Auf das Rampenlicht der großen Wettkämpfe hat er oft verzichtet. Stattdessen ist er lieber nach Peru oder Afghanistan gereist, um auf dem Bike das Unberührte der Natur zu erleben. Der Kanadier Matt Hunter ist seinen eigenen Weg gegangen. Und bleibt auf der Suche nach den schönsten Biketrails der Welt.


Matt, du bist viel unterwegs, immer auf der Suche nach neuen Trails. Wo warst du zuletzt?
Ich bin gerade erst aus Idaho zurückgekommen. Das war fantastisch. Wir sind einige sehr lange Single-Trails gefahren, haben ein Video gedreht und hatten eine Menge Spaß.

Du nimmst nur selten an Wettkämpfen teil. Ist das deine persönliche Philosophie … in erster Linie Spaß zu haben?
Meine Karriere hat sich in der Tat in eine spezielle Richtung entwickelt, weil ich mich auf das fokussiert habe, was mich glücklich macht. Dabei geht es mir nicht darum, ein Statement abzugeben, was nun richtig ist oder falsch. Aber Wettkämpfe bedeuten oft - mals Stress. Und das ist weit davon entfernt, was Mountainbiken für mich bedeutet.

Und was bedeutet es?
Zeit mit Freunden zu verbringen. Die schönsten Trails zu finden. Sich seinen eigenen Weg durch die unberührte Natur zu suchen und auf diese Weise mit ihr zu verbinden. Das ist das pure Leben, das macht mich glücklich. Und ich bin der Meinung, das ist auch in meinen Videos oder auf Fotos zu sehen. Die besten Bilder entstehen immer dann, wenn man genießt, was man tut.

Hätte aus dir auch ein Straßenradfahrer werden können?
Ich denke nicht. Selbst dann nicht, wenn ich in einer anderen Umgebung als British Columbia aufgewachsen wäre. Mich hat es immer in die Wildnis gezogen.

Du bist um die ganze Welt gereist, um immer wieder neue Trails zu befahren. Welche Region kommt dir zuerst in den Sinn, wenn du an deine Reisen denkst?
Da fällt mir der Trip nach Afghanistan ein, den wir im vergangenen Jahr unternommen haben. Dieses Land ist zu weiten Teilen noch immer unberührt von modernen, menschlichen Einflüssen. Und der Hindukusch ist beeindruckend, hier erheben sich einige der höchsten Berge der Welt. In diesem Umfeld auf dem Bike unterwegs zu sein, war ein einzigartiges Gefühl. Aber um ehrlich zu sein: Ich muss nicht unbedingt zurück nach Afghanistan. Zu Hause in British Columbia kann ich genauso gut in die Wildnis entwischen. Und die Trails hier sind doch ein gutes Stück besser …

Gibt es so was wie „den besten Trail deines Lebens“?
Schwer zu sagen, es waren so viele. Und so unterschiedlich. Vor einigen Jahren war ich mal mit drei meiner besten Freunde in Peru, an einem Ort namens Puerto de Inca. Vom Meer aus sind wir hoch in die Berge, auf einen stundenlangen Aufstieg folgte eine unglaubliche Abfahrt. Der Trail stammte von Schafherden, deshalb war er relativ breit, sodass sich jeder seine eigene Spur suchen konnte. Es gab viele natürliche Sprünge, der Boden war weich und gut zu driften. Unten haben wir eine wüstenähnliche Landschaft erreicht und sind in den Pazifik gesprungen. Ein wirklich kompletter Tag.

Das hört sich immer so unkompliziert an. Fühlst du dich auch mal unwohl auf dem Bike? Oder hast du Angst vor einem Sturz?
Klar, hab ich. Manche Sprünge sind echt furchteinflößend. Außerdem habe ich bis heute Angst, bei der Landung vom Pedal zu rutschen und mir das Schienbein aufzuschlagen.

