Wie viel Planung braucht man als Hobbyathlet zur Zielerreichung? SPORTaktiv-Doc Dr. Robert Fritz und Sportwissenschafter Michael Koller von der Wiener „Sportordination“ raten: nicht auf den Zufall vertrauen!

Christof Domenig
Christof Domenig

Den meisten Hobbysportlern, weiß unser SPORTaktiv-Doc Robert Fritz, fehlt es an Planung. Gut, manche bereiten sich mit einem 12-Wochen-Trainingsplan auf einen Bewerb vor – was schon ein guter Anfang ist. Das restliche Jahr aber verläuft oft nach Lust, Laune und Zufall. Sinnvollerweise sollte aber eine ganze Saison zumindest grob strukturiert sein, auch von Hobbysportlern, um zielgerichtet und erfolgreich trainieren zu können – und damit auch langfristig Motivation aufrechtzuerhalten. Und: So eine Jahresplanung ist keine Hexerei. Zum Jahreswechsel wollen wir euch mithilfe von Sportmediziner Robert Fritz und Sportwissenschafter Michael Koller das Gerüst für euer gut geplantes Wettkampfjahr 2024 mitgeben. 

Ziel: ein bis zwei Hauptwettkämpfe
Warum ein mit Datum definiertes Ziel so wichtig ist? Weil man damit die benötigten Trainingsinhalte definieren kann – und weil das Ziel auch bei Unlust, Schmuddelwetter und (vermeintlichem) Zeitmangel Anreiz ist, eine Einheit nicht einfach ausfallen zu lassen. „Ein Ziel soll hauptsächlich Spaß machen – wir reden hier schließlich vom Hobbysport“, sagt Robert Fritz, der selbst sein Jahresziel, das Cape Epic-Mountainbikerennen in Südafrika, längst festgelegt hat und mitten in der Vorbereitung steckt. „Zugleich würde ich raten, mutig zu sein, Neues auszuprobieren. Das ist wie beim Essen: Wenn du etwas noch nie gekostet hast, kannst du nicht sagen, ob es dir schmeckt.“

„Als Ausdauersportler“, rät Michael Koller, „sucht man sich sinnvollerweise einen oder zwei Wettkämpfe und legt sie als seine Hauptwettkämpfe fest. Was nicht heißt, dass es nicht mehr Wettkämpfe pro Jahr sein dürfen – aber oberste Priorität sollten die gesetzten Hauptwettkämpfe haben.“ Vom anvisierten Datum aus werden die Vorbereitungsphasen „rückwärts“ geplant. Bei dieser groben Jahreseinteilung spricht man von „Zyklisierung“.

Zyklisieren: das Jahr in Trainingsphasen einteilen
„Vom Datum meines Hauptwettkampfes rechne ich rückwärts: 12 bis 14 Wochen sollten zur spezifischen Wettkampfvorbereitung eingeplant werden“, weiß Koller – was eben in den typischen 12-Wochen-Trainingsplänen abgebildet ist. Bei größeren Herausforderungen wie etwa Marathons, Langdistanzen oder Vergleichbarem zieht man zudem in den letzten sechs Wochen noch eine „unmittelbare Wettkampfvorbereitung“ sowie ein zweiwöchiges Tapering mit deutlich reduzierten Trainingsumfängen ein, rät Koller. „Bei kürzeren Wettkämpfen fällt die unmittelbare Wettkampfvorbereitung weg und das Tapering verkürzt sich auf 10 bis 7 Tage.“ 

Vor der spezifischen Wettkampfvorbereitung sollte im Regelfall eine Grundlagenphase liegen. Nimmt man diese ebenfalls mit 12 Wochen an, rechnet 12 Wochen Wettkampfvorbereitung plus zwei Wochen Tapering  dazu, ergeben sich schon 26 Wochen – ein halbes Jahr ist schon um. „Die Grundlagenphase ist aber nicht auf 12 Wochen limitiert“, präzisiert Michael Koller, „sie kann auch wesentlich länger dauern. Die Trainingsinhalte hier haben einen großen gesundheitlichen Benefit. Geht es rein um Gesundheitsförderung, wird nur Grundlage trainiert.“ 

Aber auf jeden Fall gilt: genügend Zeit für die Vorbereitung einplanen. Wer jetzt erst mit systematischem Grundlagentraining beginnt, sollte sein ehrgeiziges Saisonhighlight lieber in den Sommer oder Herbst setzen. Neigt sich die persönliche Grundlagenphase aber dem Ende zu, spricht nichts gegen den Aufbau in Richtung eines April- oder Mai-Highlights ab Jänner, Februar.
Nach einem Hauptwettkampf sollte eine Regenerationsphase folgen, ehe wieder ins Training eingestiegen wird. Regenerationsphasen und Grundlagenphasen sollen nicht zu kurz kommen – denn wer immer eine spezifische Wettkampfvorbereitung auf die andere folgen lässt, wird den Körper bald überfordern, in Verletzungen oder Übertraining schlittern, mahnen Fritz und Koller.

