Einsteiger und Umsteiger, Junge und Spätberufene: Langlaufen liegt auch in Österreich allen in Altersklassen voll im Trend. Ein Boom, der mehrere Gründe hat.
Die Zeiten, in denen dem Langlaufsport das verstaubte Image („Wer langläuft, ist zu feig oder zu alt für den Pistentrubel“) wie ein Klotz am Bein hing, sind sowieso schon seit Langem wieder Geschichte. Dass sich das Powern in der Loipe aber zu einem derartigen Ausdauer-Trendsport entwickelte, kommt für viele doch überraschend. Nicht aber für Stefan Lindinger. Der Professor für den interfakultären Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Salzburg erforscht seit Jahren Motivation, Training und Effekte von Langläufern auf nationaler wie internationaler Ebene. Und wie aus der Pistole geschossen nennt er sofort die wichtigsten Argumente, warum das Langlaufen voll im Trend liegt – und warum es sich in jedem Alter auszahlt, diesen Sport noch zu erlernen? „Punkt 1: In Österreich gibt es wahnsinnig viele Möglichkeiten zum Langlaufen. Punkt 2: Das Naturerlebnis ist wesentlich größer als beim Alpinskifahren und dabei um vieles günstiger. Man kann in der Gruppe laufen oder allein durch den Wald gleiten. Vor allem aber: Der Langlaufsport kann einerseits eine anspruchsvolle Herausforderung sein – und ist zugleich doch eine Sportart, die einfach zu erlernen ist.“
AUF DIE TECHNIK KOMMT ES AN
„Wer eine neue Bewegung lernen möchte, der ist beim Langlaufen genau richtig“, sagt der Sportwissenschaftler. „Es ist eine sehr komplexe technische Sportart mit mehr als zwölf verschiedenen Bewegungsarten – genau das macht aber auch den Reiz aus.“ Bekanntlich unterscheidet man zwischen dem klassischen und dem freien Langlauf (Skaten) und hier wiederum zwischen verschiedenen Techniken beim Gleiten, Laufen, Bremsen, Abfahren und beim Stockeinsatz.
Je mehr Techniken man beherrscht, desto größer kann das Vergnügen sein. „Die Techniken orientieren sich am Gelände. Und je unterschiedlicher das Gelände ist, desto mehr Techniken braucht man, um zu jedem Zeitpunkt Spaß in der Loipe zu haben.“ Man muss aber auch nicht alle zwölf Techniken beherrschen, um mit dem Sport starten zu können. „Man darf sich von dem Wort Technik nicht einschüchtern lassen. Für den Start im klassischen Stil reicht der Diagonalschritt, dazu eine Abfahrtstechnik, ein bisschen Bremsen und vielleicht der Doppelstock-Einsatz.“ Jeder, der bereits etwas Erfahrung hat mit Sport auf Schnee oder Eis, wird keine Schwierigkeiten haben, das Langlaufen zu erlernen. Gleich, ob Eislaufen, Inline-Skaten, Skifahren, Snowboarden – es gibt immer Trainingsverwandtschaften.
„Wer das Gleiten auf schmalen Sportgeräten beherrscht, der ist schon sehr weit. Und wer auch nur ein bisschen Alpin-Skifahren kann, der lernt die Grobform des Langlaufens in einer halben Stunde“, verspricht Lindinger.
RUNDUM GESUND
So unattraktiv der Begriff Gesundheitssport klingen mag, so gesund ist der Langlaufsport tatsächlich: Langlaufen ist so gut wie ungefährlich, kann in jedem Alter und jedem Fitnesszustand ausgeübt werden. Stefan Lindinger weiß: „Beim Langlaufen
treten keine explosiven Kräfte auf. Die Gelenksbelastung ist relativ gering, die Kraft baut sich sehr sanft auf. Und das ist für die Gelenke sehr schonend.“ Aber nur nicht täuschen lassen: Was den Energieaufwand angeht, ist Langlaufen der absolute Spitzenreiter unter den Sportarten, weiß der Sportwissenschafter: „Es gibt praktisch keine Sportart an Land, die so viel Muskulatur beansprucht wie Langlaufen, um die Technik überhaupt umsetzen zu können.“ Was aber nicht mit vermeintlich hohen Anstrengungen einhergeht: „Mit guten technischen und koordinativen Fähigkeiten kann man ganz ökonomisch langlaufen – und so wird dieser Sport zu einem Hochgenuss.“
NACHTSCHICHT IN DER LOIPE
Mitverantwortlich dafür, dass das Langlaufen viel mehr ist als bloß der „kleine Bruder des alpinen Skisports“, ist aber nicht nur der sportlich-gesundheitliche Nutzen, sondern auch die Tatsache, dass die Wintersportregionen immer mehr Geld und Zeit investieren, um ihren Gästen ein komfortables Gleitvergnügen bieten zu können. „Ich mach die Loipen so, dass auch Anfänger drauf laufen können,“ sagt Franz Laner, der im Loipenzentrum Angerberg/Mariastein in der Skiregion Hohe Salve für die Loipenpflege zuständig ist. „Anfängertauglich heißt vor allem: nicht zu enge Kurven und überall einen schönen Auslauf machen.“
Für die Pflege der Loipe steht Franz Laner ganz früh auf: „Pflegen muss man die Spuren in der Nacht. Ich beginne zwischen drei und vier Uhr in der Früh, solange der Boden noch gefroren ist. Nichts ist schlimmer für eine Loipe als ewig warmes Wetter.“ Franz Laners Ehrgeiz, immer eine perfekte Spur legen zu können, bringt ihn auch in andere Langlaufregionen, wo er sich die Präparierung und den Zustand der Loipen anschaut. „Und dann versuch ich halt, das bei uns im Loipenzentrum Angerberg/Mariastein noch besser zu machen ...“
Was ihm offenbar gelingt, wie Martina Osl vom Tourismusverband Hohe Salve indirekt bestätigt: „Bei uns ist praktisch immer Betrieb in den Loipen. Sogar in der Nacht, wenn vor allem die Einheimischen in der beleuchteten Spur ihre Trainingsrunden ziehen.“ Und dass die Langlaufsaison von Dezember weg bis Ende März mehr oder weniger abgesichtert ist, liegt sicher daran, dass längst auch auf den Langlaufpisten die Schneekanonen zu einem unverzichtbaren Qualitätsfaktor geworden sind.
DER EXPERTE
Stefan Lindinger ist Professor im interfakultären Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Salzburg. Der geprüfte Langlauftrainer arbeitete im Christian- Doppler-Labor Salzburg an biomechanischen Analysen im Skilanglauf und beschäftigt sich nun mit der Optimierung von Trainingsabläufen im Langlaufsport.
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