Wie gehst du gegen diese Ängste vor?
Egal, auf welchem Level du dich befindest: Du musst das passende Equipment haben. Das gibt dir schon mal Sicherheit. Und dann musst du auf deine Fähigkeiten vertrauen. Dabei gilt es, die richtige Mischung aus Anspannung und Lockerheit zu finden. Konzentrieren, ohne zu verkrampfen.

Fragst du dich manchmal – oh Mann, was tue ich hier eigentlich?
Nicht manchmal – andauernd! Und bei einigen Sprüngen war ich echt froh, dass ich nicht gestürzt bin.

Was treibt uns in solche Situationen?
Naja, die Komfortzone ist bequem, hat aber wenig Erlebnischarakter. Also gehen wir mehr Risiko ein – und erhalten als Belohnung das einmalige Gefühl eines guten Rides.

Wie kann ich meine Komfortzone verlassen, ohne ein zu großes Risiko einzugehen?
Risiko ist immer relativ. Was einem früher riskant erschien, ist heute vielleicht längst Routine. Sobald du etwas Neues versuchst und auch geschafft hast, verändert sich deine persönliche Risiko-Skala. Irgendwann gewöhnst du dich daran, diese Skala laufend zu überprüfen und anzupassen. Und das machst du am besten in einer Gruppe von Freunden. Die zeigen dir, was möglich ist, sie bringen dich auf neue Ideen. Und so erhöht sich auch das Spektrum deiner Möglichkeiten.

Bist du im Alter von 31 Jahren noch dabei, deine persönliche Risiko-Skala zu erhöhen? Oder wird die so langsam aber sicher reduziert?
Tatsächlich nehme ich mir inzwischen vor, das Risiko meiner Aktionen zu begrenzen. Leider bin ich darin nicht besonders gut. Wenn ich zu Hause in British Columbia bin, lasse ich doch wieder jede Menge gewagter Sprünge raus.

Warum gerade dort?
Die Umgebung von Kamloops ist sehr nachsichtig, es gibt viele freie Flächen ohne Felsen oder Bäume. Und der Boden ist weicher als an anderen Orten. So kannst du auch mal stürzen, ohne dich zu verletzen. Der Fokus liegt aber definitiv nicht auf riskanten Aktionen, sondern auf weiteren Reisen.

Welche Projekte stehen an?
Also, das nächste Projekt steht direkt an: Ich muss meinen Sohn füttern. Dann geht’s nach Österreich zu einem Event mit meinem Sponsor Specialized. Und in den kommenden Monaten würde ich gerne mal hoch in den Norden, irgendwohin, wo es kalt ist. Ja, und Neuseeland soll wirklich fantastisch sein.

Dann kommst du zurück ins beschauliche Kamloops – und stellst fest, dass es zu Hause doch am schönsten ist?
Ich denke, schon. Hier habe ich meine Freunde und meine Familie. Hier sind die Trails, die ich seit meiner Kindheit fahre. Und für mich sind das noch immer die besten, die ich auf der ganzen Welt gefunden habe …


Matt Hunter im Interview: Die schönsten Biketrails der Welt / Bild: Red BullDER FREERIDER
Matt Hunter wurde am 12. Juli 1983 in Kamloops (Kanada) geboren. Seine Karriere als Profi begann im Jahr 2003 – nachdem er mit einem selbstproduzierten Video den Wettbewerb „Ultimate Freeride Challenge“ gewann. Seitdem nahm der Kanadier zwar an einigen Bike-Contests teil, konzentrierte sich aber auf die Produktion von Fotos und Filmen. Die beiden bekanntesten unter ihnen sind „Follow me“ sowie „Seasons“. Seine Freizeit verbringt Matt Hunter am liebsten beim Angeln, Surfen oder Skifahren. Er ist verheiratet, hat einen neun Monate alten Sohn und lebt in seinem Geburtsort Kamloops in British Columbia.



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