Mut tut gut ... gerade in unsicheren ­Zeiten. Antje von Dewitz ­beschreitet mit dem Outdoor-Ausstatter Vaude einen ­mutigen, rundum nachhaltigen Weg. Wie sich ein Unternehmen ökologisch, sozial und erfolgreich ­führen lässt, ­beschreibt sie jetzt in einem Buch – mit ­spannenden Erkenntnissen.

Christof Domenig
Christof Domenig


Im Jänner 2020 war die Klimakrise das beherrschende Thema – was sich auch auf der ISPO, der weltgrößten Sportartikelmesse in München, zeigte. So „grün“ hat sich die Sport- und vor allem die Outdoorbranche nie zuvor präsentiert. Dann kam der März, Corona, der Lockdown und die wirtschaftlichen Turbulenzen. Erzwungene Total-­entschleunigung für viele, sehr viel Ungewissheit allerorts – aber etwa auch die Tatsache, dass sich in Städten die Luftgüte schlagartig besserte ...

Der perfekte Zeitpunkt für das Einleiten der „grünen Wende“, an der aufgrund der Klimakrise kein Weg vorbeiführt? Manche Trendforscher sahen jedenfalls schon den Übergang zu einer „Postwachstumsgesellschaft“ eingeläutet. Andere wiederum sahen gerade im Lockdown und den daraus folgenden und noch zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklungen den Beweis dafür, dass nur eine auf stetiges Wachstum ausgerichtete Wirtschaft in der Lage ist, aufgebauten Wohlstand zu erhalten und soziale Krisen zu verhindern.

Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des von ihrem Vater gegründeten Outdoorunternehmens Vaude, hat ihr Buch „Mut steht uns gut“ bereits vor der Coronakrise fertiggestellt. Sie beschreibt darin, wie sich Vaude seit ihrem Antritt der Geschäftsführung 2009 von einer Outdoormarke mit einzelnen Nachhaltigkeitsprojekten gewandelt hat – zu einem Unternehmen, das Nachhaltigkeit, Ökologie und einen fairen Umgang mit Menschen zur bestimmenden Unternehmens-DNA machte. Und das nicht nur in Deutschland, sondern etwa auch bei den asiatischen Textilherstellern, mit denen Vaude zusammenarbeitet.

Der Weg funktioniert auch wirtschaftlich: Zwischen 2009 und 2019 haben sich Umsatz und Eigenkapital verdoppelt. Zugleich wurde der Outdoorausrüster mehrfach für sein ökologisches und soziales Engagement ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Vaude gilt als Nachhaltigkeits­pionier. Unternehmen lassen sich erfolgreich führen, ohne dass es auf Kosten von Mensch und Natur geht, ist Antje von Dewitz überzeugt – auch Corona ändert nichts daran, wie die Unternehmerin und vierfache Mutter im Interview erklärt.

Auf der heurigen ISPO präsentierte sich die Sport- und insbesondere die Outdoorbranche so „grün“ wie noch nie. Empfanden Sie das auch so?
Definitiv. Wobei sich schon zuvor zeigte, dass Jahr für Jahr immer mehr Unternehmen in unserer Branche dem Thema mehr Raum gaben. Wir als nachhaltige Marke spüren das sehr deutlich, dass immer mehr Menschen ein stärkeres Bewusstsein für Fragen der Nachhaltigkeit, Ökologie, Fairness entwickeln. Aber es stimmt: 2020 war das sicher noch deutlicher als jemals zuvor merkbar. 

