech“ sprechen.)

Es ist gar nicht so leicht, auf 2337 oder 3967 Schritte zu kommen.

Egyd Gstättner

Die ultimative Lösung: Schrittzähler! Smartwatch am Handgelenk, Handy in der Hosentasche. Anfangs entwickelte ich so einen enormen Schrittgeiz: Ich machte keinen Schritt, ich stand erst auf, wenn mir meine Frau oder meine Kinder mein Handy brachten: Ich habe ja nichts zu verschenken (alter Sportlerscherz!). Dann war es so: Ich ging und ging und ging, hielt nach 150 Minuten Nachschau, wie viele Schritte mir gelungen waren – und stellte fest, dass ich mein Handy zu Hause vergessen hatte: Für mich brach eine Welt zusammen!

Damit mir das nicht noch einmal passiert, zähle ich seither jeden einzelnen Schritt persönlich: 1, 2, 3 … 3967 – und mehr! Das ist sehr anstrengend und erfordert meine ganze Konzentration! Seither sehe ich links und rechts nichts und niemanden mehr. Ich rede mit niemandem, ich grüße niemanden (wie auch?) und ich habe schon zu hören bekommen, dass ich arrogant sei. Warum bloß? 3968, 3969 …

Egyd Gstättner
Egyd Gstättner

Der Klagen­furter ist freier Schriftsteller und Hobby­sportler.