Olympiasiegerin Anna Veith ist auch 3,5 Jahre nach Karriereende tief mit dem Skisport verbunden. Für HEAD hat sie die neue „JOY“-Frauenserie führend mitentwickelt: der perfekte Anlass für ein Gespräch über Winterfreude und das Lebensgefühl Skifahren.

Christof Domenig
Christof Domenig


Jetzt im Oktober vor unserem Gespräch hat es die ersten paar kalten Nächte und Morgen gegeben – steigt da auch bei dir die Vorfreude?
Absolut! Wenn es im Oktober über Nacht draußen abkühlt, vielleicht sogar mal knapp unter null Grad kriegt, dann kommt bei mir definitiv Vorfreude auf Schnee und Piste auf. Ich liebe den Winter und das Skifahren. Und genau aus diesem Grund ist diese Vorfreude-Zeit für mich immer eine ganz besondere Zeit des Jahres.

Im Alter von zehn Jahren hast du dich für einen Schultyp entschieden, weil du dort Schule mit Skifahren verbinden konntest. Welches Bild deiner Kindheit vom Winter und Skifahren kommt dir in den Kopf?
Also, wenn ich an meine Kindheit in Salzburg und die Winter damals denke, dann habe ich zuerst immer ein Gefühl von Freiheit. Dann kommen mir Bilder von verschneiten Wäldern, Wiesen und Bergen in den Sinn. Erinnerungen an eine unbeschwerte Zeit. Die Entscheidung, mit zehn Jahren eine Schule zu wählen, die das Skifahren in den Schulalltag integrierte, war ein Schlüsselmoment, der meine Liebe zum Wintersport weiter entfachte. Insgesamt eine Zeit voller Freude, Abenteuer und tiefer Leidenschaft für den Wintersport.

Gibt es einen prägenden Moment aus deiner Zeit im Rennsport, der bei dir als Erstes aufblitzt, wenn du zurückdenkst – vielleicht abgesehen von deinem Olympiasieg?
Der Olympiasieg ist grundsätzlich schon mit wenig vergleichbar. Aber abgesehen davon gibt es einen weiteren besonderen Moment, an den ich oft denken muss, wenn ich meine Rennsportkarriere Revue passieren lasse: Das war der Augenblick, in dem mir klar geworden ist, dass ich meinen ersten Weltcup-Sieg erreicht habe. Das war ein unglaublich überwältigendes Gefühl und gleichzeitig ein Wendepunkt in meiner Karriere.

Anna, deine Karriere als Profi-Skirennläuferin liegt ja jetzt schon ein bisschen hinter dir. Wie schaut denn heute für dich ein perfekter Skitag aus? Wie viel Zeit bleibt dir mit Familie und kleinem Sohn sowie beruflichen Verpflichtungen überhaupt zum Skifahren?
Ein perfekter Skitag, der beginnt für mich mit einem tiefen Einatmen: die klare Bergluft aufsaugen! Dann das Knirschen des Schnees unter meinen Skiern. Ein perfekter Skitag ist ein Tag, an dem ich Zeit auf der Piste verbringe, die majestätische Berglandschaft genieße und mich dann mit meiner Familie treffe, um gemeinsame Momente zu teilen. In den letzten Wintern, besonders nach der Geburt meines kleinen Sohnes und aufgrund meiner beruflichen Verpflichtungen, ist mir leider nicht so viel Zeit zum Skifahren geblieben. Dennoch versuche ich, jede Gelegenheit zu nutzen, um auf die Pisten zurückzukehren, den Sport völlig ohne Druck zu genießen.

Verglichen mit anderen Sportarten: Gibt es Augenblicke, die man so nur beim Skifahren empfindet? Ist das Skifahren unter allen Sportarten nach wie vor dein „Herzenssport“?
Ich habe ja in sportlicher Hinsicht schon das eine oder andere ausprobiert (schmunzelt). Aber tatsächlich ist es für mich so, dass ich mit zwei Brettern an den Beinen Momente erlebe, die unvergleichlich und einzigartig sind. Das Gefühl, wenn du einen perfekten Schwung carvst. Wenn du Beschleunigung und Speed im Bauch spürst. Dazu die Freiheit und die enge Verbindung zur Natur – das alles zusammen macht das Skifahren für mich einzigartig und unwiderstehlich. Skifahren wird immer der Sport bleiben, für den mein Herz schlägt.

Würdest du die Aussage unterschreiben, dass Skifahren ein Lebensgefühl ist?
Oh ja, dieser Aussage kann ich zu 100 Prozent zustimmen. Skifahren ist definitiv ein Lebensgefühl – mein Lebensgefühl. Und es ist auf jeden Fall mehr als nur eine Sportart: Skifahren ist eine Leidenschaft, die das Leben bereichert.

