Noch nie am Bike und dann gleich ein Bikepark und Flowtrail? SPORTaktiv von 0 auf 100.

Die Zeit ist gekommen und wir folgen dem Ruf des Trails. Meine Hände zittern vor Aufregung und meine Beine werden plötzlich ganz weich. Ich bin angespannt, verkrampft und in meinem Kopf spielen sich erste Sturzszenarien ab. „Grundposition“, ruft mir der Guide zu, und bevor ich losstarte, nicke ich den anderen noch locker flockig zu, um meine Unsicherheit zu überspielen. Obwohl ich innerlich unruhig bin, ein flaues Gefühl im Magen habe und mein Herz wie verrückt rast. Der Helm und die Knie- und Ellbogenschützer engen mich ein und am liebsten würde ich das Bike einfach hinschmeißen. Wie zum Teufel bin ich hier gelandet und warum tue ich mir das überhaupt an?

Darf ich vorstellen: Die zwei SPORTaktiv-Onlineredakteurinnen Claudia & Nicole. Sportlich, angriffslustig, elegant. Wir beweisen, dass Frauen mindestens genauso gut biken können und überlassen den Herren der Schöpfung das Mountainbikefeld nicht kampflos. Biken als reine Männerdomäne? Fehlanzeige! Wir starten ein kleines Bike-Experiment, bei dem wir als komplette Bike-Neulinge an der Seite eines Mountainbike-Guides einen Tag lang in die Welt der Wexl Trails in St. Corona (NÖ) eintauchen dürfen. 

Das erste Mal
Zur Begrüßung werden wir von Wexl-Trail-Sonnenschein und Bike-Lady Ines in Empfang genommen. Sie selbst ist leidenschaftliche Bikerin und ganz aus dem Häuschen, als sie von der neuen Frauenverstärkung in der Mountainbike-Szene erfährt. Bevor das ganze Bike-Trara losgeht, gibt uns Guide Michi einen kurzen Überblick über den Park und unser Tagesprogramm. Ein unheimlich sympathischer Kerl und ein absoluter Bike-Pro, der seit mehr als zehn Jahren auf dem Fahrrad unterwegs ist. 

Wir starten mit einer Theorie-Session und Michi erklärt uns die Basics des Bikens und der Fahrtechnik. Dabei jongliert er nur so mit exotischen Bike-Begriffen und ich muss gestehen, dass ich außer der Hardware eines Fahrrads, wie Lenkung und Sattel, so gut wie nichts kannte. Das Fahrrad war für mich immer ein funktionelles Ding. Abgesehen davon, dass ich als Kind zur Schule geradelt bin oder während meiner Studienzeit mit blumengeschmücktem Stadtrad in Wien herumgekurvt bin, habe ich das Bike nie als Sportgerät benutzt. 

Mach den Gorilla!
Für unser Trockentraining geht es zum Parkplatz. Um zunächst einmal ein Gefühl für das Fahrrad zu bekommen, schieben wir das Bike neben uns entlang, von links nach rechts, zuerst mit beiden Händen, danach mit nur einer Hand, am Asphalt, dann auf Schotter. Wir lernen die Grundlagen der Kurven- und Bremstechnik, indem wir entlang von Hütchen Slalom fahren oder mit hoher Geschwindigkeit anfahren, um danach rasch zu bremsen. „Jetzt üben wir die Grundposition des Bikens und machen den Gorilla“, schmunzelt uns Michi zu. Im selben Moment treffen sich Claudias und mein Blick: „Zwei Grazien und eine machohafte Gorillahaltung? Schlechter Scherz!“ Doch ehe wir darüber nachdenken können, wie dämlich wir als aufgeplusterte Gorillas am Bike aussehen würden – schwups, sind wir schon in der Grundposition. Bei dieser Haltung liegt der Körperschwerpunkt zentral über dem Tretlager und man steht mit angewinkelten Beinen auf den Pedalen, Arme sind ebenfalls angewinkelt. So kann man beispielsweise bei Hindernissen schneller reagieren. 
Ach, und Balance am Bike? Negativ! Während ich in meinen Yogakursen nur so vor Ausgeglichenheit strotze, ist beim Biken auf einmal die Balance weg. Futsch. Erst nach mehrmaligem Probieren schaffe ich es, mit vorausschauendem Blick durch zwei parallel aufgelegte Schnüre zu fahren.

Doch es hilft alles nix und wir müssen jetzt beweisen, was wir draufhaben, und wagen uns zum Mini-Bikepark. Der Mini-Bikepark ist der Ort, an dem Väter Freudentränen vergießen, weil der jüngste Nachwuchs zum ersten Mal am Laufrad den Parcours fährt. Hier schreiben die jüngsten Biker Geschichte. Inklusive Claudia und mir. Zum ersten Mal fahren wir den Parcours und zirkeln durch die Anlieger-Kurven, bevor es auf die „echten“ Trails geht.

Freiheit und Flow
Biken fordert nicht nur Körper, sondern auch Geist. Wenn du einen Trail fährst, brauchst du hundertprozentige Fokussierung. Ein besonderer Thrill sind die Sekunden, bevor du in den Trail einsteigst, wenn das Herz ein bisschen schneller pocht und du es kaum erwarten kannst, loszulegen. Das schärft noch mal die Sinne und verhilft einem zu mehr Entschlossenheit. Du spürst die Kontrolle über das Bike und gleichzeitig ist es eine Lockerheit und ein Gefühl von Leichtigkeit, das den ganzen Körper durchflutet. 

Der Flowtrail schlängelt sich zwar relativ flach durch den Wald, beansprucht mich aber trotzdem und bei den Kurven muss ich meine Geschwindigkeit oft drosseln, um nicht aus der Bahn zu geraten und sie sauber auszufahren. Wir sporteln auf eine spielerische Art und Weise. Fazit: Vorausschauend fahren, nicht zu schnell werden, Kurven nicht unterschätzen, rechtzeitig bremsen und darauf achten, das Körpergewicht möglichst zentral zu halten. Am Ende sind wir richtig k.o., aber auch ein bisschen stolz über unseren schnellen Fortschritt. Zugegeben, richtig biken lernt man zwar nicht an einem Tag, doch mit den richtigen Tricks kann man einiges rausholen. Es war ein absolutes Privileg, einen Tag lang von einem echten Bike-Pro lernen zu dürfen. Besonders cool fand ich den gemeinschaftlichen Spirit und den haben wir definitiv auch bei den Wexl Trails zu spüren bekommen.

In unserer Leistungsgesellschaft dreht sich ohnehin immer alles um „schneller, höher, weiter“.  Am liebsten würden wir jeden Schritt, jeden Kilometer und jeden Höhenmeter messen. Beim Biken habe ich das Gefühl, dass der Moment zählt und dass der Spaß im Vordergrund steht. Sobald man sich am Bike sicher fühlt, den Moment genießt und im „Flow“ ist, bringt der Sport ein unheimliches Freiheitsgefühl mit sich. Für zwei Online-Redakteurinnen war die Premiere auf den Trails jedenfalls ein kleiner Meilenstein und die Grazien können sich nur allzu gut vorstellen, künftig noch öfter in die Pedale zu treten und zum Gorilla zurückzukehren.