Endlich hat sie wieder begonnen – die Draußen‐Rad‐Saison. Man erkennt sie vor allem daran, dass die Aggressivität und die Wutanfälle bei den Autofahrern wieder zunehmen. Es vergeht eben kaum eine Radeinheit, in der man als Radfahrer nicht wüst insultiert wird - auch wenn man sich vollkommen korrekt an die Straßenverkehrsordnung hält. Es ist eben suboptimal, wenn nur Radfahrer diese mysteriöse StVO kennen.

Von Nicole Weiss / unicorn-racing.com


Mein Highlight aus der letzten Saison war sicherlich die Beschimpfung aus dem Beifahrerfenster durch einen Fahrlehrer, während sein Schüler am Steuer saß. Ich war alleine unterwegs, wäre ich noch weiter rechts gefahren, wäre ich den Hang runtergefallen. Die Straße war völlig leer und übersichtlich, aber dennoch tuckerte das Fahrschulfahrzeug ewig hinter mir her. Daher fuhr ich bei der nächsten Gelegenheit in eine leere Bushaltestelle und ließ das Fahrzeug passieren.

Während des Überholvorgangs dann der überaus kompetente Fahrlehrer: „Danke, du Treapn. Host endlich kapiert, dosst di schleichen sollst!?". Für die Nicht‐Kärntner unter uns die Übersetzung: „Vielen Dank, Sie stereotype Dame mit verminderter Hirnaktivität. Haben Sie endlich verstanden, dass Sie sich besser von der Straße entfernen sollten!?" Den Kindern ein Vorbild eben.

An die propagierten 1,5 Meter Abstand zum Radfahrer hält man sich als Autofahrer, der etwas von sich hält, natürlich auch nur bedingt. Wie sollte man das Überholmanöver in einer 30er-Zone auch sonst durchführen, wenn der Radfahrer mit 30 km/h unterwegs ist? Wir Pedalisten kennen uns eben überhaupt nicht aus. Da hilft es auch wenig, dieses tolle Trikot zu tragen. Dieses war übrigens das sensationelle Startergeschenk bei meinem ersten Sprittriathlon. Ich habe das Rennen zwar absolut versaut, das Trikot war die Teilnahme aber auf jedem Fall wert.

Insgesamt bemerke ich aber immer wieder, dass es die ob der reinen Anwesenheit von Radfahrern erzürnten Autofahrer am meisten irritiert, wenn man ihnen bei ihren aggressiven Verbalattacken nicht auf gleichem Niveau begegnet. So brachte ich schon mal einen Autofahrer, der mir in der Warteschlange vor einer Ampel in gewohnt unfreundlicher Manier mitteilte, dass ich den ganzen Verkehr aufhalten würde, vollkommen aus dem Tourette‐Konzept, als ich mit einem Lächeln erwiderte: „Vielen Dank für Ihr konstruktives Feedback. Streng genommen hält aktuell aber die rote Ampel den Verkehr auf." Er sagte darauf nichts mehr.

Bei meiner ersten Ausfahrt in dieser Saison blieben solch erquickende Szenarios aber glücklicherweise aus. Dafür tat sich schnell ein anderes „Problem" auf, nämlich: Mit welchem Rad sollte denn gefahren werden?

Für das Triathlon‐Rad war es mir eigentlich noch zu früh, denn wenn ich mit diesem Gerät fahre, muss zumindest halbwegs performt werden, um das arme Ding nicht zu beleidigen. Also wurde es das Rennrad. Jedoch besitze ich ja nur eine Radjacke, standesgemäß in rosa, passend zum Triathlon‐Geschoss. Aber in einer rosa Jacke auf ein rotes Rennrad? Wollte ich so eine Farbkonstellation riskieren? War ich im März schon bereit für ein solch krasses Colour‐Blocking? Warum wird eigentlich so ein Styling‐Dilemma nie in den Fashion‐Magazinen thematisiert (wohl, weil who the hell cares? ... außer mir eben).

Rosa und rot zu kombinieren widerspricht aber einfach in jeder Hinsicht meinem persönlichen Stil, dafür bin ich nicht Rebellin genug. Daher wurde improvisiert und die schwarze Laufjacke musste herhalten. Mir war ja im Vorfeld schon klar, dass die erste Ausfahrt keine sportliche Glanzleistung werden würde, da reichte auch die disziplinfremde Oberbekleidung. Und grandios war die Leistung in der Tat nicht. Viel mehr fühlte ich ein stetes Auf und Ab und das nicht nur aufgrund der selektiven Strecke.

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Der übermotivierte Part in mir klickte mit der Einstellung „Du hast in den Wintermonaten brav auf der Rolle trainiert, also bist du sicher um mindestens 10 km/h schneller – Dani Ryf is the limit!" in die Pedale ein, während die Realistin in mir sagte: „Immer mit der Ruhe! Seien wir mal froh, wenn du Pfeife die Pedale überhaupt findest und bei der ersten Steigung nicht kollabierst!".

Landschaftlich war es, wie in Kärnten üblich, ein wahrer Höllenritt. Schneebedeckte Berge in der Ferne, tiefblaue Seen und warme Frühlingssonne – da hätte man ja gleich im heimischen Wohnzimmer auf der Rolle bleiben können. Auf diese Rolle wollte ich aber gerne immer wieder mal
zurück, denn die ersten langgezogenen Anstiege waren fürchterlich anstrengend und ich fragte mich, was ich eigentlich im Winter gemacht hatte – tatsächlich trainiert oder doch nur Yoga und ein bisschen Origami falten ...

Zu spät bemerkte ich erst, dass ich einige der Anstiege am großen Kettenblatt anfuhr, weil es ja in der Ebene schon so gut und flott dahinging und ich auf das Schalten vergessen hatte. Tja, die schönen Fehler der ersten Ausfahrt. Glücklicherweise kollabierte ich aber dennoch nicht, auch nicht bei den richtig fiesen Anstiegen. Vielleicht hatte ich also doch brav genug auf der Rolle trainiert? Oder war ich einfach nur zu entspannt und daher eigentlich zu langsam unterwegs? Schon begann wieder der Kampf der motivierten und der entspannten Gehirnhälfte. Musste ich denn nicht bei der ersten Ausfahrt schon neue Bestzeiten aufstellen? Oder durfte ich auch einfach mal das „Draußen-fahren" genießen und wieder in den Flow zurückfinden?

Bei der ersten Ausfahrt gewann auf jeden Fall der entspannte Part in mir, der sich einfach nur über die ersten Kilometer in der freien Wildbahn ohne Insultierungen durch Autofahrer freute. Das ernste und übermotivierte Ich musste einfach mal die Klappe halten ... und wartet jetzt auf das Radtrainingslager in Italien!

Hobbytriathletin und Bloggerin Nicole Weiss / Bild: unicorn-racing

Die Bloggerin

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