E-Bikes machen großen Spaß, sorgen aber auch für mehr Unfälle und die Branche hat mit illegalem E-Bike-Tuning zu kämpfen.

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Konfliktthema E-Bike: Nicht nur wegen der elektrischen Schubhilfe an sich, die viele „Muskelbiker“ aus dem emotionalen Gleichgewicht bringt, auch wegen aktueller Unfallzahlen und dem Tuning-Thema sind die elektrischen Räder ein Reizthema. Die E-Bikes haben aber einen Siegeszug angetreten und lassen die Bike-Branche über kräftige Zuwächse jubeln. Ohne mit Emotionen zu spielen die nüchternen Zahlen: Im Jahr 2016 verunfallten österreichweit 3700 Personen mit dem E-Bike so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten, meldet das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV). Der Anteil an stationären Fällen war bei E-Bike-Unfällen mit 46 Prozent höher als bei Unfällen mit herkömmlichen Fahrrädern (31 Prozent), die Verletzungsschwere somit tendenziell höher. Auch die Naturfreunde Österreich widmen sich dem Thema: „Die Gründe für die Unfallhäufung mit E-Bikes sind in erster Linie höhere Geschwindigkeit und der damit verlängerte Bremsweg sowie die veränderte Kurvendynamik im Vergleich mit einem Fahrrad ohne E-Antrieb“, heißt es in der Aussendung. Die Naturfreunde starten eine Informations- und Praxiskampagne, in 20 Roadshows bietet man Information zu Umgang und Problematik. Aktuell ist jedes fünfte in Österreich verkaufte Fahrrad ein E-Bike, Tendenz steigend. Bei knapp 400.000 bundesweit verkauften Rädern sind also mehr als 80.000 davon E-Bikes (2016 exakt: 86.546). Wobei man dagegenhalten kann, dass bei diesem Trend zum schnelleren Fahren die Unfallhäufung fast logischerweise steigen muss.

UND JETZT NOCH TUNING ...
Was zusätzlich Öl ins Feuer gießt, ist die Tatsache, dass viele Radfahrer trotz ansehnlicher Schubkraft ihrer Antriebe nicht zufriedengestellt sind und das technisch Machbare mit Tuning ausreizen. Dann wird’s gefährlich und illegal. Bei der Eurobike in Deutschland, der größten Fahrradfachmesse der Welt, war das auch ein Thema. Die Dunkelziffer an aufgemotzten Bikes schätzte ein deutscher Händler auf „rund 50 Prozent“. Auch wenn das zu hoch gegriffen sein mag, selbst in Österreich lassen Erfahrungsberichte aus dem Handel auf eine hohe Dunkelziffer schließen. „Aber es gibt noch keine zuverlässigen Zahlen, weil das E-Bike-Tuning ein relativ neues Phänomen ist“, sagt Armin Kaltenegger, Leiter der Rechtsabteilung beim KFV. Tuning ist für geschickte Bastler keine große Aufgabe, denn die Motorsteuerung fast aller Hersteller ist gegen einen Eingriff kaum geschützt. Noch simpler ist das Anbringen eines Tuning-Chips an der Kettenstrebe (für wenige Euro im Internet erhältlich), der das Signal des Speichenmagneten am Hinterrad halbiert und somit die doppelte Geschwindigkeit ermöglicht, also 50 km/h bis zur Motorabschaltung.

