Hochsaison im Radsalon. Allerorten flitzen die Rennradfahrer durch die Landschaft und haben fünf Fragen im Kopf, die wir Ex-Profis, Juristen und uns selbst gestellt haben. 

Christoph Heigl
Christoph Heigl

1. Wo darf ich mit dem Rennrad fahren?
Der Autofahrer, der unmittelbar vor einer Radfahrergruppe die Scheibenwaschanlage betätigt. Der Rennradler, der seine Trinkflasche wirft oder damit durch die offene Seitenscheibe spritzt. Szenen wie diese passieren. Nicht alle wissen, dass Rennradfahrer in Österreich laut Gesetz (StVO) auf der Fahrbahn fahren dürfen und nicht den Radweg benutzen müssen. Die wichtigsten Kriterien dafür:

  • Sie müssen auf einem Rennrad fahren. Definition: Rennlenker, max. 12 kg, Felgenbreite max. 23 mm, äußerer Felgendurchmesser mind. 630 mm.
  • Es muss eine Trainingsfahrt sein, d. h. geeignet zur Steigerung und Optimierung sportlicher Leistungen, mit im Radsport üblichen Geschwindigkeiten.
  • Ausrüstung und Kleidung müssen entsprechend und mit jenen einer radsportlichen Veranstaltung vergleichbar sein. „Unerheblich ist, ob man bei einem Radklub oder Hobbyradfahrer in der Freizeit ist“, sagt Jurist Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV), selbst Radfahrer.
  • Auch das Nebeneinanderfahren von Rennradfahrern ist auf Österreichs Straßen erlaubt. Beim Linksabbiegen ist das Nebeneinanderfahren allerdings verboten.
  • Jede Fahrt unterliegt den allgemeinen Fahrregeln auf öffentlichen Verkehrsflächen, was Geschwindigkeit, Bremsbereitschaft und Rücksichtnahme betrifft. . 

Rennradfahren ist gefährlich. Deshalb sollte man im Zweifelsfall auf das Recht, die Fahrbahn benutzen zu dürfen, verzichten und auf seine Vernunft und das Bauchgefühl hören. Dann besser ein paar Meter am Radweg. Die Gesetzestexte wurden zwar 1986 und 1998 für Rennradfahrer angepasst, einige Passagen vertragen sich aber schwer mit dem Jahr 2018. Rennradfelgen sind mittlerweile in der Regel breiter als 23 mm und bis zu 35 und 40 mm breit, erst recht bei den in Mode gekommenen Gravelbikes. Kaltenegger: „Der Gesetzestext sagt 23 mm, in der praxisnahen Realität gibt es aber kein Problem mit breiteren Felgen. Zu Gravelbikes gibt es noch keine Entscheidungen. Entspricht es den Kriterien des Rennrades, ist es ein Rennrad.“ Seit einigen Jahren muss auch der Rennlenker nicht mehr „gebogen und nach vorne und unten gekrümmt“ sein. Auch Triathlon- und Zeitfahrlenker gelten als Rennlenker. Bei der Definition „Trainingsfahrt“ gibt es eine Bandbreite an unterschiedlichen Sichtweisen, die dabei etwa keinen Rucksack bei der Fahrt dulden oder im Gegensatz dazu jede Fahrt als Trainingsfahrt zur körperlichen Ertüchtigung werten.

2. Was kommt in die Trikottasche?
In der Regel fegen Rennradfahrer in hautengen Trikots über die Straßen. Deren kleine Rückentaschen bieten nicht viel Platz, Radrucksäcke sind bei Rennradlern auf Trainingsfahrt aber verpönt. Wohin also mit den wichtigsten Utensilien? Für alle Fälle sollte man in der Trikottasche das nötigste Werkzeug in Form eines Mini-Tools, etwas Gel oder Riegel und ein paar Euro für Notfälle verstauen. Ersatzschlauch und Minipumpe finden dann schon schwer Platz, sie kann man auch in eine Satteltasche packen. Handy? Siehe Folgefrage 4. „Für zumindest einen Reifendefekt habe ich immer alles mit“, sagt Ex-Profi Helmut Wechselberger (65), zweimaliger Rundfahrtgewinner, WM-Bronzemedaillengewinner und Tour-de-Suisse-Sieger. Der Tiroler fährt noch immer um die 8000 Kilometer im Jahr. „Schlauch, Pumpe, Handy und Werkzeug sind immer dabei.“ Als Alternative zur Trikottasche gibt es Tool-Sets in Flaschenform, die man in den zweiten Trinkflaschenhalter steckt, findige Bastler können sich das auch selber machen.

