Mit 41 Jahren plant Ski-Legende Lindsey Vonn bei Olympia 2026 in Cortina d’Ampezzo den großen Coup. Warum sie das tut? Weil sie nur wissen kann, ob’s funktioniert – wenn sie es wirklich versucht.
Lindsey, was sind deine ersten Erinnerungen ans Skifahren?
Ich erinnere mich an die Tage, an denen ich als kleines Mädchen mit meinem Vater in Minnesota beim Skifahren war. Es war sehr, sehr kalt. Ich erinnere mich, dass er mich immer in eine Hütte mitgenommen hat, wo wir heiße Schokolade und Donuts mit Streusel gegessen haben.
War das eine Art Bestechung?
So ungefähr. Die Schokoladenpause war wohl die einzige Möglichkeit, mich dazu zu bringen, bei dieser Kälte einen ganzen Tag Ski zu fahren.
Dein Vater erkannte früh, was in dir steckt. Als du elf Jahre alt warst, zog deine Familie nach Vail in Colorado, um dein Talent gezielt zu fördern. Welche Faktoren waren entscheidend, dass du besser wurdest als die Besten der Welt?
Ich denke, dass ich vor allem sehr hart gearbeitet habe. Meine Trainingsdisziplin hat mich Schritt für Schritt nach vorne und immer wieder auf ein nächstes Level gebracht. Seit meiner Kindheit war ich die Erste auf der Piste und die Letzte, die sie verlassen hat. Vielleicht habe ich wirklich ein gewisses Talent, das mir meine Eltern mitgegeben haben. Am Ende waren es der Ehrgeiz, mich ständig zu verbessern, gepaart mit kompromissloser Leistungsbereitschaft und vielleicht ein wenig natürlicher Begabung mit einem speziellen Gefühl für das Skifahren.
Dein Comeback im Alter von 40 Jahren hat die Menschen inspiriert. Aber warum tust du das? Ist es die Aufmerksamkeit? Der Wunsch, weiterhin etwas Besonderes zu erreichen?
Ich kann dich beruhigen – mehr Aufmerksamkeit benötige ich definitiv keine. Ich mache das, weil ich das Skifahren liebe! Weil ich die Geschwindigkeit liebe. Ich bin so froh, dass ich dank meiner Knieprothese diese Möglichkeit habe und auch sonst schmerzfrei bin. Ich bin ein aktiver Mensch und kann endlich wieder alles tun, was ich mir vornehme. Das ist ein großartiges Gefühl.
Du planst, dir bei den Olympischen Spielen in Cortina d’Ampezzo 2026 einen abschließenden Höhepunkt zu schenken und dort dein letztes Rennen zu fahren: Auf der „Tofana“ bist du 2004 zum ersten Mal aufs Weltcup-Treppchen gefahren, in den folgenden Jahren hast du auf der legendären Piste zwölfmal in Abfahrt und Super-G triumphiert. Geht’s besser?
Kaum! Meine Karriere vielleicht in Cortina zu beenden, einem Ort, der mir so viele wunderbare Erinnerungen in meinem Leben beschert hat, ist eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen kann. Ich muss es nicht tun, aber ich möchte es tun, weil es mir Spaß macht. Und ich glaube, dass ich diesem Sport noch etwas geben kann.
In den kommenden Weltcup-Wochen geht es darum, das Highlight Cortina im Februar 2026 perfekt vorzubereiten. Ist das die Saison deines Lebens? Weil du alle Fähigkeiten und Erfahrungen einbringen kannst, die du im Laufe deiner Karriere gesammelt hast?
In jedem Fall ist es eine ganz besondere und interessante Saison. Vor meinem Comeback im vergangenen Jahr hatte ich kaum Zeit für eine richtige Vorbereitung. Ich habe mein Bestes gegeben und finde, dass es eine gute Saison war, aber jetzt kann ich wirklich mein gesamtes Wissen mit einem starken Körper und einem starken Geist umsetzen. Kein Druck, keine Erwartungen. Und das zu einer Zeit, in der ich wirklich gut Ski fahre. Ich freue mich sehr darauf. Ich denke, es ist eine großartige Möglichkeit, alle Teile zusammenzufügen. Als Abfahrtsläufer lernt man im Laufe der Zeit so viel: Man ist auf der Piste, man lernt Taktiken, man lernt, mit Druck umzugehen. Zieht man sich zurück, verfügt man über so viel Wissen, aber man will eben nicht mehr weitermachen oder kann es körperlich nicht mehr. Das Wissen geht verloren. Jetzt kann ich den Erfahrungsschatz, den ich mein ganzes Leben lang gesammelt habe, noch einmal für diese Saison nutzen. Und ich glaube, es wird sich auszahlen.
Bis dahin sprechen alle über die 41-jährige Athletin. Und das mitunter kritisch. Du musst mehr an dich glauben als je zuvor. Woraus ziehst du dein Selbstvertrauen?
Ich weiß einfach, zu was ich fähig bin. Ich kenne mich sehr, sehr gut. Weil ich schon viel durchgemacht habe. Ich weiß, was mein Körper aushält. Ich weiß, was mein Geist aushält. Ich kenne meine Grenzen. Ich weiß, dass ich weiß, was ich kann, und ich glaube an meine Fähigkeiten.
Ich muss es nicht tun, aber ich möchte es tun, weil es mir Spaß macht.
Keine Zweifel?
Überhaupt nicht. Es ist ja nicht so, dass ich noch nie ein Rennen gewonnen hätte und mir nicht sicher wäre, ob ich schnell sein kann. Ich weiß ganz genau, was es braucht, um zu gewinnen. Und ich bin überzeugt davon, dass ich die Fähigkeit habe, auf allerhöchstem Niveau Ski zu fahren. Nur weil ich 41 bin, heißt das nicht, dass ich vergessen hätte, was ich leisten kann. Es bedeutet eher, dass ich sogar mehr Selbstvertrauen habe als viele andere. Ich bin weiser geworden. Und aufgrund meines Alters verstehe ich mich selbst noch besser als zuvor. Deshalb ist jetzt der ideale Zeitpunkt, mehr denn je an mich zu glauben. Und um ehrlich zu sein, habe ich nie aufgehört, an mich zu glauben. Als Leistungssportler muss man Selbstvertrauen in das haben, was man tut. Sonst sollte man vielleicht etwas anderes machen.
Ist das auch der Rat, den du jedem Athleten geben würdest. Sich einfach zu vertrauen?
Ganz genau. Glaube an dich selbst. Weißt du, mir wurde in meinem Leben oft gesagt, sehr oft sogar, dass ich niemals gut genug sein würde. Ich würde niemals schnell genug sein. Wenn ich hinfiele, würde ich niemals wieder aufstehen. Wenn ich gewinnen würde, würde ich nie wieder gewinnen. So viel wurde zu mir gesagt. So viel über mich geredet. Aber die Zweifler lagen falsch. Wenn du einen Traum hast und glaubst, dass du es schaffen kannst, dann höre auf niemanden. Sondern arbeite hart – und mach es einfach.
Sind es unsere Träume, die uns jung bleiben lassen?
Ich denke, schon. Alles ist möglich! Es gibt keine Grenzen, außer denen, die man sich selbst setzt. Wenn du glaubst, etwas nicht zu können, kannst du es auf keinen Fall. Vertraust du auf dich, dann kann es gelingen. Um herauszufinden, ob es wirklich funktioniert, gibt es allerdings nur einen einzigen Weg.
Nämlich?
Du musst es versuchen.














