Im Zillertal wird seit heuer eine „Mannsbilder-Tour“ angeboten. Wo echte Männer gefragt sind, ist der„Mann fürs Grobe“ aus unserem Redaktionsteam nicht weit: Klaus Höfler hat die viertägige Tour ausprobiert.

Von Klaus Höfler


Oben, auf der Keeskarscharte auf 2.784 Metern Seehöhe, wird endgültig klar, warum die Route unter dem Motto „Mannsbilder Tour" firmiert. Hinter einem: eine seilversicherte Traverse den Abhang entlang als Test für die eigene Schwindelfreiheit. Vor einem: eine steile Felsrinne, die ausreichend Möglichkeiten bietet, am Weg hinunter seine Trittsicherheit im alpinen Geröll zu prüfen.

„It seperates the men from the boys" stand in der offiziellen Streckenbeschreibung. Klingt ein bisserl nach „Alpinmacho" und pumpt Doping ins maskuline Ehrgefühl, stimmt aber in seiner Grundaussage: Für Buben ist das hier heroben wirklich nichts – was aber nicht heißt, dass die Kraxlerei nichts für Frauen ist. Für sie gibt es aber auch eine nicht minder exklusiv gestaltete „Weibsbilder Tour" durch die Zillertal Arena im Grenzgebiet zwischen Salzburg und Tirol, womit man sich in Sachen Geschlechtertrennung auf ein Unentschieden einigen kann. Außerdem kreuzen sich die beiden Routen mehrmals.

UM SECHS BEIM WASSERFALL
Auf der Zittauer Hütte beispielsweise, wo sich die müden Wadeln am Abend vom ersten Tag der „Mannsbilder Tour" erholen können. Mit Blick auf die Reichenspitzgruppe, die sich zügig zurückziehende Gletscherzunge des Wildgerloskees und den Gerlossee vor der Nase – und mit 21 Marschkilometern, die der „Fußtacho" an diesem Abend anzeigen wird. Schon diese Anfangsetappe hat es also in sich: Von Krimml geht es zunächst entlang des imposanten Wasserfalls hinauf ins Krimmler Achental. Bis zu 400.000 Besucher schieben sich pro Jahr den Weg entlang der drei Kaskaden und rund 400 Höhenmetern. „Ihr solltet früh aufbrechen, es wird ein langer Tag", hatte man uns am Vorabend geraten. Es lohnt sich: Um 6 Uhr haben wir den Wasserfall für uns alleine und können 5.600 Litern Wasser pro Sekunde ungestört beim In-die-Tiefe-Donnern zusehen. Imposant. Auch die Alm-Ebene zwischen den sich links und rechts schroff in den Himmel bohrenden Bergspitzen entlang des Achentals liegt zu dieser Tageszeit noch im Dämmerschlaf. Umso verlockender wäre es, den sich dahinschlängelnden Wasserlauf mit einem Paddelboot zu befahren ...

Fast noch schöner ist es aber zwei „Stockwerke" höher, beim Rainbachsee auf rund 2.400 m Seehöhe. Das Panorama atemberaubend (mächtig), die Wassertemperatur atemberaubend (kalt), der Aufstieg zur Rainbachscharte atemberaubend (steil). Zwischen Schneefeldern, die der letzte Winter hier vergessen hat mitzunehmen, geht es zunächst entlang einer Felswand und dann die „Direttissima" den kurzen Klettersteig hinauf an die Geländekante.

Runter in Richtung der beiden Gerlosseen windet sich der Weg in engen Kehren und weiteren Kurven zur Zittauer Hütte. Hier soll 103 Jahre davor auch schon Sachsenkönig Friedrich August für ein paar Stunden eingekehrt sein. Ob er tatsächlich in demselben Zimmer im ersten Stock geschlafen hat, in das wir unsere Rucksäcke stellen? Zumindest wäre es eine gute „Story" innerhalb einer von der frühen touristischen Erschließung geprägten Geschichte. Denn nach dem Bau der Schmalspurbahnen im Zillertal und im Pinzgau und dem damit ausgelösten Anwachsen des Fremdenverkehrs, wurde im Jahre 1900 der Beschluss gefasst, am unteren Wildgerlossee eine Schutzhütte zu errichten. Sie sollte sowohl von Krimml als auch von Gerlos aus erreichbar sein – auf Routen, die heute noch Teile der Manns- und Weibsbilder-Tour sind. Bereits 1901 wurde die Hütte eröffnet, benannt nach den Zittauer Sachsen, die damals vom Alpenverein mit der Betreuung dieses Gebiets beauftragt wurden.

VIEL LOS AM HÖHENMETERKONTO
Am zweiten Tag fällt der Weg zunächst über einen mächtigen Moränenwall in eine kleine Senke, nur umsich auf der anderen Seite wieder den Berghang hinaufzuschrauben – sowohl vom ursprünglich 3.300 Höhenmeter „dicken" Aufstiegskonto der Tour wird damit kräftig abgebucht wie auch vom 3.800 Höhenmeter mächtigen Abstiegskonto. Die Herde Gämsen, die sich bei ihrem Frühstück sichtlich gestört fühlt und sich immer weiter den steilen Hang hinauf zurückzieht, scheint derartige Zahlenspiele wenig zu beeindrucken.

Für die „Mannsbilder" geht es nach den hochalpinen Streckenabschnitten an diesem zweiten Nachmittag eher gemütlich das Schönachtal hinaus Richtung Gerlos. Am Ende werden es wieder 20 Kilometer sein, die zu verbuchen sind.

UND NOCH EINE "REIFEPRÜFUNG"
Tag 3 beginnt, wie Tag 2 geendet hat: flach. Knapp hinter der Schwarzach­alm ist aber wieder Schluss mit lustig. Brandbergjoch, Brandberger Kolm – da sind sie wieder, die 2.300er- beziehungsweise 2.700er-Gipfel. Und es ist ja nicht so, dass man die Höhenmeter der letzten Tage nicht auch in den Knochen spürt...

Aber jetzt nur kein Rückfall in die Bubenklasse derer, die an dieser für „Mannsbilder" gezimmerten Tour scheitern. Abgesehen davon: Diese Aussicht! Ein würdiger letzter topo­grafischer Höhepunkt, bevor es am Schlusstag über die Gerlossteinalm hinunter nach Zell am Ziller geht und die 57 Kilometer abgespult sind.

Fazit: Kein Honigschlecken, diese Tour. Aber die gewifte Streckenauswahl, der Wechsel zwischen Almen, Hochgebirge, Hütten und Hotels, Bächen und Bergseen lenkt beim Gehen von den Strapazen ab. So merkt man gar nicht, was für ein „hartes Mannsbild" man ist ...


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