Periodisieren – das Trainingsgerüst mit Inhalt füllen
Wer nun seine Trainingszyklen kennt, kann sich an die „Periodisierung“ machen: Periodisieren heißt, die Trainingsphasen mit konkreten, passenden Inhalten zu füllen. Ohne hier ins Detail zu gehen ein paar Hinweise: Es geht etwa auch darum, Belastungswochen und Regenerationswochen aufeinander abzustimmen. „Früher hat man sehr starr periodisiert, etwa auf drei Belastungswochen eine Erholungswoche folgen lassen. Heute weiß man: Nicht jeder Mensch passt in dieses eine Schema rein“, sagt Fritz. Wichtig ist aber, dass auch hier die Regeneration nicht zu kurz kommt. 

„In den Grundlagenphasen kann und soll man sehr unspezifisch trainieren, viele Sportarten verwenden, jetzt im Winter etwa Skitouren gehen, langlaufen, schneeschuhwandern, um sein Fundament zu bauen. Je näher zum Wettkampf, umso spezifischer wird es. Nutzt das große sportliche Portfolio, das es gibt“, erklärt Fritz.

Wann zur Leistungsdiagnostik?
Auf den Wert einer Leistungsdiagnostik zur Standortbestimmung, aber auch zur medizinischen Absicherung, haben wir in unserer SPORTaktiv-Doc-Serie schon im Detail hingewiesen. Die Frage, die sich jetzt aufdrängt: Wann im Jahreskreis passt diese? Michael Koller: „Aus sportwissenschaftlicher Sicht ist die Leistungsdiagnostik immer am Übergang zwischen den Phasen sinnvoll: zwischen Regenerationsphase und Grundlagenphase – und auch beim Übergang der Grundlagenphase zur spezifischen Vorbereitung. Das sind auch die interessanten Messpunkte für einen Saisonvergleich, um seine Leistungsentwicklung langfristig kontrollieren zu können.“

Robert Fritz ergänzt: „Aus medizinischer Sicht reicht eine Leistungsdiagnostik einmal im Jahr, am besten am Übergang in die Grundlagenphase. Nach dem Wettkampf, wenn der Neuaufbau beginnt, kommt die medizinische Leistungsdiagnostik – mit Blutlabor und Herzcheck unter Belastung. Bei allen, die gesund sind, reicht einmal im Jahr. Besteht ein medizinisches Problem, sollte öfter kontrolliert werden.“

Wo man die Leistungsdiagnostik durchführen lässt, findet man auch Experten, die einem beim Erstellen von Trainingsplänen helfen – oder diese fix und fertig aufs eigene Ziel, die eigenen Zeitressourcen und so weiter abgestimmt liefern.
 
„Ziele soll man definieren, weil sie sinnvoll sind und Motivation schaffen“, fasst Robert Fritz zusammen – „gerade in der kalten Jahreszeit. Setz dir Ziele, setz dir deine Motivation. Plane überlegt und schau, dass du Highlights setzt – und dann holst du dir deine Lorbeeren dabei ab.“ Und nach dem Ziel ist vor dem Ziel: „Danach beginnt die Planung von Neuem – weil nach dieser Saison die nächste kommt. Man kann und soll das Planungsspiel ruhig aufbauend betrachten: Der totale Sportanfänger, der irgendwann einen Marathon laufen will, wird das 2024 sinnvollerweise noch nicht machen. Aber 2025 oder 26 oder zum runden Geburtstag in ein paar Jahren – da ist es sehr wohl realistisch. Warte nicht zu, sondern starte genau jetzt mit der Planung dafür!“  

Bausteine für den sportlichen Jahresplan

  • Grundlagenphase: zum Aufbau der Grundlagenausdauer – sollte mindestens einmal jährlich für zumindest 12 Wochen eingeplant sein.
  • Spezifische Wettkampfvorbereitung: 12 bis 14 Wochen sollten dafür eingeplant werden, um sich etwa auf einen Halbmarathon oder einen kürzeren bis mittellangen MTB-Event vorzubereiten – und dort auch in Höchstform zu sein. 
  • Unmittelbare Wettkampfvorbereitung: Bei großen Herausforderungen wie Marathons, langen MTB- und Rennradmarathons, Ultradistanzen u. ä. sollten zusätzliche ca. 6 Wochen der „unmittelbaren Wettkampfvorbereitung“ dienen.
  • Regenerationsphase: Nach dem Hauptwettkampf sollten zumindest 3 bis 4 Wochen der Regeneration eingeplant werden, bevor der Neuaufbau startet.
  • Rechenbeispiele:
    • Ziel Marathonteilnahme Vienna City Marathon am 20. April 2024: 12 Wochen spezifische Wettkampfvorbereitung sollte spätestens ca. Mitte Jänner starten, der Grundlagenaufbau seit Ende Oktober bereits laufen.
    • Ziel Salzkammergut Trophy MTB-Marathon am 13. Juli 2024: spezifische Wettkampfvorbereitung Start Mitte April, Grundlagenphase Start Anfang Februar.
Dr. Robert Fritz
Dr. Robert Fritz

Der Sport- und Ernährungsmediziner ist einer der Gründer und medizinischer Leiter einer Unit der „Sportordination“ in Wien und einer der bekanntesten Sportärzte in Österreich. Als „SPORTaktiv-Doc“ beleuchtet er kompetent in jeder Ausgabe ein Sport- oder Ernährungsthema.


Web: www.sportordination.com

Philipp Kreidl
Mag. Michael Koller, MPH

Der Sportwissenschafter ist Leiter der Sportwissenschaft und Trainings­steuerung der Sportordination. Er ist für Leistungsdiagnostiken und Trainingsplanung zuständig.

Web: www.sportordination.com