Sie ist 22, bildhübsch und sie schließt demnächst ihr Jusstudium ab. Nicht unbedingt der erwartete Steckbrief von einer, die im beinharten Skitouren-Wettkampfsport einen kometenhaften Aufstieg hingelegt hat. Aber an der Steirerin Johanna Erhart ist vieles nicht so, wie man es sich von einer Spitzensportlerin erwartet.

Interview: Gerhard Polzer


Johanna, du siehst topfit aus. Bestens vorbereitet also für die neue Wettkampfsaison im Skibergsteigen?
Ich glaub schon. Ich bin grad mit meinem Papa in einer Woche von Schladming aus 1.000 Kilometer und 15.000 Höhenmeter über Schweizer Alpenpässe geradelt. Eine richtig coole Tour mit dem Rennrad, die uns beiden viel Spaß gemacht hat.

Das Rad ist also dein perfektes Sportgerät im Sommer, um Trainingskilometer fürs Skibergsteigen zu machen?
Auf jeden Fall absolviere ich mit dem Rad einiges an Trainingsstunden. Ich lauf aber auch sehr gern in den Bergen, darum hab ich auch wieder am Glocknertrail-Run teilgenommen und meine Laufzeit vom Vorjahr um 17 Minuten verbessert. Die Form sollte also passen. Aber der Anlass für diese Vater-Tochter-Tour war nicht irgendein Trainingsplan, sondern weil wir einfach Freude daran hatten, wieder einmal was zusammen zu unternehmen.

Als Nationalteammitglied hast du sowieso strikte Trainingsvorgaben für deine Saisonvorbereitung, oder?
Nein, nicht wirklich. Da wir Skibergsteiger nur eine kleine Sparte des ÖSV sind, haben wir relativ viel Freiheit beim Training. Ich habe keinen festen Trainingsplan, sondern bereite mich eigentlich so vor, wie es mir gerade Spaß macht.

Das klingt schon ziemlich locker für eine, die als eines der größten Talente im Skibergsteigen gilt.
Mit „locker" hat das nichts zu tun. Ich war bis zu meiner Matura fünf Jahre im Sportgymnasium Saalfelden in der Leistungsgruppe Langlauf. Da lernst du deinen Körper kennen und weißt genau, wie viel und was du trainieren musst.

Wie kann man sich dieses Selfmade-Training vorstellen?
Ich steh in der Früh auf und denk mir: Auf was hab ich heute Lust? Und das mach ich dann auch. Damit da kein falscher Eindruck entsteht: Ich lass das Training ja nicht schleifen, führ auch ein genaues Trainingstagebuch – vom Pensum her mach ich sicher eher mehr als zu wenig. Aber Spaß muss es mir machen. Einmal hab ich Lust auf Laufen, einmal ist mir mehr nach Radfahren oder nach einer reschen Bergtour mit Freunden. Ja, das kann sogar mitten in der Wettkampfsaison eine Genuss-Skitour mit meiner Mutter sein, mit richtig fetten Skiern und schweren Skischuhen.

Bleibt bei dieser Einstellung nicht dein Ehrgeiz auf der Strecke, der dich in den letzten Jahren sicher angetrieben hat?
Ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass ich mit meiner Einstellung einen gesunden Ehrgeiz habe. Natürlich würde es mit einem Trainingsplan noch viel professioneller gehen, allerdings ist es mir nicht wert, meine Freiheit und meinen Genuss am Sport dafür aufzugeben. Ich will nicht gestern planen müssen, was ich morgen tun muss oder beim Essen auf jedes Gramm achten. Das ist nicht meine Vorstellung von Lust am Sport.

Gerade das Skibergsteigen funktioniert aber nicht auf die gemütliche Tour. Da ist auch viel Quälerei dabei.
Keine Frage, sich quälen zu können, gehört auf jeden Fall dazu. Es macht doch Spaß, seinen eigenen Körper spüren zu können, auch wenn es wehtut. Aber wenn ich dann nach einem Wettkampf müde, aber gesund ins Ziel komme, empfinde ich immer eine tiefe Dankbarkeit.

Schon interessant, sowas von einer Spitzensportlerin zu hören.
Ich bezeichne mich selbst ungern als Spitzensportlerin, weil ich nicht vom Sport leben kann. Sport ist meine große Leidenschaft, von der ich aber nie abhängig sein möchte.


