Wie in jedem Beruf gibt es auch im Profisport Stress-, ja sogar Burn-out-Opfer. Selber habe ich zwar nie einen Fall in meinem Umfeld erlebt, aber zum Beispiel einen Kollegen gehabt, der in eine echte Trainingssucht hineingeraten ist. Wenn der erzählte, dass er abends ins Kino geht, ging er tatsächlich heimlich im Wald trainieren ...

Von Christoph Sumann


Heute weiß ich auch, dass ich zweimal knapp daran war, aus falschem Ehrgeiz auszubrennen. Einmal hat mich nur mein Übertritt vom Langlauf zum Biathlon gerettet. Das zweite Mal war 2008, wo ich alles hinschmeißen wollte. Ich glaube, dass es im Profisport eine Burn-out-Dunkelziffer gibt – und dass so manches Karriereende in Wahrheit darauf zurückzuführen ist.

ZIELE OHNE LEISTUNGSDRUCK
Jetzt als Freizeitsportler freut’s mich, keinen Leistungsdruck mehr zu haben. Sport macht den Kopf frei, ist ein Ausgleich zum fordernden Alltag. Es gelingt mir heute, beim Laufen und beim Radeln richtig abzuschalten. Aber eben nur, wenn es stressfrei abläuft. Dass das auch wirklich so bleibt, darauf achte ich schon bei meiner Saisonplanung: Vienna City Marathon (12. April), Salzkammergut Trophy (11. Juli), Ötztaler Radmarathon (30. August) – meine Events verteilen sich über die ganze Saison, und es bleibt mir, für meinen persönlichen Leistungslevel, genügend Zeit, um eine ernsthafte Vorbereitung mit Reservezeiten unterzubringen.

STRESS DER PROFI-AMATEURE
Gleichzeitig staune ich über vieles, was ich von anderen Freizeitsportlern zu hören bekomme. Oder besser gesagt: Es erschreckt mich, wenn ich höre, dass manche neben ihrem Job 20, 25 oder 30 Stunden pro Woche trainieren. Da wundert’s mich nicht, dass schon Familien am sportlichen Ehrgeiz mancher Freizeitathleten zerbrochen sind.
Vollzeit (oder mehr) arbeiten, frühmorgens und in den Abendstunden mit den Umfängen eines Profisportlers trainieren – und zudem ein Familienleben haben? Sorry, ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert. Bei allem Verständnis für sportlichen Ehrgeiz – es gibt schon auch anderes Wichtiges im Leben außer Job und Sport!

ABSCHALTEN LERNEN
Natürlich, als Profi musste ich Egoist sein. Die Familie musste zurückstecken, weil ich dauernd unterwegs war. Und daheim hab ich dann lange den Schalter nicht umlegen können, hab meine Probleme mit heimgebracht. Dabei war es den Kindern doch völlig egal, ob ich Erster oder 31. geworden bin – ihnen war nur wichtig, dass ich wieder einmal zu Hause war. Und zwar nicht nur mein Körper, sondern auch mein Kopf. Und meiner Frau ging es ebenso wie den Kids. Es war ein langer Lernprozess, bis ich das in den letzten Jahren meiner Karriere endlich verstanden habe und auch umsetzen konnte. Und zwar sogar überaus erfolgreich.

DEINE FAMILIE MACHT DICH STARK
Eine Erkenntnis daraus will ich euch mit in dieses Sportjahr geben: Wenn sich ein Training heute einmal nicht wie geplant ausgeht, dann ist das eben so! Wenn mir nur Zeit bleibt für eine Stunde laufen statt der erhofften drei Stunden am Rad? Auch super, besonders gemeinsam mit meiner Frau. Und danach ein gemeinsamer Abend mit den Kids. Das macht auf Dauer stark – und nicht die kompromisslos abgespulten Trainingseinheiten!


Christoph Sumann / Bild: Red Bull Content PoolDER KOLUMNIST
Christoph Sumann
war als Biathlet viele Jahre Weltklasse. Nun ist er selbst aktiv in der Hobbysportszene unterwegs und notiert hier für die SPORTaktiv-Leser seine Erlebnisse, seine Eindrücke und seine Tipps.

Weitere Infos findest du auf www.christoph-sumann.com.


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