Smartphone, Apps und Community-Plattformen haben den Bergsport verändert. Was Chancen bringt und ­Risiken birgt. Mit den Tipps von Experte Matthias Pilz gelingt die Tourenplanung im Digitalzeitalter.

Christof Domenig
Christof Domenig

Junge nehmen es nicht wahr, wir Älteren sehr wohl, wie sehr das digitale Zeitalter unsere analoge Welt verändert. Und das betrifft auch das Draußensein in den Bergen. Touren werden heute ganz selbstverständlich digital gesucht und geplant. Kaum einer, der es noch anders macht. Und die Veränderung schreitet stetig voran – weiß auch Matthias Pilz, der die digitalen Planungs- und Orientierungstools im Bergsport von Beginn des digitalen Zeitalters weg stets intensiv verfolgt hat. „Das GPS-Handheld-Gerät ist in unseren Breiten mittlerweile praktisch verschwunden“, sagt Pilz, der für die Naturfreunde Österreich Ausbildungen rund um das „digitale Planen und Orientieren im Bergsport“ hält. „Es werden heute fast ausschließlich Smartphone und Apps verwendet.“ 

Bergsportler setzen auf Plattformen wie Outdooractive, Komoot, Bergfex oder auch das „Tourenportal“ der Naturfreunde (das auf Outdooractive basiert). Dort findet man eine Fülle an Informationen – Tourenvorschläge oft inklusive Bildern, Bewertungen, Zeit- und Streckenangaben und GPS-Tracks. „Die große Masse konsumiert vorgefertigte Touren“, weiß Pilz. Das spart Zeit, senkt die Einstiegshürde – birgt aber auch Risiken.

Erlebnisbericht vs. Beschreibung
Vor allem communitybasierte Inhalte sind mit Vorsicht zu genießen. Doch gerade auf diese wird heute oft zurückgegriffen. „Da schreibt jemand, es war ‚leicht‘, weil er es subjektiv so empfunden hat, während für einen anderen die gleiche Passage unüberwindbar sein kann“, warnt Pilz. Die Bandbreite der heute in den Tourenportalen und Apps auffindbaren Inhalte reiche jedenfalls von professionell erstellten Touren durch alpine Vereine, Verlage oder Tourismusregionen bis hin zu rein subjektiven Erlebnisberichten.

Die Crux: Viele Nutzer können nicht mehr unterscheiden, was ein objektiv bewerteter Tourenvorschlag ist – und was ein persönliches Bergerlebnis. Selbst Experten falle die Unterscheidung zwischen hochwertigem, schlechtem oder schlicht falschem Inhalt oft nicht leicht – fast wie bei Fake News. Pilz: „Wenn ich einen Erlebnisbericht lese, kann das spannend sein – es ist aber keine Grundlage für meine Tourenplanung.“ Pilz empfiehlt, sich bei der Vorbereitung unbedingt auf verlässliche Quellen wie offizielle Tourismusverbände, Alpinvereine oder Verlage zu stützen.

Drei Ebenen der Planung
Wie also sieht eine fundierte digitale Tourenplanung heute aus? Pilz selbst unterteilt drei Planungsphasen (s. „Checkliste“ im Anschluss): Langfristig: „Wenn ich weiß, ich mache im Sommer Urlaub im Villgratental, schaue ich mir die möglichen Gipfel in der Region an.“ Mittelfristig: Einige Wochen vor der Tour geht es darum, Informationen zu möglichen Aufstiegen zu sammeln, Anforderungen zu klären und sich mit dem Gelände vertraut zu machen. Ein bis zwei Tage vor der Tour steht dann die Detailplanung an: Wetterbericht prüfen, Schlüsselstellen identifizieren, Ausrüstung festlegen, aktuelle Bedingungen abklären – etwa per Anruf bei einem Hüttenwirt in der Region oder auch durch aktuelle Bilder auf Social Media. Dazu gehören auch Fragen wie: Ist die Tour für alle, die mitgehen, geeignet? Wo kann ich umdrehen? 


Digitale Planung sollte jedenfalls nicht bei der Auswahl eines GPS-Tracks enden. Pilz selbst hat, auch was den Track betrifft, einen gründlichen Ansatz: „Ich zeichne fast alle Tracks selbst nach. Das zwingt mich, die Karte im Detail anzuschauen – und ist für mich die beste Methode, mich wirklich mit der Tour auseinanderzusetzen.“

Checkliste | Digitale Tourenplanung 

So plant Matthias Pilz selbst seine Bergtouren. Ist man geübt, benötigt die Detailplanung (ab Punkt 3) nur 10–15 min pro Tour.

1. Langfristige Planung 

  • Wunschregion auswählen 
  • Übersicht verschaffen: Welche ­Touren/Gipfel gibt es?