3. Wie kann ich sportlich besser und leistungsfähiger werden?
Das Rennrad ist nicht nur ein wunderbares Fortbewegungsmittel, um zügig und elegant über den Asphalt zu schweben, sondern auch ein perfektes Trainingsgerät für Freizeit-, Hobbysportler und so manchen Profi anderer Disziplinen (z. B. Ski, Langlauf). 

Trainingsart, -umfänge und -intensität lassen sich gut abwechseln und schrittweise erhöhen. Grundlagenfahrten sollten sich mit Intervallen und Bergfahrten ergänzen. Die Fahrtechnik lässt sich für stundenlanges Sattelsitzen optimieren („runder Tritt“), über ein Bike-Fitting lässt sich davor ein perfektes Setup (Rahmengröße, Sattelhöhe, -breite und -neigung, Lenker, Vorbau) eruieren. Pulsmesser und die mittlerweile allseits beliebten Wattmesser in der Kurbel geben Auskunft über die tatsächliche Power. 

Ist das Rennrad noch up to date? Mit etwas Tuning (schnelle Reifen, leichte Laufräder, optimierte Übersetzung) lässt sich noch ein wenig Leistung herauskitzeln. Für Freaks gibt es unzählige Online-Tutorials, Podcast und Videos. SPORTaktiv-TV-Tipp: Auf Eurosport den Experten bei Giro d’Italia, Tour de France und Vuelta zuhören und zuschauen. Das unterhält, bildet und macht schneller. Und ein letzter Rat von Radlegende Eddy Merckx: „Don’t buy upgrades, ride up grades.“

4. Wohin mit dem Handy?
Die Wahl: Volle Freiheit von News, Whatsapp und nervigen Klingeltönen und das Smartphone gleich ganz zu Hause lassen? Oder im Notfall (Defekt, Sturz, Erschöpfung, Geburtstag der Schwiegermutter) doch lieber einen rettenden Anruf absetzen? Viele Radfahrer wollen auf Tour auf das Handy nicht verzichten, nutzen es auch als Rad-Computer oder für die Navigation. Beim Rennradfahren ist Stauplatz aber Mangelware. Die Trikottasche ist für die allermeisten die erste Wahl, wegen der Feuchtigkeit durch den Schweiß (Tipp: Gefrierbeutel) aber nicht der beste Platz. Klett- oder Reißverschlüsse vermindern wenigstens die Gefahr eines Verlustes. Handy-Halterungen am Vorbau oder Lenker schauen am Rennrad nicht sportiv aus, außerdem sind die Telefone bei Stürzen voll in der Gefahrenzone. Für Tourenradler gibt es fürs Oberrohr kleine, wasserdichte Taschen, idealerweise mit Zusatzakku.

5. Muss ich mir die Beine rasieren?
Für die Damenwelt wohl weniger ein Thema, bei Männern aber eine leidenschaftlich diskutierte Frage. Und die Antwort ist klar: Ja, Rennradfahrer müssen sich die Beine rasieren. Während die Frage, ob man im Jahr 2018 als Radfahrer eine modisch-urbane Hipster-Gesichtsbehaarung braucht, mit einem klaren Jein beantwortet werden kann, ist die Sache beim haarigen Beinkleid eindeutig. „Schon in den 1930er-Jahren haben sich Radsportler die Beine rasiert“, lacht Helmut Wechselberger bei dieser Dauerbrenner-Frage. „Haarige Beine gehen am Rennrad gar nicht, das ist ein absolutes No-go“, stellt der Ex-Profi klar. Bei der Begründung fallen immer dieselben Argumente: weniger Probleme bei Verletzungen, Verschmutzungen und Massage, Tradition und ein besserer Kühlungseffekt – die Verdunstungskälte auf haarloser Haut kühlt die Muskeln besser. Und dazu das optische Totschlagargument: „Muskulöse Beine schauen ohne Haare einfach besser und ästhetischer aus“, findet Wechselberger. Über den aerodynamischen Vorteil glatter Beine gibt es Abhandlungen biblischen Ausmaßes, die Aussagekraft der meisten Ergebnisse ist zumindest zweifelhaft. Specialized testete im Windkanal bei einem Probanden aber immerhin 70 Sekunden Zeitersparnis bei 40 km Strecke heraus. Zuletzt die Frage: Dusche oder Badewanne? Egal, wo man sich mit Rasierern die Haare von den Beinen schabt, Yoga-artige Verrenkungen sind vorprogrammiert.