Sie setzten sich 2009 das Ziel, Vaude zum nachhaltigsten Unternehmen der Outdoorbranche in Europa zu machen. Ist die aktuelle Stimmung – Fridays for Future – für Sie eine Bestätigung, vielleicht auch eine Genugtuung?
Als Teil der globalen Textilbranche war für uns immer klar, dass wir nicht ein Teil des Problems, sondern ein Teil der Lösung sein wollen. Global gesehen haben sich die Probleme in den letzten Jahren dennoch leider verschärft. Von einer Genugtuung oder eher Bestärkung kann man insofern sprechen, als sich unser Weg nach zehn Jahren auch wirtschaftlich als erfolgreich herausgestellt hat. Früher sind wir schon öfters belächelt worden. Aber klar: Als Mutter von vier Kindern würde ich mir wünschen, dass noch viel mehr Unternehmen ebenfalls Verantwortung wahrnehmen würden.

Mut tut gut: Vaude-Chefin Antje von Dewitz über Haltung als Erfolgsfaktor

 Die kleine Reise vor der Haustür, das Draußensein in der Natur haben an Wert gewonnen. 

Antje von Dewitz

Wie geht es Ihrem Unternehmen nach dem Lockdown ab März? Was bedeutet „Mut“ für Sie jetzt in der Krise?
Für uns wie für die meisten Unternehmen sind einmal die Umsätze von einem Tag auf den anderen komplett weggebrochen. Wir haben rund zwei Monate gebraucht, um uns zu stabilisieren. Wir erinnerten uns aber auch an andere Krisen, etwa die Finanzkrise 2008. Damals hat die Outdoorbranche sogar Rückenwind bekommen. Die kleine Reise vor der Haustür, das Draußensein in der Natur haben an Wert gewonnen. Wir sind optimistisch geblieben und haben unsere Investitionen nicht gestoppt, im Vergleich zu manch anderen in der Textilbranche, die gleich ganze Kollektionen gecancelt haben. Wir haben auch nur einen kleinen Teil unserer Leute auf Kurzarbeit geschickt. Den Juni haben wir schon wieder mit einem Plus abgeschlossen. Mut in der Krise bedeutet für mich, trotz aller Schwierigkeiten seinen Werten treu zu bleiben, verantwortungsvoll und zuversichtlich zu agieren und für seine Haltung einzustehen.

Sie schreiben, dass selbst Vaude-Kunden preissensibel sind: Ist ein Produkt zu teuer, wird es nicht gekauft. Sehen Sie dieses Problem jetzt noch verschärft, wo viele Menschen in Kurzarbeit sind – dass viele noch mehr auf den Preis achten?
Lustkäufe bleiben jetzt eher aus. Corona hat vielen gezeigt, dass wir eigentlich nicht so viel brauchen. Aber das ist letztlich ein Gedanke, der uns entgegenkommt. Weil wir unseren Kunden viel Mehrwert liefern, indem etwa die Produkte reparierbar und langlebig sind. Den Gedanken, dass unsere Kunden hochwertiger und deshalb weniger oft kaufen, verfolgen wir seit Jahren. Momentan ist es so, dass wir mit dieser Ausrichtung kontinuierlich neue Kunden dazugewinnen. Was man aber klar sagen kann, ist, dass die Bereitschaft, mehr für ein Produkt auszugeben, stark davon abhängt, wie gut man mit den Hintergründen vertraut ist. Man muss die ökologischen und sozialen Herausforderungen von textiler Produktion kennen, um den Mehrwert von nachhaltigen Produkten schätzen zu können. Wir schulen Händler und Verkäufer daher regelmäßig in unserem „Green Shape Campus“: Dadurch gewinnen sie die Kompetenz, nachhaltige Themen kompetent und überzeugend zu erklären. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Bereitschaft bei Kunden dann höher ist, mehr auszugeben.

Vielen fehlt wohl dennoch nach wie vor weniger der Wille als der Durchblick, um nachhaltig und fair zu konsumieren. In der Outdoorbranche gibt es viele Gütesiegel, manche sprechen vom Gütesiegeldschungel. Woran können sich Outdoorsportler orientieren?
Einerseits ist es ein Dschungel, die Komplexität ist hoch – auf der anderen Seite sind es dann doch nicht so viele Gütesiegel, die auch wirklich gut sind. Mit „Green-Shape“ haben wir ein eigenes Gütesiegel geschaffen, basierend auf den strengsten anerkannten Textil- und Umweltstandards, um einerseits unseren Kunden Orientierung zu geben und um andererseits auch für unsere Produktentwicklung klare Richtlinien zur Verfügung zu stellen. Gütesiegel dienen auch einer Marke intern als wichtiger Wegweiser.

