Frauen ticken anders ... auch beim Skifahren. Die Sportartikelindustrie hat auf diesen Umstand mit spezieller Ausrüstung für Damen reagiert. Ob die Modelle „für sie" tatsächlich Sinn machen und wie Männlein und Weiblein sich sonst auf der Piste unterscheiden? SPORTaktiv kennt die Antworten.

Von Claudia Riedl


Sie ist gern mit Blümchen oder anderen Mustern verziert und sieht adrett aus: die Wintersportausrüstung für Frauen. Alles Mädchenkram? Von wegen! Nicht erst seit diesem Winter bietet der Markt Skiequipment extra für die Dame, das sich aber nicht nur in der Optik, sondern auch in der Funktion vielfach von den klassischen Unisex-Modellen unterscheidet. Und das hat schon seine Gründe. Petra Hofer von Giga­sport verrät uns im Folgenden, wie die „feminine" Skiausrüstung funktioniert, was es beim Kauf zu beachten gilt – und wie „frau" fahr- und styletechnisch diesen Winter ganz leicht die Kurve kriegt.

SINN ODER UNSINN?
Derzeit gibt es auf dem Sportartikelmarkt eine breite Palette an frauenspezifischer Skiausrüstung. Vor allem die Damenskier bzw. Ladycarver, die Bindungen und Skischuhe sind genau auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten. Den „femininen" Handschuh gibt's noch obendrauf.
Ob die Damenausrüstung auch wirklich Sinn macht, wollten wir von Ski-Expertin Petra Hofer von Gigasport Graz genauer wissen. Und sie erklärt uns gleich: „Damenskier und Co. haben absolut ihren Nutzen. Frauen haben einfach einen anderen Körperbau als Männer und auch der weibliche Körperschwerpunkt liegt durch das breitere Becken, die schmälere Taille und die Rundungen an Bauch, Beinen und Po weiter hinten. Natürlich spielen auch Gewicht und Größe eine Rolle. Frauen sind in der Regel kleiner und leichter als Herren, weisen meist eine schwächer ausgeprägte Muskulatur auf und können somit beim Skifahren auch weniger Kraft einsetzen."

DER SKI FÜR SIE
Wie werden diese Geschlechterunterschiede nun bei der Produktentwicklung umgesetzt? Petra Hofer wirft für uns einen Blick auf das Material: „Der Damenski unterscheidet sich vom klassischen Alpinski grundsätzlich in Gewicht, Optik und Montagemittelpunkt. Da die Frau im Schnitt weniger Kraft einsetzen kann, muss bei den Damenskiern das Gewicht reduziert werden. Um das zu erreichen, versehen einige Hersteller die Skier mit leichteren Holzkernen, z. B. aus Pappelholz oder sogar mit Kunststoffkernen.

Aufgrund des unterschiedlichen Körperschwerpunkts sitzt beim Damenski auch die Bindung weiter vorn, sodass „sie" den Ski mit weniger Kraftaufwand drehen kann. Optisch unterscheidet sich das Damen- vom Herrenmodell meist durch die Farbgebung oder durch typisch ‚weiblichen' Aufdruck. (Mehr zum Thema Ladyski liest du hier).

VON KOPF BIS FUSS
Weiter geht's mit den Skischuhen: Frauen brauchen anders geschnittene Skistiefel, die beim Abfahren nicht einschneiden. Sie haben meist dickere Waden, die auch noch tiefer ansetzen, weshalb die Damenskischuhe mit einem kürzeren Schaft ausgestattet sind. Da Frauen außerdem leichter frieren, haben die Skistiefel ein dickeres Innenfutter als vergleichbare Ausrüstung für Herren. Bei manchen Damenmodellen besteht übrigens auch die Schale aus mehreren Teilen, um die Kraftübertragung zu verbessern. Beim Skischuhkauf ist vor allem auf die richtige Passform zu achten – unsere Ski-Expertin hat hier einen Tipp: „Mit dem ‚Bootfitting', das wir bei Gigasport seit einigen Jahren anbieten, kann man seine Skischuhe über thermische Formung an die persönliche Fußform anpassen lassen. Auch Fußfehlstellungen werden berücksichtigt, damit auf der Piste nichts mehr drückt oder reibt."

