Auf Sloweniens höchsten Gebirgspass mit einem Klappfahrrad: Der beste Weg, eine Fahrradphobie zu therapieren.

Klaus Höfler

Radfahren? Ich gestehe, nicht so meins. Für auf sauteuren Carbonrahmen erschwitzte Kilometerfressereien habe ich bisher eher wenig Begeisterung aufbringen können. Übermenschlichen Wattleistungen begegnete ich mit überzeugter Wurschtigkeit. Aber das emotionale Embargo hat Risse bekommen. Tiefe Risse. Schuld ist ein Klapprad der slowenischen Firma Rog, die ab den 1960er-Jahren drei Jahrzehnte lang ein Modell mit dem Namen „Pony" produzierte. Ein Verkehrsmittel für alle Alltagssituationen im damaligen Jugoslawien. So eine Art gelebter Sozialismus auf 20-Zoll-Reifen. Das puristische Gerät wurde zum Kultgegenstand – und Hauptdarsteller eines Radrennens auf Sloweniens höchsten Gebirgspass, den „Vrsic". „Goni Pony" nennt sich das.

Wobei Rennen? Beim „Goni Pony" gelten eigene Gesetze. Strenge: Keine Gangschaltung. Keine Carbonteile. Keine Clips. Also alles „by fair means". So wie der Drahtesel einst vom Förderband galoppierte, so muss er hier am Start stehen. Schnörkellos und echt. Auch für modernere Nachbauten gelten diese ausstattungsmäßigen Diätvorgaben. Mein ausgeborgtes Wettkampfgerät ist aber ohnehin ein Original von einst. Auch optisch macht es einiges her. Der Rahmen strahlt in Hellblau, das Kotblech hinten ist in stilsicherem Altrosa lackiert, vorne im subtilen Mattgold. Das bei der Übergabe andächtig-warnend hingegurgelte „But take care, it's hot stuff!" erhöht den Respekt vor dem legendären Oldtimer. Nur: Damit um die Wette einen Berg hinaufradeln?

LACHEN UND BELÄCHELN
Das mit dem Wettkampf ist aber eh relativ. Zwangloser Massenstart. Man überholt und wird überholt. Umkurvt und wird umkurvt. Lacht und wird belächelt. Spätestens bei der Tafel, die den Beginn des Nationalparks markiert, werden die Tritte aber langsam langsamer, der Puls dafür schnell schneller. Es geht erstmals zart bergauf. Es ist ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt.

Selbst mit ergonomisch angepasster Rahmenarchitektur aus federleichtem Weltraumleichtmetall und zwanzigteiligem Gangmenü wäre das hier keine Kinderjause. Aber mit dem seltsam wackeligen wie dennoch starr-störrischen „Pony" unter dem Hintern wird's zum Husarenritt. Und es sieht wohl auch so aus. Denn die spartanischen Röhrenrahmen mit ihren bis zum Anschlag herausgezogenen Sattelstangen und den zarten Lenkergeweihen sehen unter den sich abquälenden Erwachsenenkörpern aus wie unfertig vergrößerte Kinderfahrräder. Dabei sind wir erst bei Kehre 3.

WER SEIN PONY LIEBT, DER SCHIEBT
In 50 Haarnadelkurven windet sich die Passstraße den Berg hinauf. Teilweise sind sie mit Kopfsteinpflaster tapeziert. Das macht's nicht einfacher. Dafür geselliger. Denn immer wieder schiebt sich das Feld vor diesen Kehren zusammen. Wer sein Pony liebt, der schiebt, heißt es dann für die meisten. Gleichzeitig werden jene, die die Zähne zusammenbeißen und durchtreten, sportlich fair angefeuert. Und obwohl Laufen beim Schieben verboten ist, vergeht die Plackerei eigentlich viel zu schnell. Für den Sieger in 52 Minuten. Ich genieße die Laktatparty eine Viertelstunde länger.

Wobei der echte Höhepunkt ja erst kommt: die Talfahrt. Im Pulk mit Gleichverrückten auf wackeligen Klapprädern eine Bergstraße hinunterzuheizen hat etwas Bubentraumhaftes. Und Lehrreiches. Ich weiß jetzt, dass Rücktrittbremsen bei Überbeanspruchung nicht nur laut zu quietschen beginnen, sondern auch heiß laufen und stinken. Die Bremswirkung lässt ziemlich schnell ziemlich überzeugend nach.

Um dem Spaß die Gefahr zu nehmen, werden die Trinkwasserstationen vom Hinaufradeln beim Downhill in Erste-Hilfe-Stationen für malträtierte Hinterradnaben umgewandelt. Trifft das in Feuerwehrschläuchen, Spritzpistolen und Planschbecken zur Abkühlung bereitgestellte Wasser auf die heißen Metallteile, zischt und dampft und raucht es, dass es eine Freude ist. Kurz gewartet. Und schon wird wieder getreten, was die Mühle hergibt. Ich gestehe: Wenn Radfahren Ponyreiten ist – voll meins!

Zum 3. Mal wurde beim „Goni Pony"in Slowenien Anfang Juni von Kranjska Gora (810 m) auf den Vrsic-Pass (1.611 m) gefahren. Das Spektakel in Zahlen: 13,5 km, 801 hm, 20 Zoll, 1 Gang.