Bernd Zangerl gilt als Boulder-Pionier. Wie er im Bouldersport gelandet ist, ihn geprägt hat – und was er in seiner Sportart ändern möchte.
Würde man sich seine Berufung passend zum Nachnamen aussuchen müssen, hätte Bernd Zangerl wohl die Wahl zwischen einer Handwerker-Lehre oder einer Kletter-Karriere gehabt. Geworden ist es Letzteres, und das mit ziemlichem Erfolg. Anfangs noch fasziniert von den Big Walls, kam er über Umwege und einen Ausflug in die Welt des Sportkletterns schließlich zum Bouldern – dem Klettern auf Absprunghöhe.
Warum Zangerl Klettergurt und Seil dafür an den Nagel gehängt hat? „Auf der einen Seite hat mich damals die kleine, lockere Szene sehr motiviert, die abseits vom Medienrummel an den schwierigsten Projekten gearbeitet hat. Andererseits ging es mir aber auch darum, meine physischen und psychischen Grenzen auszuloten“, beschreibt er die Motivation für seinen Switch. Denn das Bouldern ist mit seinem spielerischen Zugang und der visionären Einstellung für Zangerl die Königsdisziplin des Klettersports. Alles, was möglich ist, wird auf eine einzelne Bewegung auf einem Quadratmeter Felsen reduziert. Beim Erklären seiner Faszination für die Sportart gerät der 45-Jährige ins Schwärmen: „Ohne Seil und Sitzgurt, nur gesichert mit Crashpads, kann man schwierigste Bewegungen einstudieren und ganz spezifisch darauf trainieren. Bouldern hat mir die Augen geöffnet, was am Fels alles möglich ist.“
Bouldern hat mir die Augen geöffnet, was am Fels alles möglich ist.
Seinen Durchbruch hatte Zangerl 2002. Nur zwei Jahre nachdem er österreichischer Vizemeister im Bouldern geworden war, gelang ihm die Wiederholung des damals schwierigsten Boulderproblems der Welt: „Dreamtime“ (Tessin, 8C). Dies führte dazu, dass sein Name von einem Tag auf den anderen plötzlich in aller Munde war. Weitere zwei Jahre später wurde er vom US-amerikanischen „Climbing“-Magazin zum „Boulderer of the year“ gekürt. Seitdem lebt er vom Bouldern. Wie sein Alltag als Boulder-Profi so aussieht? Vor allem erschließt Zangerl Bouldergebiete auf der ganz Welt und klettert im selben Atemzug die schwierigsten Routen. Was dabei nicht zu kurz kommen darf, ist die Weitergabe seiner Erfahrungen an die nächste Generation in Form von Filmen oder Vorträgen. 2021 hat er sein Wissen schließlich in seinem ersten Buch „Bouldern“ verewigt.
Felsblöcke in Galtür
Seit den Anfängen seiner Karriere hat sich einiges in der Szene getan. „Vor 20 Jahren haben die meisten Menschen in Österreich mit dem Wort Bouldern nicht viel anfangen können – jetzt ist der Sport ganz normaler Mainstream. Die vielen Boulderhallen, die entstanden sind, zeugen davon und haben natürlich das Leistungsniveau enorm in die Höhe getrieben“, lässt der Boulderer seinen erfahrenen Blick über die letzten Jahre Boulder-Geschichte schweifen.
Der frühe Einstieg in die Sportart führte auch dazu, dass Zangerl vielen als Boulder-Pionier bekannt ist. Ein Beispiel seiner Arbeit findet man in der Tiroler Region Paznaun-Ischgl: „Vor über 20 Jahren haben wir die Felsblöcke in Galtür entdeckt und waren begeistert, dass es bei uns in der Nähe auch so gewaltige Felsen und Projekte gibt. Ich habe viele Sommermonate allein oder mit meinen Freunden der Sportklettergruppe Arlberg in Galtür verbracht und das Gebiet schrittweise erschlossen.“ Inzwischen hat man unterhalb der Ballunspitze die Qual der Wahl zwischen 450 Routen, von denen einige im Silvapark Galtür zu Zangerls persönlichen Highlights gehören.
Zusätzlich hat er dort gemeinsam mit den Bergbahnen vor 10 Jahren den allerersten Boulderpark für Kinder und Neulinge geschaffen. „In Europa eigentlich einzigartig. Da kann ich jedem in 2 Stunden das Klettern beibringen“, preist der Profi sein Projekt.
Nachhaltiges Bouldern
Aktuell zieht es den gebürtigen Tiroler, der zurzeit in der Schweiz lebt, aber immer öfter ans andere Ende der Welt. Man könnte fast meinen, er hätte in dem kleinem Örtchen Rakchham im indischen Himalaya eine neue Heimat gefunden. „Vor 14 Jahren habe ich dieses kleine Dorf am Fuße des Kinnaur Kailash nahe der tibetischen Grenze entdeckt. Rund um das Dorf liegen Tausende Granitblöcke und Wände, beste Felsqualität und unzählige verrückte, wunderschöne Projekte, die jedes Kletterherz sofort höherschlagen lassen“, beschreibt Zangerl dieses Fleckchen Boulder-Himmel. Jedes Jahr verbringt er dort mehrere Monate. Gemeinsam mit den Einheimischen hat der Boulderer einen örtlichen Kletterklub gegründet und ein nachhaltiges Tourismuskonzept für die Region ausgearbeitet.
Buchtipp:
"Bouldern" von Bernd Zangerl über Stars der Boulder-Szene, die Geschichte der Sportart sowie Tipps und Tricks für Neulinge.
Erhältlich unter www.tyrolia.at
Das Ziel dieses Konzept ist die Erhaltung des intakten Ökosystems vor Ort sowie die Einbindung der dort lebenden Personen. Die Region soll nicht durch Sport oder Tourismus in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn der Boulder-Boom hat vielerorts zu Problemen geführt: „Leider verhalten sich immer noch viele Outdoor-Sportler respektlos gegenüber der Natur und den lokalen Bewohnern. Willkürlich parkende Autos, herumliegende Zigarettenstummel, Tape-Abfälle und unsere eigenen Fäkalien sind zu einem Problem geworden.“
Damit solche Probleme gar nicht erst auftreten, wurden für Rakchham ein paar Richtlinien festgelegt. Dazu gehören unter anderem die Notwendigkeit eines Guides an den ersten beiden Tagen, um eine Einführung ins Gebiet zur erhalten, ein Nacht-Kletterverbot, die Entfernung von Tick Marks oder Strafzahlungen, falls Müll zurückgelassen werden sollte. Außerdem müssen Reisende eine Genehmigung erwerben. „Mit dem Geld können wir Projekte im Dorf, die Ausbildung von lokalen Guides, den Bau einer Trockentoilette und einer Kletterwand im Dorf fördern“, erläutert der Athlet den Verwendungszweck der Einnahmen. Damit sollen Zangerls persönliche Grundpfeiler der Nachhaltigkeit – Respekt gegenüber den Menschen sowie der Natur – gewahrt werden.