„Gemma wandern“! Was früher vor allem bei den Jüngeren ein sattes Gähnen hervorrief, gilt heutzutage als trendiges Kommando, dem immer mehr Menschen folgen. Das liegt wohl auch an der Vielfalt und an den unterschiedlichsten Beweg(ungs)gründen, die die unkomplizierteste Art des Outdoorsports prägt. Foto: Hotel Zur Dorfschmiede

Viel wurde schon geforscht und theoretisiert, was es mit dem neu erwachten Boom um den Outdoorsport Wandern auf sich hat. Erklärungsansätze sehen zum Beispiel den fortschreitenden Trend zur Urbanisierung als großen Antrieb für immer mehr Menschen, wenigstens in der Freizeit einen Gegenpol zu suchen. Die psychologische Erklärung dahinter: Der Mensch ist seit Millionen Jahren auf eine grüne Umgebung gepolt, schon der Anblick eines grünen Baumes statt grauem Beton lässt Studien zufolge den Stresspegel sinken und macht den Menschen zu einem geselligeren, sozialeren, weniger egoistischen Wesen.
Aber eigentlich ist das „Warum“ gar nicht entscheidend. Fakten sind: Outdoorsport boomt, weil es vielen Menschen einen subjektiv empfundenen und objektiv messbaren Gewinn an Lebensqualität bringt. Und zu Fuß die Natur zu erwandern, ist eben der Outdoorsport mit der niedrigsten Einstiegsschwelle. Fast jeder kann wandern, die Sportart lässt sich so unterschiedlich gestalten, dass sie für jeden Fitnesslevel passt. Vom beschleunigten Spazierengehen in der Ebene bis zum Kalorienkiller, Ausdauersport oder Extrem-Event.
Die Vielfalt des Wanderns zeigt sich in den Varianten, die neben dem „normalen“, eintägigen „Berggehen“ die Lust am Naturerlebnis schüren. Es lohnt sich schon, sich diese ganze bunte Palette (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einmal vor Augen zu führen – schließlich sorgt Abwechslung auch für Langzeitmotivation. Und vielleicht entdeckt so noch der eine oder andere Quereinsteiger aus der SPORTaktiv-Leserfamilie die neue Lust am Wandern ... Zur SPORTaktiv-Umfrage: Was bedeutet Wandern für dich?

WEITWANDERN: EINFACH WEIT WANDERN
Weitwandern, Mehrtagestouren in der Ebene oder im Gebirge von Hütte zu Hütte, oder gar grenzüberschreitendes Fernwandern: Einheitliche Defi nitionen für die ausgedehnten Spielarten des Wandersports gibt es zwar nicht, aber es ist eine Tatsache, dass mit dem neuen Boom um den Outdoorsport Wandern bei vielen die Lust auf längere Touren erwacht ist. Über mehrere Tage, Wochen oder sogar Monate hinweg aus dem Alltag auszusteigen, potenziert den Erholungswert im Vergleich zu Eintages-Touren – sagen zumindest viele „g’standene“ Weitwanderer.
Einen „Weitwanderboom“ merkt man auch an vielen neuen, oft vom Tourismus initiierten Angeboten, die in der jüngsten Zeit entstanden und die traditionsreichen Weitwanderwege ergänzen. Steckt der Fremdenverkehr hinter solchen Angeboten (wie z. B. alle, die man auf der Homepage www.weitwanderwege.com findet), dann befürchten zwar manche Traditionalisten eine Verfälschung der Echtheit, gleichzeitig hat das aber auch unbestreitbare Servicevorteile: Immer mehr fertig buchbare „Weitwander-Pakete“ sind am Markt zu finden, dank denen man sich um Organisatorisches wie das Planen von Wegstrecken oder das Suchen von Quartieren nicht mehr selbst kümmern muss. Was freilich für viele zum authentischen Feeling beim Wandern dazugehört ...
Wie auch immer: Um an weite Wandertouren denken zu können, muss man körperlich über eine solide Grundkondition verfügen und sich durch eintägige Touren ans Rucksackgewicht und die spezifische Belastung beim Bergauf- und Bergabgehen gewöhnen. Und dann gilt natürlich: Nicht gleich mit Extremvarianten beginnen, sondern – wie in jedem Sport – langsam und vernün ig die Leistung steigern. Gut vorbereitet ist das lange Tourenerlebnis mit noch längerem Erholungswert aber für fast jede und jeden möglich.

WANDERN OHNE GEPÄCK
Auch bei dieser zunehmend beliebten Variante des mehrtägigen Wanderns steckt meist der Tourismus dahinter. Der Gast, der beim Buchen eines Wanderpackages die Option „Gepäcktransport“ ankreuzt, braucht nur den leichten Eintages-Rucksack umzuschnallen – das schwere Packerl wird von Unterkunft zu Unterkunft transportiert. Man braucht sich also beim Packen nicht mehr über jedes Gramm Gewicht Gedanken machen, sondern kann die Bergwelt unbeschwert genießen – und hat am Abend in jedem Fall trockene Sachen, auch wenn die Etappe im Dauerregen versinkt. „Dieses Angebot nutzen aber auch viele Menschen, die noch keine Erfahrung mit mehrtägigen Wanderungen haben. Ohne schweres Gepäck trauen sie es sich erstmals zu“, weiß etwa Christian Wandl, Hotelier in Leutasch (T).

