Baldur Preiml, Skisprung-Trainerlegende der Siebzigerjahre und Sportphilosoph, über Erfolgsfaktoren für Hobbysportler – und fürs Leben.

Baldur, du hast als Skispringertrainer als einer der Ersten den Einfluss der Psyche auf die Leistung erkannt. Bringt den ­Menschen „positives Denken“ tatsächlich weiter?

Viel, viel weiter! Wir haben tief in uns Zugang zu einer Kraft, mit der wir z. B. Gedanken mit optimistischen Gefühlen und mit felsenfestem Glauben ans Gelingen so „aufladen“ können, dass ­diese Gedanken ­eine mächtige Tendenz entwickeln, sich tatsächlich zu verwirklichen. Auf diese Weise können alle möglichen Wünsche und Ziele verwirklicht werden – soweit sie im Einklang schwingen mit der „himmlischen Regie“. Ängste, Zweifel und Schwarzsehen ziehen dagegen magnetisch das Befürchtete an.

Manche scheinen von Natur aus Optimisten zu sein. Aber kann man es auch lernen, einer zu werden?

Je nach Anlage und prägenden, vor allem frühkindlichen Einflüssen aus dem sozialen Umfeld oder aus schicksalhaften Einflüssen werden Selbstwert und Lebenseinstellung vorgeformt. Optimismus ist aber auch lehr- und erlernbar! Wenn wir den Sinn unseres Daseins einmal innerlichst erfahren, unsere inneren Bewusstseinspotenziale und -qualitäten und ihre Einflüsse auf unsere ­Lebensqualität voll erkannt haben, dann werden „Lebensschule“ und „Lebenskunst“ an allen Schulen, Universitäten und Ausbildungsstätten fächerübergreifend gelehrt werden.

Wie und wann bist du auf die „Kraft der Psyche“ gestoßen?
In meinen frühen Wettkampfjahren als Skispringer war ich ein Trainingsweltmeister, der oft, wenn es um die Wurst ging, versagte. Aus dieser Not entwickelte sich eine Tugend. Anfang der 60er-Jahre begann ich mich intensiv mit Entspannungs-, Konzentrations-, Bewegungs- und Vorstellungsübungen zu befassen. Die Früchte erntete ich mit der Bronzemedaille 1968 in Grenoble. Meine persönlichen Erfahrungen kamen mir dann als Trainer zugute.

Nehmen wir als Beispiel einen Hobbymarathonläufer, der sich auf seinen großen Tag lang vorbereitet hat. Mit welchen Gedanken soll er an den „Tag X“ herangehen?
Es gibt ein Gesetz der das Gegenteil bewirkenden Anstrengung. Je mehr das unbedingte Wollen und Müssen im Vordergrund stehen, umso mehr zieht man dann die Handbremse an. Wenn aber in der Vorbereitung die Leistungsvoraussetzungen geschaffen wurden, dann wird „ES“ zur Bestzeit laufen. „ ES“ ist das antrainierte automatische Können! Der neutrale Beobachter im Sportler kann förmlich zuschauen, wie „ES“ atmet, wie „ES“ locker und ohne überflüssige Anstrengung läuft. Also gilt es, den Tag des Wettkampfs gelassen zu erwarten – im Vertrauen auf die innere Kraft, die es besser weiß und kann als der ängstliche und zweifelnde Verstand. Denn der verpulvert mit Grübeln wertvolle Energie.

Kritiker sehen das heute allgegenwärtige Beschwören von positiven Gedanken als Symptom der Leistungsgesellschaft, in der kein Platz für Schwäche ist. Was entgegnest du?

Was bedeutet „positives Denken“? Nur das Schöne, Nützliche, Angenehme denken und erwarten und alles andere verbannen? Nur gesund und erfolgreich sein wollen, Krankheit, Verletzung und Misserfolg bekämpfen, damit sie uns nie wieder begegnen? Nein, das wäre gegen das Leben gerichtet. Leben ist „Welle oben“ und „Welle unten“ bzw. das „Dazwischen“, das sich im Zusammenspiel der Pole ergibt. Elektrischer Strom entsteht aus Plus- und Minuspol – der Ausfall des einen würde totalen Stomausfall bedeuten. „Positiv denken“ ist die Versöhnung der Gegenpole, ­wobei alles vermeintlich Negative als zweite Hälfte des ­Lebens selbstverständlich angenommen wird.