Der Vorsatz, sich gesünder zu ernähren, beschäftigt Männer und Frauen nicht nur zu Silvester. Aber wie diese gesunde Ernährung konkret aussehen sollte, das ist zwischen Männlein und Weiblein doch verschieden – wie uns Ernährungsmediziner Meinrad Lindschinger in seinen Ausführungen über "Gender Food" aufklärt.


Ob bei Mountainbikes, Laufschuhen oder anderen Sportgeräten: Die Erkenntnis, dass Frauen nicht bloß mit kleiner ausgeführten Männerprodukten abgespeist werden können, sondern grundlegende eigene Bedürfnisse haben, hat sich längst durchgesetzt. Bei der Ernährung aber wird diese Tatsache meist noch stiefmütterlich behandelt: Was Männern guttut, muss noch lange nicht automatisch für Frauen passen.

Gut, gegen diese These könnte man jetzt einwenden, dass gerade bei der Ernährung von vielen schon ganz instinktiv „gegendert“ wird. Indem etwa Frauen – so sagen es zumindest Klischees – angeblich viel mehr Gemüse essen und auch viel häufiger Süßigkeiten naschen. Männer wiederum verdrücken mit Vorliebe große Stücke Fleisch. Laut verschiedenen Untersuchungen haben solche Klischeebilder durchaus oft einen wahren Kern – allerdings sollen sie nicht das Thema dieser Geschichte sein. Für die Gesundheit ist nämlich nicht wichtig, was die Vertreter der beiden Geschlechter gern essen, sondern was sie essen sollten. Denn gerade da gibt es feine, aber entscheidende Unterschiede zwischen Mann und Frau. Und die Wissenschaft hat auch einen Namen für dieses geschlechtergerechte Essen: „Gender Food“.

Der menschliche Instinkt, der angeblich seit Urzeiten bis heute noch die traditionelle Ernährungsweise bestimmt, sei hier nur mit einem Satz des SPORTaktiv-Ernährungsexperten Dr. Meinrad Lindschinger abgehandelt: „Der Gusto ist leider kein guter Ratgeber. Bei dem geht es primär um mentale und orale Befriedigung. Vom Bedarf an Vitaminen und anderen Mikronährstoffen hat der Geschmack aber leider wenig Ahnung“, schmunzelt der Ernährungsmediziner.

FRAUEN SIND BENACHTEILIGT ...
Weniger zum Schmunzeln ist aber die Tatsache, dass Frauen, wie so oft, auch in Sachen Ernährung benachteiligt sind. Und das, obwohl sie sich im Schnitt tatsächlich besser, gesünder und bewusster ernähren als Männer. Dr. Lindschinger hat in einer Auswertung von fast 800 Daten von Patient/-innen herausgefunden, „dass Frauen im Schnitt häufiger durch freie Radikale belastet und nährstoffunterversorgt waren als Männer. Die Wahrscheinlichkeit von Spätfolgen und späteren Erkrankungen war bei ihnen also größer.“

Der Mediziner erklärt dies vor allem durch Stress wegen der heute üblichen Mehrfachbelastung vieler berufstätiger Frauen mit Haushalt und Kindern (was, allen gegenteiligen Bestrebungen zum Trotz, in vielen Familien nach wie vor reine Frauenangelegenheit wäre …). Und dazu kommt noch der spezifisch weibliche Hormonstatus. „Letztlich kann man aus der Studie klar herauslesen, dass Frauen trotz eines geringeren Energiebedarfs – sie sind in der Regel ja kleiner und leichter als Männer – noch mehr Nährstoffe brauchen als Männer! Und zudem auch andere Schwerpunkte in Sachen Nährstoffversorgung setzen müssen. Und damit ist auch logisch erklärbar, dass sich die Ernährungsweisen von Mann und Frau unterscheiden sollten.“

... MÄNNER BERATUNGSRESISTENT
Bevor sich jetzt aber aufgrund der Studie die Männer zufrieden zurücklehnen und glauben, dass sie – von Natur aus bevorzugt – nur ihren männlichen Instinkten beim Essen und Trinken vertrauen müssen, um gesund über die Runden zu kommen, seien sie gewarnt: Die 800 Studienteilnehmer waren als Kunden am Institut für Ernährung und Stoffwechselerkrankungen schon von sich aus an gesunder Ernährung interessiert. Und das ist nicht wirklich typisch Mann. „Wenn Männer einmal das Thema gesunde Ernährung für sich entdeckt und als wichtig erkannt haben, dann sind sie oft noch disziplinierter als Frauen“, so die Beobachtung des Mediziners. „Allerdings gibt es gerade auf männlicher Seite viele völlig ,beratungsresistente‘ Zeitgenossen.“ Und dieser Spezies Mann kann’s wirklich nicht schaden, sich auch einmal damit auseinanderzusetzen, ob das, was ihm schmeckt, auch wirklich optimal für sie ist.