WENN PILGER WANDERN
Auch das ist eine Form des weiten Wanderns: Allein oder in der Gruppe, auf traditionellen Pilgerpfaden oder auf einem ganz persönlichen Weg (den man zum Beispiel mit speziellen Erinnerungen verbindet), mit oder ohne religiösen Hintergrund – so unterschiedlich kann das Pilgerwandern sein. Gemeinsam ist den Protagonisten zumeist, dass sie ihre mehrtägige oder gar mehrwöchige wandernde Auszeit auch dazu nutzen, um in sich zu kehren, zu sich selbst zu finden, über die eigene Situation oder den Sinn des Daseins nachzudenken. Und am Ende im Ziel und bei sich selbst anzukommen, zufrieden über die geschaffte Leistung – und mit sich im Reinen.

WANDERN MIT GRIPS
Keine neue Erfindung, sondern wie so vieles im Wandern neu wiederentdeckt: „Lehrpfade“ gab es schließlich schon im frühen vorigen Jahrhundert. In den letzten Jahren feiert diese Idee, einen Weg thematisch aufzuladen und so Wanderern einen Mehrwert zu bieten, eine Renaissance – in Form unzähliger, jüngst entstandener „Erlebnis- und Themenwege“.
Klar, auch hier steckt oft (aber nicht immer) die Tourismuswirtschaft dahinter. Themenwege können sich aus natürlichen Ressourcen ergeben (z. B. rund ums Thema Wasser), es kann sich um Kunstwerke, Installationen in der Landschaft oder Mitmach- Stationen handeln – den Ideen der Wegebauer sind keine kreativen Grenzen gesetzt. Viele der modernen Themenwege sind auf Familien mit Kindern ausgerichtet, schließlich kann man den Nachwuchs mit überschaubaren Etappen und zwischenzeitlich eingestreuten „Belohnungen“ (in Form von Erlebnisstationen) viel leichter zum Gehen motivieren als mit einem Ziel, das „irgendwo“ in der Ferne liegt ...

WANDERN MIT VOLLGAS: SPEED HIKING
Das ist die schnellste sportliche Form des Wanderns oder „Nordic Walking im Gelände“ – ganz wie man will. Den Wanderschritt mit Stöcken zu beschleunigen, also diese nicht nur zur Gelenksentlastung, sondern aktiv für den Vortrieb einzusetzen, verlangt aber die richtige Technik (ein Grund, warum Speed Hiking in eigenen Kursen gelehrt wird), ein wenig Übung – und natürlich die nötige Portion Kondition. Viele Langläufer und Skitourensportler schwören daher auf den Trainingseffekt beim Bergaufmarschieren mit Stöcken, um richtig fit über den Sommer zu kommen.
Ob man im schnellen Modus auch den gleichen Erholungseffekt in der Natur empfindet oder sich dieser lieber in beschaulichem Tempo nähert, ist sicher typabhängig – jedenfalls erklären sogar toptrainierte Bergläufer immer wieder, dass sie auch in ihrem Outdoorsport mit der Landschaft eins werden, der Genuss dabei keineswegs zu kurz kommt. Apropos Bergläufer: Speed Hiking ist auch die ideale Möglichkeit für alle, noch größeren Trainingseffekt aus dem Wandern zu ziehen, ohne schon über den exzellenten Trainingszustand eines Trailrunners verfügen zu müssen. Am Ende noch ein ein Technik-Tipp: Beim Speed Hiking für den Schub keine Teleskop-Trekkingstöcke verwenden, sondern robuste Nordic Walking- oder Langlaufstöcke!

WANDERN UNTER TAGE: HÖHLENWANDERN
Neue Perspektiven erweitern den persönlichen Horizont. Allein das ist schon ein guter Grund, sich die Bergwelt einmal auf der „Innenseite“ anzuschauen. Höhlentrekking, Caving, Höhlenwandern – so die Bezeichnungen dieser Wandervariante. Natürlich gibt es Führungen in diversen Höhlen schon seit Jahrzehnten, moderne Ausrüstung mit Gurt und Karabiner, klettersteigähnliche Elemente und bestens geschulte Guides sorgen heutzutage aber für einen deutlich gesteigerten Erlebniswert.

WANDERN IN DER STADT
Innsbruck hat den Patscherkofel, Salzburg den Untersberg, Wien den Kahlenberg. Und überhaupt hat jede größere österreichische Stadt ihren Hausberg, wo auch Städter schnell die Erholung im Grünraum finden. Aber auch in den Städten selbst finden sich schöne Touren – oft mit viel Grünanteil. Das Internet ist eine Fundgrube von Tourenvorschlägen, die sich auch aufs Smartphone oder Outdoor-Navi laden lassen, und dank denen es GPS-gesteuert auf Entdeckungsreise durch unsere wanderbaren Städte geht.

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