Wo bei Damenski und -skischuh sehr viel Aufwand hinter der Produktentwicklung steckt, sind andere Ausrüstungsteile schon etwas einfacher von den Männermodellen abzuwandeln, wie uns die Gigasport-Expertin erklärt: „Der Helm für die Frau ist einfach etwas schmäler geschnitten als das Unisex-Modell und innen gerne mit warmer, kuscheliger Pelzfütterung versehen." Und auch bei der Skibrille gibt's Unterschiede: „Die Brille soll ja bekanntlich gut anliegen, bei der Frau aber zusätzlich die sensiblere weibliche Gesichtshaut nicht reizen und keine Abdrücke hinterlassen. Daher wird bei den Damenmodellen auch besonders weicher Schaum eingesetzt. Die Skibrille für ‚sie' ist außerdem filigraner als ihr männliches Pendant."

Für den Schutz der Finger bzw. der ganzen Hand sind beim Skifahren ja die Handschuhe zuständig. Auch von diesem wichtigen Ausrüstungsteil gibt es speziell auf die Bedürfnisse der Frau zugeschnittene Modelle. Diese sind nicht nur schmäler geschnitten, sondern meist auch mit einem schnell wärmenden Material wie Primaloft gefüttert, da Frauen im Schnitt auch an den Fingern rascher frieren. „Wer bei der Wärme keine Kompromisse eingehen will, greift am besten gleich zu beheizbaren Handschuhen", rät Petra Hofer.

Petra Hofer / Bild: Gigasport
Die
Expertin
PETRA HOFER ist Abteilungsleiterin der Bereiche Ski-Hartware und Fahrräder bei Gigasport Graz.

E-MAIL:Petra.Hofer@gigasport.at
WEB: www.gigasport.at


URBANER CHIC
In Sachen Optik unterscheidet sich das Skimaterial für Damen von der Herrenausrüstung in Farbe und Muster. Nicht selten geben Hersteller ihren Lady-Skibrillen einen pinken oder violetten „Anstrich" und verzieren Helme mit dezenten Blümchenmustern. Aber noch viel stärker mit optischen Fragen setzen sich die (Ski-)Modemacher auseinander. Denn das Pisten-Outfit für die Frau soll nicht nur farb-, sondern auch schnitttechnisch den aktuellen Trends entsprechen.

Weite Baggyhosen, wie man sie vom Snowboarden kennt, sind zwar bequem und bieten viel Bewegungsfreiheit, treffen jedoch nicht immer den Geschmack der modebewussten Skifahrerin. Um die weibliche Silhouette zu unterstreichen, setzen daher viele Hersteller auf taillierte Skijacken und eng anliegende Hosen – der Bewegungspielraum soll dabei aber nicht zu kurz kommen. Kein einfacher Spagat. Wie die Hersteller ihn lösen? „Indem sie mehr Stretchmaterial in die eng anliegende Kleidung einarbeiten", weiß die Gigasport-Expertin.

Die schmäler geschnittenen Jacken und Hosen künden übrigens auch von dem Trend zu straßentauglichen Pisten-Outfits, der sich in diesem Winter fortsetzt. Modische Steppungen und eine hohe Taille bei der Jacke oder farbenfrohe und gemusterte Hosen machen Damen nach dem Skitag – ohne Umziehen – auch für die urbane Umgebung optisch fit.

