Wanderst du noch – oder strebst du schon nach Höherem? Der Trend jedenfalls geht auch im Berg sport steil nach oben. Doch was ist jetzt eigentlich der Unterschied zwischen Wandern und Bergsteigen? Wir zeigen dir, wie du vom Wanderer zum echten Bergsteiger mutieren kannst.

Wandern ist trendy geworden. Das lockere Dahinmarschieren durch die Bergidylle ist selbst bei Jungen nicht mehr „uncool“. Aber Fakt ist auch: Für viele ist Wandern nur die „Einstiegsdroge“ – der Trend geht eindeutig höher hinauf! Das bestätigt auch Berg- und Skiführer Martin Edlinger von der Naturfreunde- Bundesorganisation in Wien: „Bergsteigen ist zum regelrechten Boom geworden. Immer mehr Menschen wollen nicht nur kleine Hügel, sondern am besten steile Wände erklimmen, das Glück eines richtigen Gipfels spüren. Sie wollen Kampfgeist beweisen, bis ganz nach oben.“ Für den Experten durchaus nachvollziehbar, trotzdem holt er all diejenigen ins Tal der Tatsachen zurück, die leichtsinnig dem Höhenrausch verfallen könnten: „Wer vom Wanderer zum Bergsteiger werden will, tritt einen Prozess an. Wer hoch hinauf will, muss ganz unten anfangen.“

WANDERN VERSUS BERGSTEIGEN
Was unterscheidet einen Wanderer von einem Bergsteiger? „Es ist die Art der Strecke, die beide Sportarten voneinander trennt“, sagt Edlinger. „Der Wanderer bewegt sich zwar auch in den Bergen, hat durchaus eine gute Routine, oft eine geschulte Trittsicherheit und viel mehr Erfahrung als gänzlich Ungeübte. Aber er verlässt eben nie seine gesicherten, befestigten Wege.“ Abseits der markierten Wege Höhenmeter zu machen, um dem Himmel so nah zu sein, wie es die körperliche Verfassung, die Witterung, Erfahrung und Sicherheit zulassen – das ist Bergsport der fortgeschrittenen Art. „Wobei man ruhig an diesem Oberbegriff Bergsport festhalten sollte. Im alpinen Sportbereich ist es nämlich immer eine Mischung verschiedener Disziplinen, die man absolviert. Auf dem Weg zum echten Gipfel wird man nicht nur bergsteigen, sondern zwischendurch klettern, und immer wieder auch ,nur‘ wandern“, sagt Edlinger.

DIE LUFT WIRD DÜNNER
Wer vernünftig vom Wandern zum Bergsteigen wechselt, steigt ja nicht gleich einem echten „Riesen“ auf’s Dach, sondern tastet sich vorsichtig an das neue Terrain heran. Und das ist gut so, allein schon, um den Körper an die neue Herausforderung zu gewöhnen, weiß Edlinger: „Je höher man kommt, desto niedriger wird auch der Luftdruck und desto geringer wird der Sauerstoffgehalt in der Luft. Damit nimmt die Belastung für den Körper zu.“ Um den Sauerstoffmangel zu kompensieren, werden nämlich vermehrt rote Blutkörperchen produziert. Das Blut wird dicker und zähflüssiger, das Herz muss entsprechend stärker pumpen. Auch die Atemtätigkeit nimmt zu, während das Durstgefühl (trotz erhöhten Wasserbedarfs!) abnimmt. Erschöpfung, Schwindelgefühl und im Extremfall sogar eine Verstopfung der Gefäße können die Folge eines zu ehrgeizigen oder unvorbereiteten Höhenstiegs sein. Der Profi weiß: „Es passiert immer wieder, dass diese körperlichen Risiken gerade von Einsteigern auf die leichte Schulter genommen werden. Tatsächlich sollten wie in jedem Sport nicht so gut Trainierte erst einen Leistungscheck machen, wie viel sie sich eigentlich zumuten können.“

Die Berge sind wilder und unberechenbarer, als sie auf den ersten Blick aussehen. Doch genau das macht ja den Reiz aus. Mit der richtigen Vorbereitung und gutem Know-how schafft es auch (fast) jeder auf die Spitze. Und die richtige Vorbereitung beginnt – richtig, beim Wandern! Martin Edlinger erklärt: „Beim strammen Marschieren kann man drei wichtige Voraussetzungen für die erste Hoch tour trainieren: Kondition, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit.“

Motivation für Bergsteiger

TRITT FÜR TRITT SICHERER
Unter Trittsicherheit versteht man die Fähigkeit, die Bodenverhältnisse (Geröll, Fels, Eis, Schnee, Moos, Gras etc.) auf ihre Begehbarkeit hin richtig einzuschätzen sowie sich konditionell und koordinativ sicher darauf fortbewegen zu können. „Trittsicher gehen zu können bedeutet ja nicht, dass man vor dem Stolpern geschützt ist. Die Kenntnis der verschiedenen Böden und die koordinative Erfahrung machen es jedoch seltener. Zudem ist die Fähigkeit, sich auszubalancieren und einen Fall zu vermeiden, größer, je trittsicherer man ist“, sagt Edlinger.

NUR NICHT SCHWINDELN
Eine (überlebens-)wichtige Voraussetzung beim Bergsteigen ist, frei von Höhenangst und Schwindelgefühl zu sein. „Wer es bei engen Schluchten oder steilen Hängen mit der Angst zu tun bekommt, riskiert nicht nur, unkonzentriert zu handeln und zu stürzen, sondern kann sich in eine echt bedrohliche Panik hineinsteigern“, warnt der Bergexperte.

Es gilt also, vor der ersten echten Höhentour auszutesten, wie stark das mulmige Gefühl in der Höhe tatsächlich ist – und wie du damit zurecht kommst. Höhenangst kann man durchaus in den Griff bekommen: Wer sich schon beim Wandern Strecken aussucht, die kurze, ausgesetzte Stellen beinhalten, bekommt einen ersten Eindruck vom „Vogelfrei-Gefühl“ weiter oben.

„Ausgesetzte“ Wege (die auf Wanderkarten sogar extra markiert werden) sind Stellen, an denen das Gelände derart steil ist, dass im Fall des Absturzes ein extrem hohes Verletzungsrisiko herrscht. Im felsigen Gelände kommt auf solchen Stellen bei weniger Geübten durchaus auch eine Seilsicherung zur Anwendung, um die erste Angst zu nehmen.

HÖHER, SCHNELLER, WEITER!
Bewanderte Wanderer, die Trittsicherheit und Schwindelfreiheit im Griff haben, können einen Schritt weiter bzw. höher gehen – wiederum mit gezieltem Training. „Beim Training für das Bergsteigen können die Höhenmeter, die technischen Anforderungen oder die Gehzeit maximiert werden. Um die eigenen Leistungsgrenzen kennenzulernen und allmählich zu steigern, ist es ratsam, auf verschiedenen Touren zunächst nur einen dieser drei Parameter zu steigern.“ Beispiel: Wer bisher auf gefestigten Wegen gegangen ist, sucht sich nun Routen, die ausgesetzte Wege und unvorbereitetes Terrain beinhalten. Wer bisher maximal 600 Höhenmeter gewandert ist, tastet sich an 900 Höhenmeter heran. Oder er versucht, die bisher üblichen Höhenmeter in einer schnelleren Zeit zu überwinden. Edlinger: „Auch hier gilt wie in jedem Sport: Gestaltet das Training so variabel wie möglich, um einen großen Trainingseffekt zu erzielen.“