2. Mittelfristige Planung 

  • Schwierigkeitsgrad, Länge und ­Höhenmeter prüfen
  • geeignete Touren auswählen – wer kann mitgehen? 
  • saisonale Bedingungen und ­notwendige Ausrüstung klären

3. Zuverlässige Quellen nutzen

  • z. B. offizielle Tourismusportale, Alpinvereine, Verlage 
  • Communitytouren kritisch hinterfragen
  • Erlebnisberichte nicht mit objektiven Tourenbeschreibungen verwechseln

4. Tourenbeschreibungen vergleichen und bewerten

  • mehrere Quellen nutzen
  • Gehzeiten, Schlüsselstellen und ­Schwierigkeiten abgleichen

5. GPS-Track prüfen oder selbst erstellen

  • Track nicht blind übernehmen
  • im digitalen Planungsprogramm (z. B. Outdooractive) nachzeichnen

6. Kartenmaterial vorbereiten

  • passende digitale Karte aufs Smartphone laden, Offline-­Verwendbarkeit sicherstellen
  • gedruckten Kartenausschnitt ­mitnehmen (Notfall-Backup)

7. Wetter und aktuelle ­Bedingungen prüfen

  • Wetterbericht checken
  • aktuelle Infos einholen (Anruf bei Hütte, aktuelle Social-Media-Fotos)

8. Varianten einplanen (Plan B/C)

  • Alternativen für Schlechtwetter oder Umkehr einplanen
  • leichtere/kürzere Optionen ­mitdenken

9. Ausrüstung checken

  • passend zur Tour (Grödel, Stöcke, Helm ...)
  • Powerbank, Notfallausrüstung ­(Erste-Hilfe-Paket, Biwaksack, Handy)

10. Auf Tour: ständig abgleichen

  • Stimmt der Plan mit der Realität noch überein?
  • Wetterbeobachtung, Orientierung am Gelände, nicht nur am GPS-Track
  • Mut zur Umkehr bei Unsicherheiten

Auch die Karte ist in der Tasche
Trotz digitaler Möglichkeiten hat die analoge Karte ihre Berechtigung – besonders als Back-up. „Wenn das Handy runterfällt, der Akku leer ist oder das Display streikt, habe ich ein Problem. Ein ausgedruckter Kartenausschnitt kostet fast nichts, passt in jede Tasche und bringt Sicherheit.“ Auch um sich einen Überblick über eine Region zu verschaffen, ist die gedruckte Karte unerreicht, kommt kein elektronisches Gerät mit. 

Ebenso wichtig: Die laufende Tourenplanung unterwegs. Wolken ziehen auf, eine Schlüsselstelle ist vereist, der Weg ist gesperrt – dann muss eine Entscheidung her. „Wer draußen unter Druck agiert, trifft leichter Fehlentscheidungen. Alles, was ich zu Hause im Trockenen vorbereitet habe, gibt mir einen Sicherheitsvorsprung.“ Mit der verbreiteten Methode, einfach einem vorgegebenen GPS-Track zu folgen, stößt man spätestens dann unsanft an die Grenze, wenn es unterwegs eine Planänderung braucht.

Einer der häufigsten Fehler laut Pilz: Der starre Fokus auf eine einzige Tour. „Wer nur einen Plan hat, zieht ihn oft durch – selbst wenn die Umstände sich ändern. Wer aber einen Plan B und C vorbereitet hat, nimmt sich den Druck und kann flexibel reagieren.“ Dank digitaler Tools sei es heute kein Problem, Alternativen zu planen.

Alles, was ich zu Hause im Trockenen vorbereitet habe, gibt mir draußen einen Sicherheitsvorsprung.

Gratis-App oder Bezahlversion?
Was die Frage: „Kostenlose oder kostenpflichtige App?“ angeht, hat Pilz eine klare Meinung: „Für Touren in der Zivilisation reicht die Gratisversion. Im alpinen Gelände aber will ich hochwertige Karten und brauche unbedingt eine Offline-Funktion – und dafür zahle ich auch gern ein paar Euro.“ Bei Wetter-Apps sei das Bezahlmodell dagegen meist nicht nötig, außer man möchte Werbung ausschalten.

Immer verbreiteter: die GPS-Uhr als Navigationsmittel. Hier gab es zuletzt große Fortschritte, was Displayauflösung und Kartendarstellung betrifft. Trailrunner orientieren sich fast ausschließlich mit der Uhr, indem sie einem Track folgen. Die Hände bleiben frei. Dafür braucht es aber gute Ortskenntnis. „Für alpine Navigation reicht das kleine Display nicht aus“, mahnt Pilz. Wer improvisieren oder umplanen muss, kommt um eine größere Kartenansicht am Handy oder Tablet nicht herum.

Die digitale Technik hat die Tourenplanung im Bergsport stark verändert – zum Positiven, aber nicht ohne Fallstricke. Wer Apps klug nutzt, seriöse Quellen heranzieht und prüft und zusätzlich eigene Gedankenarbeit investiert, plant heute schneller und sicherer als je zuvor. Doch die Grundprinzipien bleiben: Karten lesen, Alternativen einplanen, Wetter beachten und nicht blind auf Technologie vertrauen. So werden die digitalen ­Helfer draußen in der Bergwelt nicht zur Gefahr, sondern zur ­echten Hilfe. 

Matthias Pilz
Matthias Pilz

ist Bergsportler und Ausbilder der Naturfreunde Österreich für Klettern, Hochtouren und Skitouren, hält Kurse für GPS-Anwendung im Outdoorsport.

WEB: www.naturfreunde.at