Freizeitläufern mangelt es oft an der Grundlagenausdauer. Mit einem gelegentlichen – betont lockeren – Investment in die wichtige Basis würde es in der Folge aber gleich besser und leichter laufen. Jetzt ist genau die richtige Zeit für Langsamkeit.

Christof Domenig
Christof Domenig

Unterziehen sich Freizeitläufer zum ersten Mal einer Leistungsdiagnostik – die übrigens eine überaus wertvolle Sache ist, wie hier schon öfters dargestellt –, dann ist ein Resultat signifikant häufig zu beobachten: Es mangelt an der Grundlagenausdauer. Warum, ist auch kein Mysterium: Grundlageneinheiten sind möglichst gleichmäßig und vor allem niedrig intensiv durchzuführen. Wer aber nicht gerade langjährige Erfahrung im gezielten und differenzierten Ausdauertraining hat, wird sich intuitiv in einem mittleren Intensitätsbereich einpendeln, erklärt Sportwissenschafter und Trainingsexperte Hans Holdhaus. Dieser intuitiv angesteuerte Bereich wird oft als „Wohlfühlbereich“ bezeichnet, hat jedoch einen klaren Nachteil: Man verbessert sich damit kaum bis gar nicht.

Die grundsätzlich viel trainingsnützlicheren, langsamen, von Monotonie geprägten Grundlagenausdauereinheiten – die werden von den meisten andererseits als nicht sehr spannend empfunden. Dass man im Grundlagentempo von praktisch allen anderen auf der Laufstrecke überholt wird, wenn man nicht gerade Spitzenläufer ist, muss man zudem verschmerzen können. Ein Dilemma? Ja, zumindest auf kurze Sicht. Aber es ist einfach überaus lohnend, weiß Holdhaus, zwischendurch in die Grundlage zu investieren. Der Experte vergleicht den Trainingsaufbau gern mit dem Hausbau. Grundlagenausdauer ist das Fundament. Ist das noch zu schwach ausgebildet, „dann wird es vielleicht noch gelingen, einen Stock draufzusetzen, aber spätestens beim zweiten Stock stürzt das Ganze ein“.
 

Grundlagentraining sorgt für ein ökonomisches Herz-Kreislauf-System, das Herz kann mehr Blut pro Schlag auswerfen.

Führt man sich die vielfältigen Effekte eines Grundlagenausdauertrainings vor Augen, sollte die Entscheidung „pro Grundlage“ noch einmal leichter fallen. Da lohnt es sich, einmal jährlich für einen Grundlagenblock in den sauren Apfel zu beißen. Holdhaus zählt auf: „Physiologisch verbessert sich zunächst die Sauerstoffversorgung: Grundlagentraining sorgt für ein effizientes, ökonomisches Herz-­Kreislauf-System. Das Herz kann mehr Blut pro Schlag auswerfen und das hilft im Prinzip, länger durchzuhalten.“ Oder: „Die Fettverbrennung verbessert sich. Fett ist immer genügend vorhanden und eine effiziente Energiequelle.“ Bei höheren Intensitäten ist man stattdessen im Kohlenhydratstoffwechsel und zehrt von der wertvollen, weil begrenzten Energiequelle der Kohlenhydrate. „Mit einer gut trainierten Grundlage wird weniger Milchsäure, also Laktat produziert – diese wirkt muskelermüdend,  hemmt die Leistung“, erklärt Holdhaus weiter. „Auch die Regenerationsfähigkeit wird besser, und das merkt man im Alltag und im Beruf wie im Sport: Eine gut trainierte Grundlagenausdauer unterstützt den Körper dabei, Belastungsreize jeder Art gut zu verarbeiten.“

Medizinisch betrachtet ist Grundlagenausdauertraining ebenfalls besonders wertvoll – weil sich dadurch etwa der Blutdruck auf ein gesundes Maß reguliert. Aber auch der Stress wird abgebaut und die Psyche gestreichelt: Die vielen Eindrücke und Reize eines Tages, wie wir sie etwa von den digitalen Medien längst im Übermaß abbekommen, lassen sich mit einer abendlichen lockeren Grundlagenlaufrunde sehr gut verarbeiten, der Kopf wird sprichwörtlich „freigelaufen“.

Wie geht man’s konkret an?
All diese Benefits lassen sich mit einem 8- oder besser 12-wöchigen Grundlagen-Block aktivieren. Doch zunächst: Wie findet man den passenden Intensitätsbereich und sein Grundlagentempo? Weil wir alle Individuen sind, sind Pauschalaussagen schwer zu treffen – exakt lässt sich das passende Tempo auf Grundlage einer Leistungsdiagnostik finden. Versuchen wir trotzdem hier eine Annäherung: Gerade für weniger gut Trainierte heißt es: Sehr langsames Lauftempo, mitunter sogar Gehtempo. Auf jeden Fall langsamer, als es das Gefühl diktiert. Faustformeln gibt es dazu auch. Eine gängige für den Grundlagenausdauerbereich lautet: 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Eine andere, die für Hans Holdhaus oft noch besser passt: 180 minus Lebensalter. Was auf jeden Fall zu empfehlen ist: Die Trainingsherzfrequenz mit einer Sport­uhr zu überwachen. Steigt der Puls höher, als er soll, wird (noch mehr) Tempo rausgenommen oder aber eine Gehpause eingelegt. Logisch: Die Strecke sollte in den Grundlageneinheiten möglichst eben sein.

