Schön. Scharf. Schwarz. Das exklusive Specialized S-Works Ultralight im SPORTaktiv-Test. Es war mit uns am Glockner, bei der Rad-WM und musste auch zum schnöden Pendeln herhalten. Geht das?

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Specialized kann gar nicht anders, als alles mit einer Portion Humor zu würzen. Die Kalifornier stellen ihre Produkte oft mit witzigen Videos vor, lassen ihre Ingenieure kuriose Experimente machen und sorgen so für lässigen Spirit in der manchmal todernsten Bikebranche. Innovate and laugh or die! So ist es auch zu verstehen, wenn die Amerikaner auf ihre im hauseigenen (!) Windtunnel aerodynamisch optimierten Komponenten WINTUNNEL aufdrucken, wie auf den am Testbike verbauten spektakulären CLX50-Laufrädern. Zum Siegen sind sie halt verdammt.

„Black is beautiful“ bestätigen Designer und modische Non-Konformisten. Und das trifft vor allem auf dieses Tarmac zu, das komplett in mattem Schwarz gehalten ist. Einzig Ritzelpaket, Kette und die Seitenfläche der Reifen (Skinwall, leicht gelblich, was einen mörderischen Kontrast zum Rad wirft) sind nicht schwarz. Damit provoziert man Reaktionen, wie es die schrillsten aller Bikes nicht schaffen. „Wow, ist das schön!“, entlockt das Rad selbst Leuten, die sonst wenig Ahnung von superedlen Rennrädern haben, aber ein gutes Gespür für Ästhetik zu besitzen scheinen. „Alles Karbon?“. Ja, alles. Viele Teile gibt es nicht, die nicht aus den edlen Karbonfasern sind. Und alle davon stellt Specialized selbst her. Auch in diesem Bereich der eigenen Komponenten kann den Amerikanern niemand das Wasser reichen. Nur Schaltung und Bremsen stammen nicht von „The Big S“ selbst.

Ach ja, der Vollständigkeit halber: Es handelt sich bei unserem Testobjekt der Begierde um die S-Works-Version des Tarmac, also die bestmögliche Serienversion – und die wurde als federleichte „Ultralight“-Edition noch gepimpt. 6,30 kg haben die Kollegen mit der genauesten Digitalwaage gemessen. Damit ist das Geschoss leichter als die Tarmac-Versionen, mit denen Peter Sagan, Julian Alaphilippe und Co. bei Tour de France und Giro (UCI-Gewichtslimit von 6,8 kg) von Erfolg zu Erfolg reiten.

Ausstattung in aller Kürze: Deluxe.

Ins Auge stechen neben den spektakulär leichten und supersteifen 50 mm-Aerofelgen  bei den Ausfahrten vor allem die Reifen. Die Frage „Wie breit sind die denn???“ musste man den im Windschatten der Schönheit hechelnden Kollegen oft beantworten. Neben „Hell of the North“ ist auf dem Modell Turbo Cotton die moderne Reifenbreite von 26 mm aufgedruckt. In der Realität messen die Reifen auf der Aerofelge aber exakte und noch modernere 29,8 mm. Fast wie bei Gravelbikes! Weil das Profil aus kleinen, unterschiedlich hohen Noppen besteht, wirken die Pneus imposant und sorgen mit dem Resonanzraum des Karbonrahmens für einen spacigen Sound beim Abrollen. Ganz feine Kunst ist auch der Übergang der Sitzstreben in den Rahmen und die Anbindung zur tropfenförmigen Sattelstütze. Well done!

Die Frage aller Fragen: Wie fährt sich so eine Luxusrakete, die – das kann man auch kaum verschweigen – mit 9999 Euro wohl für die wenigsten Normalsterblichen in Frage kommt? Schnell, wäre die Kurzantwort. Etwas weiter ausgeholt darf man anmerken, dass das für den Tester (188 cm, 90 kg) wunderbar kompakte Tarmac in 56er-Rahmengröße (Rahmengewicht nur 733 Gramm!) auf den ersten Eindruck jetzt gar nicht sooo außergewöhnlich zu fahren ist. Alles ist dort, wo es auch bei anderen Rennern ist, angenehme, racige Sitzposition, megasteifer Rahmen, es rollt. Das Handling ist – wie erwartet – Weltklasse und messerscharf.

Der wahre Aha-Effekt stellt sich beim Blick auf Tacho und Fahrdaten ein. Das Tarmac scheint immer zwei, drei km/h schneller zu rollen als unsere Referenzräder. Wo du sonst 35 km/h fährst, fliegst du am Tarmac mit 38 km/h. Ist es die verbesserte Aerodynamik im Gesamtpaket? Ist es die Freude an der puren Umsetzung der Pedalkraft? Schwer zu verifizieren. Fachmagazine adeln das Tarmac jedenfalls als „bestes Rennrad des Jahres“ und Specialized selbst unterstreicht den Speed, indem sie der Rakete aus dem Win(d)tunnel eine 45-Sekunden-Zeitersparnis auf 40 km Strecke attestieren. Unter realen Bedingungen (echter Wind…) schwer zu bestätigen, aber auch schwer zu widerlegen. Für Rennfahrer im Kampf um jede Sekunden sicher eine Option.

Und ja, wir haben das Profigerät auch für die schnöden Pendler-Fahrten ins Büro benutzt. Und da, lieber Chef, waren wir tatsächlich immer ein paar Momenterl früher am Arbeitsplatz. Im Morgenverkehr an der Ampel erntet man für den matten Schönling übrigens interessante Blicke der anderen City-Radler. Von Habenwollen bis Wer-is-er-bitte?

Eines am Tarmac verlangt eine erfahrene Hand und hat uns auch ein paar brenzlige Situationen verschafft: Das Bremsverhalten der Carbon-Laufräder ist gewöhnungsbedürftig, im Regen auf Alpenpässen eine echte Challenge, da wünscht man sich dann doch die Scheibenbremsen-Variante. Und bei Seitenwind und Böen hat man bei den hohen Felgen auch alle Hände voll zu tun. Was soll‘s? Black Beauty lässt sich auch nicht von allen reiten.

 

Specialized Tarmac S-Works Ultralight

Specialized Tarmac S-Works Ultralight

Rahmen:S-Works Tarmac SL6
Laufräder:Roval CLX 32, 32 mm depth
Gabel:S-Works FACT carbon
Schaltung:Shimano Dura-Ace Di2 9150, 11-speed
Bremsen:dura ace
Preis:€ 9.999,–
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