Du und dein Mann, ihr betreibt ein Hotel in Rohrmoos. Ihr kennt die Wünsche von Urlaubsgästen also genau. Welche Rolle spielt heute das Skifahren speziell im Winterurlaub? Unverzichtbar oder eine von zahlreichen Optionen? 
Zweifellos spielt heutzutage im Winterurlaub das Skifahren nach wie vor eine Rolle. Viele unserer Gäste kommen speziell wegen dieser Leidenschaft in die Berge. Aber: Natürlich ist dieser Wintersport eine von zahlreichen Möglichkeiten, wie man heute seinen Winter­urlaub genießen kann. Aber für viele ist es ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Aufenthalts. Wir als Hoteliers verstehen die Bedeutung des Skifahrens und sind bestrebt, unseren Gästen ein unvergessliches Erlebnis auf den Pisten zu bieten, sind aber dennoch offen für nachgefragte Alternativen.

Die Begeisterung für den Freizeit­sport Skifahren ist gefühlt dort groß, wo die Menschen die Berge vor der Tür haben. Hättest du eine Idee, wie man in den urbanen Ballungsräumen speziell Kinder und Jugendliche fürs Skifahren begeistern kann?
Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, die Kids in urbanen Ballungsräumen wieder mehr fürs Skifahren und den Wintersport generell zu begeistern, indem man wieder mehr Skikurse und Wintercamps anbietet. Es ist wichtig, den Zugang zum Skisport so niederschwellig und einfach wie möglich zu gestalten, die Faszination für die Berge zu vermitteln und den Nachwuchs für diese wunderbare Sportart zu begeistern.

Das Gefühl, wenn du einen perfekten Schwung carvst. Wenn du Beschleunigung und Speed im Bauch spürst.

Anna Veith

Ein Faktor für Spaß am und Motivation beim Skifahren ist das Material:  Du hast die neuen Ski der HEAD-Frauenserie 2023/24 maßgeblich mitentwickelt. Ist der „JOY“ so geworden, wie du ihn dir vorgestellt hast? Vermittelt er das, was er im Namen trägt?
Die Entwicklung des HEAD „JOY“ Skis war eine aufregende Erfahrung, eine faszinierende Reise. Es war eine intensive Zusammenarbeit, bei der jedes Detail sorgfältig bedacht wurde, um sicherzustellen, dass der „JOY“ seinem Namen gerecht wird. Und am Ende dieser Reise kann ich mit großem Stolz und vor allem mit großer Freude sagen, dass der Ski genau das vermittelt, was ich mir vorgestellt habe: Leichtigkeit, Wendigkeit und Freude am Skifahren, ohne Performance zu verlieren.

Wie kann man sich die Entwicklung eines neuen Skimodells als Laie vorstellen: Bekommst du einen Prototyp, testest ihn und meldest deine Eindrücke zurück – oder wie läuft das in der Praxis?
Die Entwicklung eines neuen Skimodells ist ein spannender Prozess, der Schritt für Schritt vor sich geht – und sich immer weiter an das perfekte Endergebnis annähert. Tatsächlich ist es so, dass ich als Profisportlerin Prototypen zum Testen bekomme und anschließend meine Eindrücke und mein Feedback an das Entwicklungsteam gebe. Dieser Prozess kann sich über Monate erstrecken, um sicherzustellen, dass der Ski in Bezug auf Leistung und Fahrgefühl perfekt ist.

Welche Rolle spielt generell das richtige, für die eigenen Bedürfnisse abgestimmte Materialpaket, also Ski, Bindung und Schuhe, für Freizeitskifahrer:innen? Auch oder speziell, wenn man wie die meisten von uns nicht perfekt am Ski steht?
Ich bin absolut überzeugt davon, dass auch für Freizeitskifahrer das richtige Materialpaket – also, dass Ski, Bindung und Schuhe gut aufeinander abgestimmt sind – entscheidend sein kann. Nämlich Ausschlag gebend für den Fahrspaß, aber vor allem auch in Sachen Fahrsicherheit. Und auch, wenn man nicht perfekt auf den Skiern steht, kann gut abgestimmtes Material helfen, das Skierlebnis erheblich zu verbessern.

Dein Sohn Henry ist jetzt zwei Jahre alt. Wann wird es denn für ihn mit dem Skifahren losgehen? Und was möchtest du deinen Kindern in Bezug aufs Skifahren gern vermitteln?
Mein kleiner Henry ist zwar erst zwei Jahre alt, aber ich hoffe, dass er bald seine sprichwörtlich ersten Schritte auf Skiern machen kann. Wer weiß, vielleicht sogar diesen Winter. Grundsätzlich ist es für mich aber wichtig, meinen Kindern die Freude am Skifahren zu vermitteln, sie für die Schönheit der Natur zu sensibilisieren. Aber vor allem auch das Gefühl, dass Skifahren eine wunderbare Möglichkeit sein kann, all diese Werte und Erlebnisse gemeinsam mit anderen Menschen zu teilen.

Anna Veith
Anna Veith

Geb. am 18. Juni 1989

2006 bis 2020 im Skirennsport aktiv und erfolgreich: Olympia­siegerin (im Super-G in Sotchi 2014), 3-fache Weltmeisterin (Super-G und RTL in Vail/Beaver Creek 2015, Super-Kombination in Garmisch-Partenkirchen 2011); gesamt 9 Medaillen bei Großereignissen, 2 x Gesamt-Weltcupsiegerin.

Sie betreibt mit ihrem Ehemann, Ex-Snowboarder Manuel Veith, ein Hotel in Rohrmoos, die beiden haben einen Sohn (2).

Web:
www.anna-veith.at
www.head.at