Für die Chronik: Der Kenianer Edwin Kipchirchir Kemboi gewann den „Kleine Zeitung Graz Marathon" in 2:24,02 Stunden. Der Herbstklassiker in der steirischen Landeshauptstadt schreibt aber vor allem auch viele Geschichten von den Triumphen der Hobbyläufer.

Von Klaus Molidor


Edwin war schon im Ziel, da ist es für den Franz erst so richtig hart geworden. Nach 2:24,02 Stunden berührte Edwin Kipchirchir Kemboi aus Kenia das Zielband beim Kleine Zeitung Graz-Marathon vor dem Opernhaus und feierte damit nach 2011 seinen zweiten Sieg beim Herbstklassiker.

Zu diesem Zeitpunkt ist Franz aus Wien bei Kilometer 26. Die Strecke führt da von der Wende im Grazer Norden wieder zurück in die Innenstadt. Ein psychologisch wichtiger Aspekt. „Heute", sagt sich Franz, „heute kann ich Geschichte schreiben." Zahlreiche Marathons ist der 47-Jährige schon gelaufen. Wien, Wachau, Frankfurt, Luxemburg, München. Immer um die vier Stunden, darunter noch nie. In Graz aber stimmt nach rund zwei Drittel der Distanz die Marschtabelle für das Durchbrechen dieser Schallmauer.

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Mittlerweile sind auch die beiden Steirer Vinzenz Kumpusch und Stefan Schriebl auf den Rängen 2 und 3 mit Zeiten knapp über 2:32 im Ziel. Der Großteil der Marathoni ist da noch auf der Strecke. Über 9.000 haben sich wieder in den Bewerben City-Run, Viertel- und Halbmarathon sowie über die klassische Distanz von 42,195 km angemeldet. Und wurden für die Entscheidung belohnt: mit strahlendem Sonnenschein am Start, buntem Herbstlaub auf den Bäumen und in der zweiten Rennhälfte mit bewölktem Himmel, damit keine Überhitzungsgefahr droht. Dabei hatte die Prognose nur dezente Plusgrade und sogar Dauerregen vorhergesagt ...

Kilometer 30. Franz kann immer noch deutlich unter seinem geplanten Tempo laufen – und sich dabei auch noch unterhalten. Erzählt von den Krämpfen beim Auf und Ab in Luxemburg; von der „marternd langen Geraden" in der Prater Hauptallee bei seinem Heimrennen in Wien; und er ruft sogar seine Frau an: „Geht super, richt mir bitte einen Riegel her".

Beim Kunsthaus, knapp 9 km vor dem Ziel, bekommt er dann den Doppelschub. Mental durch seine Frau, kulinarisch durch die versprochene geballte, in Schokoriegelform gepresste Sportlernahrung. Es regnet jetzt, vielmehr: es schüttet! Zwei, drei, vier Kilometer lang, dann erst hellt sich der Himmel wieder auf.

Im Ziel bei der Grazer Oper herrscht inzwischen Gelächter. Die Siegerehrung beginnt, Edwin Kemboi wird beglückwünscht, aber wo ist der Zweite, Vinzenz Kumpusch? Dem ist der Programmablauf zu schnell gegangen, er steht noch unter der Dusche, als er eigentlich schon auf der Bühne sein sollte.

Franz dagegen kommt Schritt für Schritt dem Ziel näher. Wie ein Uhrwerk spult er auch die harten ­Kilometer zwischen 35 und 39 ab. Dann die Erleichterung, auf dem letzten Zickzack zum Grazer Hauptplatz erkennt er: Ja, es geht sich aus! „Und den letzten Kilometer spürst du sowieso nicht", sagt schon eine alte Marathonweisheit."

Im Ziel freut sich zu dieser Zeit schon, um 13.45 Uhr, Marathon-OK-Chef Robert Helbig von der Kleinen Zeitung über eine Veranstaltung, „die allen Beteiligten große Freude bereitet hat, und wie sie aus meiner Sicht besser nicht laufen hätte können." Acht Minuten später bestätigt das auch der Franz. Er hat die 42 Kilometer hinter sich, 3:53,07 Stunden dafür gebraucht und wirklich Geschichte geschrieben. Seine persönliche. So wie die anderen 9.000 Laufbegeisterten beim Herbst-Klassiker auch. Lust bekommen? Die nächste Chance gibt es am 8. Oktober 2017.


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