STRAFBARE HANDLUNG
Das Kuratorium warnt: Rechtlich gesehen handelt es sich bei einem durch Speed-Tuning modifizierten E-Bike nicht mehr um ein Fahrrad, sondern um ein „nicht zugelassenes Kraftfahrzeug“. Mit diesem auf öffentlichen Wegen, Plätzen und Straßen unterwegs zu sein, ist eine strafbare Handlung und kann weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. „Höchstens 600 Watt Leistung und Motorunterstützung bis maximal 25 km/h, das sind die Voraussetzungen, damit ein E-Bike als normales Fahrrad gilt“, erklärt KFV-Jurist Kaltenegger.„Stärkere oder schnellere E-Bikes sind Mopeds oder sogar Motorrädern gleichgestellt.“ Diese Fahrzeuge benötigen einen Versicherungsschutz und Kennzeichen, die Lenker Führerschein und Helm. „Weder Fahrradwege noch die Fahrräder und Bauteile wie die Bremsen sind für diese Geschwindigkeiten ausgelegt“, erklärt Kaltenegger. Ein Aufprall mit 25 km/h ungebremst und ungeschützt gegen ein Hindernis kommt einem Sturz aus 2,5 Metern Höhe gleich. Bei getunten E-Bikes (bis zu 50 km/h) wäre das eine Fallhöhe von knapp 10 Metern – vergleichbar mit dem Sturz aus dem dritten Stock eines Gebäudes. Zudem drohen weitreichende Konsequenzen, wenn die Polizei das Fahrzeug als illegal erkennt: Verbot der Weiterfahrt, kein Versicherungsschutz bei einem Unfall, zivil- und strafrechtliche Verantwortung, wenn der Unfall auf das Tuning zurückzuführen ist. Genug der Droh-Szenarios. Die Branche ist wachsam, will für Klarheit und ungetrübte Freude am Radfahren sorgen und sagt dem Tuning den Kampf an. Claus Fleischer etwa deklariert sich als Geschäftsleiter von Bosch eBike Systems ganz klar: „Tuning ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Wer Tuning-Kits verwendet oder sein Bosch-eBike-System anderweitig manipuliert, verliert sowohl seine Garantie- als auch seine Gewährleistungsansprüche. Zudem verringert sich in der Regel die Lebensdauer. Wir fordern daher alle E-Bike-Fahrer und Anbieter auf, Tuning zu unterlassen.“

„KATZ UND MAUS“
Noch könne man das illegale Aufmotzen nicht wirksam verhindern, erzählt Fleischer: „Aber Bosch optimiert kontinuierlich seine Produkte und arbeitet an Maßnahmen, die das Tuning erschweren. Eine 100-prozentige Lösung gibt es aktuell jedoch nicht. Das ist ein Katz-und-Maus-Spiel wie in anderen Bereichen auch: Autos, Motorräder, Smartphones, Netzwerke, Firewalls oder Rechner – immer wieder werden neue Sicherheitssysteme und -software auf den Markt gebracht, diese anschließend entschlüsselt oder umgangen.“ Die oft geforderte Anhebung der gesetzlichen 25-km/h-Regelung auf 33 oder 35 km/h ist für Fleischer keine gute Idee: „Wir halten die aktuellen Richtlinien für angemessen. Das Pedelec bis 25 km/h gilt als Fahrrad mit allen Rechten und Pflichten: freie Nutzung, keine Versicherung, kein Kennzeichen, keine Helmpflicht. Das ist ein Grund, warum das E-Bike so erfolgreich ist. Diesen Status müssen wir schützen und erhalten.“

Tipps und Tricks für die sichere Fahrt mit dem E-Bike: (Quelle: KFV)

  • Das Gleichgewicht schulen: Auch langsame Geschwindig­keiten ­müssen geübt werden.
  • Vorsicht beim Anfahren: Die Schubkraft des Elektro­motors kann überraschend einsetzen.
  • Fahrradhelme verhindern schwere Kopf­verletzungen.
  • Finger weg vom Tuning! Es ist riskant und ­illegal. Mit ­schnelleren S-Pedelecs (bis zu 45 km/h) ist das Fahren auf Radwegen verboten.
  • Fahrroutine entwickeln: Nicht nur Fahranfänger, auch Fort­geschrittene profitieren von E-Bike-Kursen.
  • Vor der Inbetriebnahme des neuen E-Bikes die Betriebsanleitung sichten, um sich mit den Funktionen des E-Bikes vertraut zu machen.
  • Die Funktionsprüfung von Reifen, Schaltung, Bremsen, Licht & Co ist ein Muss vor jeder ­Ausfahrt.