Skitourengehen ist der Sport der Aufsteiger und Abfahrer. Aber es wird auch immer mehr ein Sport für „Umsteiger", die im Sommer den klassischen Ausdauer- oder Bergsportarten nachgehen – und im Winter auf die Tourenski steigen. Bergläufer Markus Kröll hat uns erzählt, was ihn am winterlichen „Fremdgehen" so fasziniert.
Interview von Christof Domenig
Markus, was verbindet dich mit dem Skitourengehen?
Ich komme ja aus einer Skifamilie. Heuer ist es genau 20 Jahre her, dass mein Cousin Richard, dreifacher Sieger in Skiweltcuprennen, tödlich verunglückt ist. Mit ihm war ich als Kind schon dauernd auf Skiern unterwegs. Und dabei auch viel ‚zu Fuß', denn schon vom Kinderlift weg sind wir am liebsten in die „Leit'n" reingefahren, statt nur die Piste runter. Aufsteigen gehörte da einfach dazu.
Wann bist du erstmals mit richtigen Skitouren in Berührung gekommen?
Wo ich aufgewachsen bin, in Ginzling im Zillertal, gab es das Alpengasthaus Breitlahner. Das war im Sommer beliebter Ausgangspunkt für Bergtouren und im Winter eben für Skitouren. Das hab ich mitbekommen und es hat mich interessiert. Die ersten Touren hab ich noch mit der Alpinausrüstung gemacht. Das Material war generell in den 1980er-Jahren überhaupt nicht mit heute vergleichbar. Es gab zum Beispiel die Ramer-Bindung; man hat sie immer schon von Weitem quietschen gehört, wenn einer damit unterwegs war.
Was stand für dich in den frühen Jahren im Vordergrund: der Sport oder die Natur?
Im Zillertal war ich der Erste, der eine Skipiste zu Trainingszwecken raufgelaufen ist. Die Leute haben gesagt, „der Kröll spinnt, der weiß nicht, dass es einen Lift gibt". Über zwei Freunde, Ekkehard Dörschlag und Sigi Hohenwarter, bin ich dann zur Skibergsteiger-Rennszene gekommen. Bis Ende 20 hab ich das dann so gehalten: im Sommer Berglaufen, im Winter Tourenski-Rennen. Dann hat mir ein Sponsor nahegelegt, mich für eines der beiden zu entscheiden, weil das Skitourengehen für die Spritzigkeit, die man im Berglauf braucht, nicht das Wahre wäre. Daher hab ich mich fürs Berglaufen entschieden. Die Wettkampf-Skibergsteiger-Szene war damals in Österreich noch viel kleiner als heute – im Gegensatz zu anderen Alpenländern wie Frankreich. Heute, im fortgeschrittenen Sportleralter, kehre ich sporadisch wieder zu dieser Rennszene zurück. Und ich hab eine Riesenfreud', dass sich die Sportart jetzt so gut entwickelt.
Du bist aber nicht nur Wettkämpfer und Trainierer, sondern auch Skitourengenießer, oder?
Ja, wobei man das nicht immer trennen kann. Einer meiner Lieblings-Tourenberge daheim ist der Grinberg. Ich steh oft um 5 in der Früh auf, marschier rauf und nehme oben zuerst mein Frühstück ein. Im Winter hast du dann dort einen super Pulver und im Frühling einen traumhaften Firn. Gleichzeitig habe ich schon einiges trainiert, wenn ich zu arbeiten beginne. Ich bin heute so weit, dass ich nicht mehr nach Plan trainiere, sondern auf meinen Körper höre und genau das mache, was mir Spaß macht.
Dass die Berge dein Metier sind, weiß man. Aber macht es für dich einen Unterschied, ob du dich der Bergwelt im Winter oder im Sommer näherst?
Ich finde die Berge mittlerweile in allen vier Jahreszeiten großartig. Früher bin ich im Winter ganz gern ins Trainingslager entflohen, etwa nach Südafrika. Heute kann ich viel mehr schätzen, was ich vor der Haustür hab. Ich sitze auf meiner Dachterrasse und hab unzählige Berggipfel im Blick. Mit vielen von ihnen verbinde ich spezielle Erlebnisse. Wenn ich auf den Tourenskiern unterwegs bin – nicht gerade auf den Moderouten – dann taugt mir diese absolute Ruhe irrsinnig, die man sonst nirgends mehr hat.
Bei aller Idylle: Wie gehst du mit dem Lawinenthema um?
Ohne LVS, Schaufel und Sonde wird man mich nie antreffen. Ich hab auch Glück mit zwei guten Freunden, die beruflich mit der Lawinensituation bestens vertraut sind: Willi Fankhauser, zuständig für die Lawinenbeurteilung im Zillertal, und Norbert Pichlsberger von der Skischule Hintertux. Ich rufe immer beide an, wenn ich mir unsicher bin. Aber ich muss auch sagen, dass ich zu 90 Prozent allein unterwegs bin und weiß, dass das gefährlich ist. Ein Restrisiko wird immer bleiben. Aber vielleicht kommt mir ja entgegen, dass ich eigentlich ein Hosenscheißer bin – im Vergleich zu vielen wilden Hunden.
Falls einmal nicht allein – mit wem bist du dann unterwegs? Kommt überhaupt jemand mit dir konditionell mit?
Sicher. Ich muss ja auch niemandem mehr zeigen, was ich draufhab. Viel bin ich auch mit meiner Frau Iris unterwegs, die eine wirklich gute Skifahrerin ist.
Welche Ski stehen in deinem Keller?
Nicht nur ein Paar. Als Genussskibergsteiger ist mir Gewicht nicht so wichtig – andererseits bin ich auch extrem von der Materialentwicklung in der Rennszene fasziniert. Durch meinen Ausrüster Salomon durfte ich schon einige Male hinter die Kulissen der Skientwicklung blicken.
Bei welchen Skitourenrennen sieht man dich diesen Winter?
Fix ist bloß die Mountain Attack in Saalbach, die ist total interessant für mich. Da bin ich dabei, aber ohne übertriebenen Rennstress – Spaß und Freude müssen absolut im Vordergrund stehen. Was nicht heißt, dass ich keinen Ehrgeiz mehr hab: Viele Junge fokussieren sich darauf, den Kröll zu schlagen, wenn sie mich am Start sehen. Das passt schon so – und ist auch ein Grund für mich, dann doch ordentlich Gas zu geben.
Markus Kröll, 44, aus Mayrhofen / Zillertal (Tirol) | Meine Lieblingstouren:
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