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Trainingssteuerung per Watt- oder Herzfrequenzmessung? Im Profi-Radsport geht nichts mehr ohne Wattwerte – und auch unter Hobbysportlern verbreiten sich Wattkurbeln immer mehr. Aber was können sich Hobbysportler von Profis abschauen und von deren Trainingsmethoden ableiten? SPORTaktiv hat Mountainbike-Profi Max Foidl und den Athleten-Manager von dessen Sponsor Pure Encapsulations®, den Sportwissenschafter und Watt-erfahrenen Hobbybiker Max Hofstätter, zum Gespräch gebeten.
Max, welche Rolle spielt das Thema Wattmessung in deinem Profi-Mountainbiketraining, und wie geht ihr zugleich mit der Herzfrequenz um?
Max Foidl: Beides spielt eine sehr große Rolle. Messbarkeit hat generell im Radsport eine riesige Bedeutung bekommen: Denn was messbar ist, ist auch verbesserbar, reproduzierbar, vergleichbar. Für die Sport- und Trainingswissenschaften ergeben sich damit, insbesondere seit Verbreitung der Wattmessung, unendliche Möglichkeiten. Die Messbarkeit der Leistung in Watt ist zudem Radsport-spezifisch. Im Langlaufsport etwa, wo die Steuerung des Trainings über die Herzfrequenz erfolgt, kommen die Schneebedingungen, die Ski, das Wachs als externe Einflussfaktoren dazu. Im Radsport gibt es zwar auch eine Materialkomponente – du kannst aber durch Wattmessung die äußeren Bedingungen wegschalten. Das hebt den Radsport, vor allem auf der Straße, aber auch im Mountainbiken, auf dieses unglaubliche Niveau, das er jetzt hat. Im Straßenradsport hast du in jedem Rennen heute zehn Armstrongs oder zehn Pantanis.
Und dieses hohe Niveau hat mit Messbarkeit, mit Wattmessung zu tun?
Max Foidl: Meiner Meinung nach ist es ein Riesenteil davon. Auch im Scouting ergeben sich ganz andere Möglichkeiten: Wer früher einfach Pech hatte und ein Rennen nicht gewonnen hat, aber den „Motor“, sprich: die Anlagen hatte, der wurde eben nicht gefunden. Jetzt findest du ihn aber.
Max Hofstätter: Das beste Beispiel dafür ist die Zwift Academy, wo Leute aufgrund der Wattwerte, die sie zu treten imstande sind, Profiverträge bekommen.
Wenn du dich aufs Rad setzt, werden folglich deine Daten vollständig aufgezeichnet und ausgewertet – von dir selbst oder jemand anderem?
Max Foidl: Nicht mehr von mir selbst, aber von den Trainern. Dadurch, dass ich jeden Tag meine Wattwerte beim Fahren sehe, habe ich natürlich selbst viel Erfahrung damit. Jeder Tag ist aufgezeichnet und dadurch wird auch jeder Tag gesteuert. Mein Plan ist hauptsächlich wattbasiert, ich habe meine Vorgaben, die ich fahren sollte und ich sehe auch, was am Ende rauskommt.
Und welche Rolle spielt bei all dem noch die Herzfrequenz?
Max Foidl: Die Herzfrequenz ist die zweite Komponente. Durch die Wattmessung ist sie ein bisschen untergegangen, aber du kannst auch damit viel interpretieren und steuern. Ich fahre zum Beispiel eine Grundlageneinheit nicht zwingend nach Watt, sondern in einem bestimmten Herzfrequenzbereich – wobei an einem normalen Tag am Ende wieder das Gleiche rauskommt. Du kannst aber zum Beispiel Müdigkeit über die Herzfrequenz extrem gut verfolgen.
Max Hofstätter: Als Überblick kann man glaube ich sagen: Die Herzfrequenz ist ein sehr guter Parameter, um zu kontrollieren, was zusätzlich noch im Körper passiert – was der Wattwert ja nicht widerspiegelt. Du kannst ein Intervall mit einem Wattwert fahren und am nächsten Tag mit dem gleichen Wert; das Ergebnis schaut gleich aus und vielleicht fährst du es auch in der ungefähr gleichen Zeit. Aber Empfinden und Trainingsreiz sind völlig andere, wenn beispielsweise einmal die Speicher gefüllt und einmal leer sind. Das zeigt sich in der Herzfrequenz, diese trifft im Endeffekt eine ganz andere Aussage.
