Warum es sich lohnt mit einem Race-Allrounder liebzuäugeln – und was sich 2025 in Sachen Technik und Passform am Rennrad zu bedenken gilt.
Quo vadis, Rennrad? „Aktuell entwickelt sich der Rennradmarkt deutlich in Richtung mehr Komfort. Breitere Reifen setzen sich immer stärker durch, Spacer unter dem Vorbau gelten inzwischen nicht mehr länger als uncool“, erklärt uns mit Thomas Terschan, Development Engineer beim heimischen Hersteller Simplon, einer, der es wissen muss, den aktuellen State of the Art am Rennradsektor. Hand in Hand mit besagtem Komfort, erklärt er weiter, gewinnt auch das Thema Compliance zunehmend an Bedeutung. Soll heißen: Selbst Race-Bikes sind heute nicht mehr einfach nur bretthart und unbequem, sondern bieten eine gewisse Nachgiebigkeit und somit mehr Fahrkomfort. Mit dieser einleitenden Einschätzung sind wir auch schon mittendrin im Thema. Denn auch wenn die ganz leichten Kletterbikes genauso wie die in allen Yaw-Winkeln hart an der Grenze der UCI-Regularien rüttelnden Aero-Renner nach wie vor ihre Fangemeinde haben, wenn Endurance-Renner (zunehmend vom Gravel bedroht) nach wie vor eine gute Wahl sein mögen, rücken die Race-Allrounder in jüngster Zeit bei Herstellern wie Kunden zunehmend in den Fokus. Wir haben bei KTM, Specialized und Simplon nachgefragt, was es mit diesen Bikes auf sich hat, wie sich die Denkweise rund um die Sitzposition am Rad verändert und welche Details 2025 unverzichtbar werden.
Kategorisierung
„Grob gesagt lässt sich der Rennrad-Markt in drei Kategorien untereilen“, so Thomas Terschan. Für Einsteiger oder für jene, die hauptsächlich lange Strecken fahren möchten, eignen sich Endurance-Rennräder (oft auch „Allroad“ genannt). Sie weisen in der Regel einen höheren Stack-to-Reach-Wert auf und bieten damit eine aufrechtere, komfortablere Sitzposition. Race-Allrounder sind hier deutlich sportlicher: mit tieferer Front, meist steileren Sitzwinkeln und etwas mehr Reach. Sie richten sich an ambitionierte Hobbyfahrer, die sowohl in den Bergen als auch in der Ebene unterwegs sind. Aero-Bikes schließlich haben nicht zwingend aggressivere Geometrien, verfügen aber über deutlich tiefere Rahmenprofile. Das macht sie meist etwas schwerer, aber (bei hohen Geschwindigkeiten, Anm.) besonders effizient auf flachen Strecken.
Race-Allrounder vereinen ausgefeilte Aerodynamik mit leichtem Gewicht und ausgezeichnetem Komfort.
In den jüngsten Generationen wurden die „Race-Allrounder“ bei den meisten Herstellern deutlich aerodynamischer, ohne dabei auf der Waage oder in Sachen Komfort Abstriche zu machen. Vielfach ersetzen diese Räder auch im Profi-Sport die „Spezialisten“. „Das Specialized Tarmac SL8 ist ein Allround-Race-Bike, mit dem unsere Top-Rider sowohl Bergetappen als auch flache, schnelle Massensprints gewinnen. Klar ist also: Es gibt den perfekten Allrounder, mit dem alle Fahrertypen optimal zurechtkommen können“, gibt Johann Laux, selbst begeisterter Radsportler und „PR Specialist“ bei Specialized Einblick in die höchste Liga des Radsports. „In vergangenen Jahren hatten wir neben dem Aero-Renner Revelator Lisse auch den Vorgänger des aktuellen Revelator Alto als leichten Bergrenner im Programm. Mit der Entwicklung des aktuellen Alto Evo ist es uns gelungen, die aerodynamischen Werte fast auf Niveau des Lisse zu drücken, bei nahezu unverändertem Gewicht zum alten Alto“, verdeutlicht Thomas Pressl von KTM die Entwicklungen. Mit individuellen Lösungen rund um Felgenhöhe, Reifenbreite, Vorbau und Lenker sowie Sattel und Sattelstütze lässt sich, wie es Johann Laux ausdrückt, der Charakter der Allrounder im Sinne eines Simplon Pavo, Specialized Tarmac SL8 oder KTM Alto Evo weiter individualisieren.
State of the Art
Was heute am Rennrad zum guten Ton gehört? Thomas Pressl von KTM sieht hier mittlerweile Carbonrahmen mit hydraulischen Scheibenbremsen in nahezu allen Preisklassen als Standard, auch elektronische Schaltgruppen sind weit verbreitet. Laufräder mit Carbonfelgen werden preislich ebenfalls immer interessanter und drängen in die Mittelklasse, gleichfalls werden auch hier immer mehr einteilige Lenker-Vorbau-Einheiten verbaut. Worin sich alle drei Experten einig sind: Breitere Reifen (in Verbindung mit ebensolchen Felgen) setzen sich immer weiter durch. „Wo vor einigen Jahren noch 23 und dann 25 mm Breite Standard waren, sind heute meist 28, 30 oder 32 mm die beste Wahl. Neue Gummimischungen, Karkassen und breitere Felgen lassen Vorteile hinsichtlich der Dämpfung, des Pannenschutzes, des Grips und gleichzeitig auch des Rollwiderstandes zu“, lohnt sich für Johann Laux das kostengünstige Reifentuning. Außerdem sehen die Insider einen Shift hin zu einem neuen Bewusstsein im Sinne der Ergonomie.
Oft kann ein höherer Lenker sogar bewirken, dass der Oberkörper am Ende tiefer positioniert werden kann.
Passform 2.0
Die Zeiten, in denen man sich in möglichst gestreckte Sitzpositionen zwingen musste, um „schnell“ zu sein, sind Gott sei Dank passé. Der Trend geht sogar bei Profis mittlerweile zu „komfortableren“ Sitzpositionen, auch Spacer unter dem Vorbau sind mittlerweile en vogue.„Oftmals kann ein höherer Lenker sogar bewirken, dass sich der Körper dadurch entspannt und der Oberkörper am Ende sogar tiefer (aerodynamisch vorteilhafter) positioniert werden kann, als mit tiefem Cockpit“, gibt Bernd Hassmann, Body Geometry Bike Fitting Experte bei Specialized Einsicht in die moderne Passform. Grundsätzlich gilt für ihn: „Wer (für die individuellen Verhältnisse) komfortabel auf dem Rad sitzt, ist effizient und schnell und bringt damit für sich am längsten die beste Leistung aufs Pedal. Die ,rennorientierteste‘ Sitzposition bringt nichts, wenn der Körper nicht in der Lage ist, diese über die Dauer der Ausfahrt beschwerdefrei zu halten.“
Tipp: Erfahrene Händler oder natürlich auch Bikefitter helfen bereits vor dem Kauf bei der Auswahl individuell passender Bike-Modelle und -Größen – Sattelposition, Lenkerbreite und Vorbauhöhe sowie Länge sorgen für den Rest.