Wo liegt denn nun der Unterschied zwischen Männer- und Frauenbedürfnissen? Einerseits natürlich im Kalorienbedarf – bei gleicher Aktivität kann „Mann“ im Schnitt etwa 20 Prozent Mehrbedarf einkalkulieren. Aber dazu kommen noch zahlreiche kleine Details, die den feinen Unterschied beim Nährstoffbedarf - und damit natürlich bei der Auswahl der Zutaten – ausmachen. Zum Beispiel:

FRAUEN BRAUCHEN MEHR …

  • Broccoli, rote Rüben, Spinat: Denn diese „Powergemüse“ sind besonders reich an Eisen und Folsäure – was sie für die Blutbildung und einen gut funktionierenden Sauerstofftransport benötigen. Vor allem die Monatsblutung bedingt einen signifikant höheren Bedarf an Eisen, Folsäure ist in der Schwangerschaft besonders wichtig. Broccoli und Spinat sind zudem auch besonders reich an Calcium.
  • Mageres Schweinefleisch: Für alle, die Fleisch mögen: Es ist ideal, um den Mehrbedarf an Eisen und Folsäure zu decken.
  • Milch, Schafmilch, Magertopfen: Sie liefern ebenfalls viel Calcium, was Frauen für Zähne und Knochen gut brauchen können. Um der Formel „viele Nährstoffe, wenig Energie“ gerecht zu werden, sind fettreduzierte Varianten der Milchprodukte ideal. Magertopfen und Schafmilch sind außerdem Vitamin B-12-Bomben. Dieses Vitamin sorgt bei ihr für positive Stressreaktionen, es erhöht die Lebensfreude und stärkt die Nerven.
  • Lachs: Dieser beinhaltet neben dem schon erwähnten Vitamin B12 auch sehr viel Vitamin D – eine „Universal-Wunderwaffe“ für Zähne und Knochen und ein starkes Immunsystem.
  • Avocados: Die bei vielen Frauen zu Recht beliebten Früchte sind ebenfalls hervorragende Vitamin-D-Lieferanten.


MÄNNER BRAUCHEN MEHR …

  • Linsen, Kartoffeln, Hirse: Da ist überall besonders viel Zink und Selen drin. Zink ist für die Produktion von Testosteron sowie für wichtige Stoffwechselvorgänge verantwortlich, Selen senkt das Risiko für Prostatakrebs. Linsen und auch Haferflocken haben zudem den Vorteil, besonders reiche Vitamin-B-Spender zu sein. Dieses Vitamin schützt männliche Gefäße.
  • Forelle - denn die ist ein richtiger „Männerfisch“. Auch sind in der Forelle Zink und Selen sowie zusätzlich Magnesium in reichem Ausmaß vorhanden. Vor allem männliche Sportler haben einen erhöhten Magnesiumbedarf.
  • Spinat – noch eine reiche Zink-, Selen- und Magnesiumquelle. Popeyes Lieblingsessen tut also Frauen und Männern gleichermaßen gut.
  • Bananen: Sie sind reich an Zink, Selen und Magnesium und daher zum Frühstücksmüsli oder nach dem Sport für ihn ideal.
  • Kürbiskerne – sind eine „Geheimwaffe“ für die Prostatafunktion, und außerdem reich an Vitamin E – einem für Männer besonders wichtiges Antioxidans.
  • Emmentaler: Unter den Käsesorten ist Emmentaler jene, die den Männern überdurchschnittlich guttut wegen seines Vitamin-E-Reichtums. Vorsicht: Wegen des hohen Fettgehalts ist maßvolles Zugreifen geboten.
  • Schweinefleisch – liefert ebenfalls Zink, Selen und B-Vitamine.


MÄNNER AN DEN HERD!
Bleibt noch das leidige Thema mit dem Selbstzubereiten statt auf Fertigprodukte zurückzugreifen oder auswärts zu essen. Daheim zu kochen ist immer noch der beste Garant dafür, dass man auch möglichst viele der gesunden Bestandteile aus Lebensmitteln herausholt. Hier sind Frauen wieder im Vorteil: Laut österreichischem Ernährungsbericht 2010 sind Männer nach wie vor Kochmuffel – nur 13 Prozent stellen sich mindestens viermal in der Woche selbst an den Herd. Bei den Frauen sind es mit 66 Prozent fast fünfmal so viele. Allerdings zeigen Studien auch immer wieder, dass Frauen mit Familie überwiegend Gerichte nach männlichen Vorstellungen zubereiten und eigene Bedürfnisse hinten anstellen. Zumindest für die Männer ergäbe sich daraus – im Sinne ausgleichender Gerechtigkeit – ja ein möglicher Neujahrsvorsatz: Ab an den Herd, und der Partnerin zuliebe gleich einmal ein richtig feines Gericht mit vielen „weiblichen“ Zutaten zaubern …


Prim. Dr. Meinrad LindschingerDER EXPERTE
Prim. Dr. Meinrad Lindschinger ist FA für Innere Medizin, Ernährungsmediziner und Begründer des
Ernährungskonzepts functional eating. Er ist ärztlicher Leiter am Institut für Ernährung und Stoffwechselerkrankungen, der Kurkommission Laßnitzhöhe sowie Lektor an der Fachhochschule Joanneum Gesundheitsmanagement im Tourismus mit dem Schwerpunkt Ernährung und Stoffwechsel. Weiters hat er die wissenschaftliche Leitung der ersten österreichischen Apfel, Obst und Gemüse Akademie inne. Seit Jahren gilt er als Experte im Bereich Gesundheit, Ernährung, Stoffwechsel und oxidativer Stress.

Kontakt:
www.lindschinger.at


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