Max Foidl: Genau – Herzfrequenz ist noch einmal ein Extraparameter. Die Trainingssteuerung erfolgt nicht aufgrund eines Parameters, auch nicht aufgrund von zwei, sondern du hast fünf oder sechs Parameter, die wichtig sind. Zusätzlich zu Watt und Herzfrequenz etwa die Herzratenvariabilität, „Stress Scores“ und dein eigenes Gefühl.
Max Hofstätter: Was mich sehr interessieren würde, Max – hat sich für dich durch wattgesteuertes Training der Spaß am Radfahren verändert?
Max Foidl: Das kommt auf den Plan an. Aber ja, den Spaß kannst du verlieren. Das ist ein großes Thema. Zumindest in meiner Generation ist jeder durch diese Phase gegangen – wo du dich beispielsweise in Situationen erwischst, durch die Kurve zu treten nur wegen der Watt. Mittlerweile habe ich eine andere Einstellung dazu – es Gelassenheit zu nennen, trifft es ganz gut. Aber es gibt eine Phase als junger Athlet, wo du diese Gelassenheit nicht hast.
Max Hofstätter: Aus meiner eigener Erfahrung: Als ich für Langdistanz-Triathlons trainiert haben, wattgesteuert, war es für mich eine große Erlösung, als ich danach wieder Radfahren gehen konnte, ohne auf Wattwerte zu schauen. Weil es ein ganz anderes Radfahren bedeutet.
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Wenn man das Gesagte auf einen Hobbybiker umlegen will – was kann der für sich davon ableiten?
Max Foidl: Der Hobbybiker bekommt zunächst um wenig Geld ein Powermeter und kann damit spielen. Die Vergleichbarkeit macht einiges vom Reiz des Radsports aus: Du weißt, der Profi tritt bei der Tour de France so und so viel Watt – und selbst, wenn du Welten davon entfernt bist, fasziniert dich das und du schaust einmal: Wieviel fahre ich jetzt?
Max Hofstätter: Der Hobbysport lebt einerseits von der Vergleichbarkeit. Strava gibt es deshalb, weil die Leute sich vergleichen wollen. Gleichzeitig ist es schon so, dass Wattmessung sicher auch im Hobbybereich als Tool zur Trainingssteuerung herangezogen wird, wenn man sich etwa einen Rad- oder Mountainbike-Marathon vornimmt.
Am konkreten Beispiel eines Hobbybikers, der sich erstmalig auf ein Marathonrennen gezielt vorbereiten will: Wie soll er vorgehen? Welche Schritte soll er gehen und welche Bedingungen zuvor erfüllen, ehe die Frage kommt: Trainiere ich nach Watt oder Herzfrequenz?
Max Hofstätter: Das ist sehr individuell zu betrachten. Aber es gibt zunächst verschiedene Verfahren, um die persönlichen Trainingsbereiche und Schwellenbereiche festzulegen – mit einer Wattmesskurbel beispielsweise „FTP-Tests“, Functional Threshold Power Tests. Das ersetzt zwar nicht die Leistungsüberprüfung durch eine Spiroergometrie im Labor, doch im Feldtest mit dem eigenen Rad kann man, wenn man eine Wattmesskurbel besitzt, kostengünstiger und ohne auf einen Termin warten zu müssen, selbst eine Kenngröße bestimmen, die man zur Trainingssteuerung bzw. -überprüfung heranziehen kann. Die Herzfrequenz als kontrollierenden Parameter würde ich aber unbedingt dazunehmen.
Max Foidl: Da greift das, was du vorhin beschrieben hast, sehr stark: Wenn der Hobbybiker einen schlechten Tag hat und sich im gleichen Wattbereich bewegt, kann seine Herzfrequenz zehn oder 20 Schläge höher sein als sonst. Deshalb würde ich bei der Grundlagenausdauer unbedingt zur Steuerung per Herzfrequenz raten.