WARM EINGEPACKTFrauen fahren – im Schnitt – mit weniger Krafteinsatz Ski als Männer. Nur ein Punkt von vielen, die die Industrie bei weiblichem Equipment berücksichtigt. / Bild: Atomic
Bleiben wir noch bei der Bekleidung: Hier macht vor allem die Jacke den Unterschied zwischen Mann und Frau. Die Damen-Skijacke ist nämlich meist wärmer als das Herrenmodell. „Es wird viel mit Daunenfüllung und Primaloft gearbeitet, um die Frau beim Skifahren warm zu halten", erklärt Hofer. Wieso? Weil es eben Frauen öfter und schneller kalt ist als Männern. Die Ursache dafür liegt unter anderem in der Körperzusammensetzung begründet. Bei Frauen ist die Muskulatur weniger ausgeprägt als bei den Männern, dafür ist der Körperfettanteil höher. Fett kann die Wärme zwar isolieren, aber nicht erzeugen. Diese Arbeit erledigen die Muskeln. Wie hält sich „frau" also auf der Piste warm? Ein Tipp dazu: „Neben warmen Jacken und beheizbaren Handschuhen stehen auch Heizeinlagen für die Skischuhe hoch im Kurs."

TYPISCH FRAU?
Da wir gerade bei den Unterschieden sind: Wir wollten von unserer Expertin wissen, ob sich die Damen auch in ihrem Skiverhalten von den Männern unterscheiden. „Das Verhalten von Frauen auf der Piste ist etwas anders. Sie fahren entspannter – Genuss und Ausgleich zum Alltag stehen im Vordergrund. Bei den Männern kann dagegen auch mal der Wettkampfgedanke dominieren", glaubt Hofer.

Da stellt sich in weiterer Folge die Frage, ob Männer nun beim Skifahren ein höheres Verletzungsrisiko aufweisen als Frauen. Antwort: Jein! Das Verletzungsrisiko bei Männern ist nur geringfügig höher, wie uns das „Kuratorium für Verkehrssicherheit" (KFV) mitteilt. Aber: Männer weisen ein anderes Verletzungsmuster auf als Damen. Die KFV-Unfallerhebung aus dem Jahr 2014 hat ergeben, dass die häufigsten Schäden bei beiden Geschlechtern Muskel- und Sehnenverletzungen des Knies sind. Aber während etwa 39 Prozent aller beim Skifahren verletzten Frauen aufgrund einer Knieverletzung behandelt werden mussten, waren es bei den Männern nur rund 23 Prozent.

Die Sportartikelindustrie hat, wie wir nun wissen, auf diese typisch „weiblichen Verletzungen" mit frauenspezifischen Skimodellen, die sich vor allem durch ihr geringeres Gewicht auszeichnen, reagiert. Leichteres Drehen des Skis und weniger Kraftaufwand sind das Ergebnis. Und damit soll auch das Risiko von Knieverletzungen bei Frauen gesenkt – vor allem aber der Spaß auf der Piste gesteigert werden.

FACTS ZUR FRAUENAUSRÜSTUNG
WEICHE BRETTER. Der Damenski ist leichter, biegsamer und optisch verspielter. Die Bindung sitzt weiter vorne, um den hinten liegenden Körperschwerpunkt auszugleichen und das Drehen des Skis zu erleichtern.
GUT ZU FUSS.Skischuhe für Frauen haben einen kürzeren Schaft, da der Wadenansatz tiefer liegt. Meist ist der Stiefel auch mit einem besonders warmen Futter und leicht zu öffnenden Schnallen ausgestattet.
FÜR DIE FEINMOTORIK. Die „femininen" Skihandschuhe zeichnen sich durch schmälere Schnitte und wärmere Fütterungen aus. Wer besonders schnell friert, greift zu beheizbaren Modellen.
DER RICHTIGE DURCHBLICK. Die Skibrille für die Frau soll die Gesichtshaut schonen und gut anliegen, ohne Abdrücke zu hinterlassen. Daher dominieren filigrane Schnitte und weicher Schaum bei den Damenmodellen.
NICHT OHNE HELM. Speziell für die Dame gibt es schmale Helme mit warmer Plüsch- oder Pelzfütterung. Extra-Polsterungen im Innern sorgen für zusätzlichen Schutz und Komfort.



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