Trotzdem hast du dir diesen harten Sport ausgesucht. Weil du deinem Vater, der einst unter anderem vier Mal den Dreifach-Triathlon in Grenoble gewonnen hat, nacheifern wolltest?
Gar nicht. Ich war ein schwieriges Kind, hab in der Pubertät richtig gesponnen und der ganzen Familie oft den Tag verhaut. Mich hat der Leistungssport als Kind überhaupt nicht interessiert.

Was ist dann passiert?
Mit 13 Jahren hab ich dem Papa beim Ironman in Klagenfurt zugeschaut und dann im Ziel zu ihm gesagt: „Mit 18 will ich das auch machen." Fünf Jahre später hab ich meinen ersten und Papa seinen letzten Ironman absolviert. Ich werde den Moment nie vergessen, wie wir beide nach 10:51 Stunden gemeinsam über die Ziellinie gelaufen sind.

Warum bist du nicht beim Triathlon geblieben?
Im gleichen Jahr bin ich mit Freunden bei einem Skitouren-Event gestartet, einfach so zur Gaudi. Das hat mir richtig Spaß gemacht. Und ein paar Monate später, bei meinem ersten echten Wettkampf, hab ich gewusst: Das ist genau mein Sport!

War da jemals Druck oder Einfluss von deinem Vater, im Sport Topleistungen bringen zu müssen?
Überhaupt nicht! Die Eltern haben mir und meinem Bruder immer alles ermöglicht, was uns sportlich interessiert hat. Wir haben Sport mit ihnen immer als Abenteuer erleben dürfen. Meine Wege sind mir also in alle Richtungen offen geblieben. Aber heute weiß ich, dass ich mir die schönste Sportart ausgesucht habe: auf Skiern die grenzenlose Freiheit in den Bergen erleben!

Du meinst bei einem Wettkampf?
Ja, auch. Weil man beim Skibergsteigen oder bei Trailrunning sogar bei den Wettkämpfen die Schönheit der Natur mitbekommt. Aber generell bedeutet Freiheit für mich, in den Bergen zu sein, egal, ob bei einem Rennen oder bei einer Bergtour mit der Familie. Ich bin oft richtig geflasht von diesen wunderschönen Anblicken.

Diese Faszination, diese Lust an der Freiheit hindert dich aber nicht daran, dir trotzdem sportliche Ziele zu setzen. Im kommenden Weltcup der Skibergsteiger zum Beispiel ...
Klar, jeder Sportler setzt sich Ziele. Für mich muss ein Wettkampf ein Erlebnis sein. Ob das dann die EM-Teilnahme 2018 am Ätna ist oder die Patrouille de Glacier in Zermatt, die ich einmal in einem starken Dreier-Frauenteam gehen will, spielt da keine Rolle. Wie es heuer im Weltcup laufen wird, kann ich noch nicht sagen. Im Jänner hab ich meine letzte Jusprüfung, da muss der Sport kurz zurückstecken.

Und dann, wenn du das Jusstudium abgeschlossen hast?
Danach würde ich gern mein Gerichts­praktikum in Innsbruck absolvieren. Und mein eigenes Geld verdienen.

Heißt das, es ist dann vorbei mit den Skitouren-­Wettkämpfen?
Ich glaube, dass ich, solange ich gesund bleibe und die Möglichkeiten dazu habe, immer irgendwo bei einem Wettkampf dabei sein werde. Beim Skibergsteigen, beim Triathlon oder beim Trailrunning. Das sind eben die Gene vom Papa, die auch in mir drin stecken. Aber eines ist für mich ganz klar: Das klassische Skitourengehen wird immer Teil meines Lebens sein. Weil es für mich der Inbegriff der Freiheit ist, die du beim Sport in den Bergen erleben kannst.

Johanna Erhart - Skibergsteigerin / Bild: Dynafit
Die Skibergsteigerin
JOHANNA ERHART ist 22 Jahre alt, lebt in Salzburg und Schladming. Mit 13 Jahren lief sie an der Seite ihres Vaters Wolfgang Erhart (u. a. Weltrekordler im Dreifach-Triathlon) ihren ersten Halbmarathon, mit 18 absolvierte sie ihren ersten Ironman-Triathlon, beendete ihre Langlauf-Karriere mit dem Wasalauf (90 km in 6 Stunden) und entdeckte im gleichen Jahr ihre Leidenschaft für den Skitouren-Wettkampf.

Seit 2015 gehört Johanna zum ÖSV-Nationalteam im Skibergsteigen; in der letzten Saison zahlreiche Topplatzierungen im Weltcup, Klasse Espoir; bei der U23-WM Bronze im Individualbewerb.



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