Nachhaltiges Wirtschaften wird immer mehr zu reiner Kernkompetenz, um zukunfts­fähig zu bleiben.

Antje von Dewitz

Durch Corona erscheinen die Themen des Buchs noch aktueller: Viele sehen jetzt die Chance für einen Wandel Richtung Nachhaltigkeit, Klimarettung – ­andere können das Schlagwort „Chance in der Krise“ nicht mehr hören. Wie sehen Sie das?
Aus der Sicht von Kunden und Bürgern war und ist es tatsächlich eine Chance. Man hatte Zeit zu reflektieren, war auf sich selbst verwiesen, konnte nachdenken: „Was ist mir eigentlich wirklich wichtig?“. Was innerlich gärt, kommt an die Oberfläche, eine Krise wirkt hier wie ein Katalysator. Man kann sich auch überlegen: Wie trage ich selber dazu bei, Druck auf Marken in Richtung Nachhaltigkeit auszuüben. Ob die Politik die Chance ergreift, um Veränderungen voranzutreiben, ist eine andere Frage.

Verstehen Sie, wenn Unternehmer sagen: „Nachhaltigkeit, Ökologie und Fairness sind schöne Werte, aber das kann ich mir in der derzeitigen Lage nicht leisten?“
Ich verstehe das einerseits sehr gut, weil sich viele in einem richtigen Existenzkampf befinden. Gleichzeitig ist es jedoch so, dass nachhaltiges Wirtschaften immer mehr zu einer Kernkompetenz wird, um zukunftsfähig zu bleiben. Auch im Hinblick auf die Erwartungen der Konsumenten, die sich im Kaufverhalten abbilden, stellt sich heute weniger die Frage, ob sich ein Unternehmen Nachhaltigkeit leisten kann, sondern vielmehr: Kann man es sich noch leisten, nicht nachhaltig zu sein?

Welche Form von Mut würden Sie sich von den Kunden, also den Outdoorsportlern wünschen?
Ich würde mir zunächst einmal das Bewusstsein wünschen, dass Konsumenten heute auch Macht haben. Nicht nur durch ihre Kaufentscheidung, sondern auch durch die Möglichkeit, kritisch zu sein und Fragen zu stellen. Man kann im Geschäft freundlich, aber kritisch nachfragen, wie Produkte hergestellt werden oder wofür Label stehen. Viele finden eine gewisse Haltung eigentlich gut, trauen sich aber nicht das zu äußern. Hierfür würde ich mir von möglichst vielen den Mut wünschen ihrer Haltung eine Stimme zu geben.

Mut tut gut: Vaude-Chefin Antje von Dewitz über Haltung als Erfolgsfaktor


Antje von Dewitz
Geb. 1972, ist seit 2009 Geschäftsführerin von ­VAUDE. Outdoortextilien, Schuhe, Ruck­säcke, ­Taschen oder Zelte gehören zur Kollektion. Das in Tettnang/Obereisenbach (D) in der Nähe des Bodensees angesiedelte Familienunternehmen wurde 1974 von Antje von Dewitz’ Vater Albrecht gegründet, hat aktuell rund 500 Mitarbeiter/-innen und ist vielfach für soziales und ökologisches Engagement ausgezeichnet. 70 Prozent der Beschäftigten und 40 Prozent der Führungskräfte sind Frauen.

Buch: „Mut steht uns gut! Nachhaltig, menschlich,  fair – mit Haltung zum Erfolg“, Benevento 2020, €  20,– 

WEB: www.vaude.com