Max Hofstätter: Wo Wattsteuerung für den Hobbybiker sicher auch interessant ist, ist Pacingtraining. Und damit in Verbindung, Gefühl fürs Renntempo zu entwickeln. Da wird es wieder interessant: Wenn du einen Trainer hast, der dir sagen kann: die Strecke hat drei große Berge, fahr den ersten nicht über einem bestimmten Wattwert, auch wenn es sich subjektiv leicht anfühlt. Beim zweiten oder spätestens dritten Berg weißt du, warum du dich daran gehalten hast.
Max Foidl: Weil die Frage auch war, welche Bedingungen zuvor erfüllt sein sollen, bevor sich die Frage Watt oder Herzfrequenz stellt: Es gibt einen schönen Satz vom Lauftrainer Michael Joyner, der trifft es sehr gut: Run a lot of miles, some faster than your race pace, rest once in a while. Dieser Satz ist so gut, weil er einerseits zusammenfasst, was jeder macht, der nach Plan trainiert, und andererseits auch zeigt, dass du die Physiologie nicht verkomplizieren musst: Wenn du genug fährst, manchmal schnell, großteils langsam und auch einmal eine Pause machst, wirst du besser.
Max Hofstätter: Das ist etwas, was einem Hobbyathleten sehr schnell passiert: Auf Regeneration zu vergessen. Weil Verpflichtungen durch Familie und Beruf nicht dazu beitragen, sich gut zu erholen, und dann nur ein gewisses Zeitfenster für Training zur Verfügung steht. Erholungsphasen sind es bekanntlich, die dich in einem Trainingsprozess vorwärts bringen.
Und zur Frage „Watt oder Herzfrequenz“: Kommt man als Hobbybiker auch rein mit der Steuerung der Herzfrequenz sehr gut durch und kann seine Ziele gut erreichen, oder macht es Wattmessung doch einfacher?
Max Foidl: Ich würde sagen, dass man mit Watt leichter etwas falsch machen kann als mit Herzfrequenz. Weil die Leistungsmessung den Faktor Mensch weglässt. Du als Mensch musst diese Watt produzieren. Aber in der Vorgabe steht nicht drin, wenn du schlecht geschlafen hast und dein Puls gerade zehn Schläge höher ist, dann mach etwas anderes. Für mich als Profi ist das im Normalfall vernachlässigbar, für den Hobbybiker keineswegs.
Max Hofstätter: Watt ist schon ein Parameter ist, der auch für den Hobbyathleten nützlich ist, aber von diesen mit Maß und Ziel eingesetzt werden muss. Fürs Screening ist es super, für die langfristige Trainingsbeobachtung ist es auch super, aber es soll nicht der einzige Parameter sein.
Welches Resümee würdet ihr am Ende ziehen?
Max Foidl: Wattmessung ist im Profisport Fluch und Segen – für die Athleten genauso wie für den Sport. Ohne Wattmessung müsste sich jeder auf sein Gefühl verlassen. Du könntest nicht sagen: Fahr dort diesen Wattwert und dort jenen, sondern: Schau einmal, was im Rennen passiert, und reagiere entsprechend darauf.
Max Hofstätter: Der Rennsport ist schon interessant geblieben, dem Zufall ist Einhalt geboten. Gleichzeitig ist auch in der sportwissenschaftlichen Trainingssteuerung weniger Zufall. Dadurch ist das Level stark gestiegen.
Und für den Hobbybiker – wie könnte das Kurzresümee da lauten?
Max Hofstätter: Wenn man gadget- und zahlenverliebt ist und sehr viele Parameter in seinem Training wissen möchte, ist eine Wattmesskurbel eine Bereicherung. Wenn du ein Gefühlsradfahrer bist und vor allem Spaß beim Radfahren haben möchtest, brauchst du keine Wattmesskurbel. Ich würde es jedenfalls schade finden, wenn Hobbyfahrer Radfahren nicht mehr schön finden, weil sie Wattwerte nicht mehr erreichen.
Max Foidl: Mein Ratschlag: Verliert euch nicht. Das Risiko ist gegeben, dass du beim Blick auf die Wattwerte vergisst, warum du eigentlich Rad fahren möchtest. Radfahren ist so ein geiler Sport. Für mich ist es mein Job, rauszugehen und an dem Tag bestimmte Wattwerte zu treten, weil ich weiß, es bringt etwas und ich das letzte Prozent damit ausreize. Dabei ist es so ein schön, einfach nur über seinen Hausberg zu fahren. Das soll man nicht vergessen und auch genießen.