Gegen die Veranstalter des Bad Kleinkirchheim Radmarathons wird nach einem Unfall im Vorjahr ermittelt, der Event wurde deshalb für heuer abgesagt. Wir gehen der Frage nach, was die Causa in ­Zukunft für die Breitensport-Wettkampfszene bedeuten könnte.


Die Absage des Bad Kleinkirchheim Radmarathons 2017 erfolgte in der ersten April-Woche. Kurz zusammengefasst nochmals der Hintergrund: 2016 stürzte ein Teilnehmer schwer und ist seither querschnittsgelähmt. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin Ermittlungen auf. Norbert Unterköfler vom veranstaltenden Verein RC Feld am See, lange Zeit als Zeuge geführt, findet sich mittlerweile als Beschuldigter wieder. Neben der Anklage droht ihm auch, mit seinem Privatvermögen in dem Fall haften zu müssen. Unter diesen Bedingungen sieht sich das Veranstalterteam nun außerstande, den Event im Jahr 2017 durchzuführen.

Knapp zwei Monate nach der offiziellen Absage sind rund um die Causa viele Fragen offen. Natürlich, ob es eine Anklage gibt und gegen wen. Außer Norbert Unterköfler ist auch ein Beamter der Kärntner Landesregierung, die das Rennen genehmigt hat, als Beschuldigter geführt. Und auch die beiden Streckenchefs sind im Visier der Staatsanwaltschaft.

Ebenfalls offen und möglicherweise sogar entscheidend: Lässt sich überhaupt ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Riss in der Asphaltdecke und dem folgenschweren Sturz herstellen? Und – weiter in die Zukunft geblickt: Werden Veranstaltungen dieser Art überhaupt noch genehmigt werden können? Werden sich Veranstalter das noch antun, wenn ihnen solche Folgen blühen?

Darum geht es: An dieser Stelle ist der Teilnehmer 2016 schwer gestürzt. Der Riss, der den Sturz ausgelöst haben soll, ist auf diesem Foto noch zu sehen und rot markiert, mittlerweile aber ausgebessert. / Bild: ARBÖ

ZWEI GUTACHTEN
Die Sache mit der Anklage dürfte jedenfalls schwierig werden. Denn eigentlich ist es unmöglich geworden, den Zusammenhang zwischen Straßenschaden und Unfall zweifelsfrei zu beweisen – das meint zumindest Thomas Jank, Geschäftsführer vom Radmarathon-Sponsor ARBÖ Kärnten. Dafür nennt Jank zwei Gründe. Erstens: „Das Rennrad wurde unmittelbar nach dem Unfall ohne jede Untersuchung bezüglich eines möglichen technischen Defekts den Angehörigen ausgefolgt".

Zweitens: Keines der beiden Gutachten, das die Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben hat, sei aussagekräftig. „Beim ersten ist der Gutachter von einer trockenen Straße ausgegangen – beim Rennen aber war die Straße nass. Und der zweite Gutachter konnte die Unfallstelle nie in natura in Augenschein nehmen, weil sie bereits neu asphaltiert war", erklärt Jank. Dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten" folgend müsste das Verfahren folglich eingestellt werden, aber: „Unsere Justiz ist immer für Überraschungen gut", meint Jank. Noch wird jedenfalls weiter ermittelt.

Erste Konsequenzen gibt aus dem Vorfall immerhin schon: Vor der Genehmigung von Rennen in Kärnten wird die Straße jetzt von der Behörde Meter für Meter abgefahren. Und die Vorgabe für den Versicherungsschutz wurde von der Behörde auf fünf Millionen erhöht. Jank wünscht sich, dass es – wenn die Causa endlich erledigt ist – einen runden Tisch mit Behörden, Veranstaltern und Justiz gibt. „Um es vielleicht zu schaffen, die Verantwortung ein bisschen mehr in Richtung der Teilnehmer zu verschieben."

GRAUZONEN WERDEN BLEIBEN
Ein Gesetz, das die Verantwortung vom Veranstalter zur Gänze auf den Teilnehmer überträgt, wird es aber nicht geben – ist sich zumindest der Sportrechtsexperte Christian Flick aus Graz sicher. „Das wird unmöglich sein." Und die Haftpflichtversicherungen, die Veranstalter abschließen, betreffen nur das Zivilrecht – also die finanziellen Folgen aus derartigen Unfällen, nicht aber die strafrechtlichen Folgen.