Für einen Grundlagenblock sind darüber hinaus Regelmäßigkeit und einiges an Zeitressourcen vonnöten: Zumindest drei Laufeinheiten sollten pro Woche absolviert werden, um die gewünschte Anpassung zu erreichen, empfiehlt Holdhaus. Grundlagentrainingsläufe sollte man allein absolvieren, weil das gleiche Tempo kaum einmal für zwei Trainingspartner passt. 

Wie eine Trainingswoche, über die sich dann ein 8- bis 12-wöchiger Grundlagenblock selber zusammenbauen lässt, konkret ausschauen kann, haben wir mit dem Experten gemeinsam im Kasten aufgelistet. Das schaut dann gleich gar nicht mehr so monoton aus: Abgesehen von einer langen Einheit ab 90 Minuten (sinnvollerweise am Wochenende), müssen die restlichen Trainings nicht überlang sein, lassen sich auch für Berufstätige morgens oder abends gut unterbringen, und sind mit Warm-up und Cool-down (die Hans Holdhaus explizit für alle Einheiten empfiehlt) in einer Stunde erledigt. Eine schnelle Einheit pro Woche ist als Ergänzung ebenfalls dabei. Nicht fehlen sollen auch Kraft- und Stabilisations- sowie Mobilisationseinheiten – das schafft auch muskulär eine gute Basis für weitere, höhere Aufgaben. 
 

Grundlagen-Block

Beispiel-Trainingswoche
Jede Laufeinheit beginnt mit 5–10 min Aufwärmen/Traben/Schwunggymnastik; endet mit 5–10 min Cool down/Ausgehen

  • Montag: 45 min Grundlagenlauf (70 % Hfmax*)
  • Dienstag: 30 min Intervall, z.B.: 30 sec bis 1 min Tempolauf mit 2 min Gehpausen dazwischen
  • Mittwoch: Aktive Erholung (Spazierengehen, Mobilisieren, Yoga o. Ä.)
  • Donnerstag: 45 min Grundlagenlauf (70 % Hfmax*)
  • Freitag: Kraft-/Stabilitätstraining
  • Samstag: langer Grundlagenlauf  90–120 min (70 % Hfmax*)
  • Sonntag: Erholungstag

Das Programm in leichter Variation 8–12 Wochen durchziehen, in den Wochen 4, 8 und 12 Erholungswochen mit verringertem Umfang einplanen. Die Länge des langen Laufs nach Gefühl Stück für Stück steigern; bei ca. 90 Minuten beginnen, auf bis zu 120 min erhöhen.

*So lässt sich die persönliche maximale Herzfrequenz selbst herausfinden: 1000 Meter zügig laufen und anschließend etwa 200 Meter sprinten – jetzt ist die Herzfrequenz nah am Maximalwert. Besser: persönliche Trainingsbereiche per Leistungsdiagnostik bestimmen. 

Motivierende Effekte kommen bald
Nach wenigen Wochen, so das Versprechen vom Experten, wird man erste Verbesserungen bemerken: dass die Herzfrequenz bei gleichem Tempo sinkt oder, andersrum betrachtet, das Lauftempo im Grundlagenbereich höher werden kann. Bewältigte Strecken werden Stück für Stück länger werden und nicht nur das Laufen, auch im Alltag fällt vieles bald spürbar leichter. Speziell Einsteiger und alle, die zum ersten Mal gezielt trainieren, merken solche Änderungen rasch.

Noch etwas: Gerade lange Grundlageneinheiten werden, wenn man die niedrige Intensität einmal gewohnt ist, dann oft sogar als bereichernd empfunden – weil sie Zeit für sich selbst bedeuten, die Gedanken frei fließen und Stress abgebaut wird. Oder weil man herrlich die Umgebung in sich aufsaugen kann. Statt immer die gleiche Strecke zu laufen, kann und soll man sich auch auf Entdeckungsreise begeben – öfters anders abbiegen, die Umgebung erkunden, seine Heimat neu kennenlernen. Oder aber: Ohrstöpsel rein, Musik oder einen Podcast hören, die Aufnahmefähigkeit des Geistes nutzen. Auch alternative Sportarten sind sehr gut – eine Radrunde, eine Wanderung; alles, was der goldene Herbst hergibt. Und nach acht bis zwölf Wochen Grundlagentraining heißt es, läuferisch ins nächste Level zu starten.

Mag. Hans Holdhaus
Mag. Hans Holdhaus

Der Sportwissenschafter und Coach ist Mitbegründer und Geschäftsführer von „Holdhaus-Nord“ in Kottingbrunn (NÖ), arbeitet mit zahlreichen Spitzen- und Freizeitsportlern.

WEB: www.holdhausnord.at