Grauzonen werden auch in Zukunft bleiben, ist Flick überzeugt. Einfach, weil man nicht alle Veranstaltungen und alle Unfälle über einen Kamm scheren könne. „Vieles ist situationsbezogen", sagen Jank, der selbst Jurist ist, und Flick unisono. „Bei einem Boxkampf muss ich als Teilnehmer damit rechnen, niedergeschlagen zu werden. Eigentlich eine Körperverletzung – durch die Typologie des Sports ist aber klar, dass der Teilnehmer dafür selbst die Verantwortung trägt", erklärt Flick. Bei Radrennen sei das aber viel schwieriger. „Denn bei keinem Straßenrennen wird auf einer Strecke gefahren, die an allen Stellen in einem 100 Prozent perfekten Zustand ist", sagt Flick.

Der Jurist zieht auch vor der Veranstalterszene den Hut. „Das Risiko, dass sie tragen, ist enorm." Was dazu kommt: Viele Veranstalter von Breitensportevents üben diese Tätigkeit ehrenamtlich in ihrer Freizeit aus. „Ohne etwas dabei zu verdienen, stellen sie etwas Tolles auf die Beine, von dem Andere profitieren", sagt Flick. „Ich denke, dass sich viele Veranstalter gar nicht bewusst sind, welches Risiko sie da eingehen, sonst würden es wohl einige gar nicht machen."

"HAFTUNGSAUSSCHLÜSSE"
Dabei müssen Hobbysportler schon bei der Anmeldung für ein Rennen eine sogenannte Freihaftungserklärung unterzeichnen, dass sie auch im Schadensfall auf rechtliche Ansprüche verzichten. „Strafrechtlich hat das jedoch null Relevanz", erklärt Flick. „Und auch zivilrechtlich ist nicht gesagt, dass der Veranstalter damit auf der sicheren Seite ist, falls ein Geschädigter zum Anwalt geht und versucht, das auszuhebeln. Hieb- und stichfest ist das nicht geregelt."

Zum konkreten Fall Bad Kleinkirchheim möchte Flick keine Einschätzung abgeben. Doch auch er ist sicher, dass es für andere Veranstalter „ein verheerendes Signal wäre", würde Norbert Unterköfler angeklagt und schuldig gesprochen.

In Kärnten sind seit dieser Causa übrigens nur eine Handvoll Rennen genehmigt worden. Der Ironman Austria in Klagenfurt war bis Ende Mai nicht darunter. „Wenn der Veranstalter alleine die Schuld trägt, müssten auch wir uns in Zukunft etwas überlegen", sagt auch Martin Huber, Organisator der Salzkammergut Trophy, von uns zu der Sache befragt. „Wenn ich alle Auflagen der Behörde erfülle, muss einfach Rechtssicherheit herrschen."

"MEISTENS PASSIERT JA NICHTS"
Werden wir uns in Zukunft also schrittweise von vielen Events, die Hobbysportlern Freude bereiten, verabschieden müssen, weil diese Bürden keiner mehr auf sich nehmen mag? „Das glaube ich nicht", sagt Flick, denn in den meisten Fällen passiere ja auch nichts. Für den Fall der Fälle sollten die Veranstalter aber unbedingt informiert sein. Seine Ratschläge: „Sie sollten sich juristisch beraten lassen und genau schauen, welches Risiko sie eingehen. Für den zivilrechtlichen Schutz eine gute Versicherung abschließen. Und sich nicht von der Euphorie treiben lassen, etwas Tolles zu organisieren, ohne mögliche Folgen zu bedenken."

Was Thomas Jank auch sauer aufstößt ist, dass es aufgrund eines OGH-Urteils eine juristisch äußerst spitzfindige Unterscheidung zwischen einem Freizeit- und einem Rennunfall an der gleichen Stelle gibt: „Außerhalb des Rennens ist bei Kausalität der Straßenerhalter in der Ziehung, im Rennen muss plötzlich der Veranstalter für den gleichen Fahrbahnschaden den ehrenamtlichen Kopf hinhalten. Das kann's doch nicht sein." Oder doch? Das wird man an der weiteren Entwicklung der Causa Bad Kleinkirchheim Radmarathon sehen ...


Ein Statement der Veranstalter findet sich auch auf www.kaernten-radmarathon.at.


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