Vom Teenie bis zum Greis: Mit guter Kondition und der richtigen Begleitung kommt fast jede(r) auf Österreichs höchsten Berg. Darum setzen wir unsere Serie über außergewöhnliche Bergtouren mit dem Gipfel fort, den die meisten Berggeher in Österreich doch nur dem Namen nach kennen: dem Großglockner.


Mimi, Mama, Nani. Diese Worte schreiben Kinder mit sieben Jahren. Sie können Rad fahren und im besten Fall schon schwimmen. Die Kondition reicht für eine Runde um den Badesee. Aber auf den Großglockner gehen, den höchsten Berg Österreichs?
Zeitsprung: Mit 70 Jahren kann der Durchschnittsbürger viel mehr schreiben, vielleicht noch schwimmen und immer noch Rad fahren. Die Kondition reicht für eine Runde um den Badesee. Aber auf den Großglockner gehen, den höchsten Berg Österreichs?
Klar geht das. Martin Glantschnig aus Heiligenblut ist der lebende Beweis für die erste Gruppe. Im Alter von sieben Jahren hat er sich das erste Mal am Gipfelkreuz auf 3.798 Metern Seehöhe angehalten. „Mein Vater ist Bergführer und ich war damals sehr viel mit ihm unterwegs in den Bergen“, sagt der 31-Jährige, heute selbst Bergführer und Glockner-Experte.
Franz Kurz aus Klagenfurt wiederum hat den Glockner mit 71 Jahren zum ersten und einzigen Mal bezwungen. Auch er war immer viel auf den Beinen und in den Bergen unterwegs.
„Ich hatte aber auch schon Herren mit 74 Jahren“, sagt Glantschnig. Diese Senioren steigen dann eben nicht in zwei Tagen, wie die meisten, nach oben, sondern benötigen drei, vier Tage für die Tour.

KEINE REDE VON SPAZIERGANG
Vom Kind bis zum Opa – alles trifft sich auf dem Glockner-Gipfel? Das klingt ganz nach einem leichten Berg, der für jedermann zu besteigen ist. Doch bisweilen trügt der Schein. Im Alleingang ist der Großglockner für Sonntagswanderer und Hobbybergsteiger kaum oder gar nicht zu bezwingen. Ohne Kletterkenntnisse und ausreichende Erfahrung in hochalpinem Gelände stößt man auch auf dem sogenannten „normalen“ Weg schnell an seine Grenzen, von schwierigeren Routen ganz zu schweigen. „Vor allem aber ist man den ganzen Tag so mit dem Bergsteigen und mit sich selbst beschäftigt, dass man keine Zeit hat, die einzigartige Natur zu bewundern und den traumhaften Ausblick zu genießen“, sagt Glantschnig.
Mit Bergführern dagegen reicht eine solide Kondition. Sieben bis acht Stunden sollte man pro Tag gehen können. Wer schwindelfrei ist, hat Vorteile. Denn nach dem Gletscherstück über das Glocknerleitl wartet der Gipfelgrat. Der ist so schmal, dass ein Erwachsenergerade schulterbreit stehen kann, mehr schon nicht. „Er ist extrem ausgesetzt, links und rechts geht es steil bergab“, erinnert sich Elisabeth Sassmann. Die 23-jährige Linzerin war vor drei Jahren mit ihrem Vater mit einer geführten Tour auf dem Glockner. Der Grat ist auch eine der Stellen, an denen geklettert wird. „Man könnte hier schon aufrecht gehen, doch die meisten Leute haben Angst und gehen auf allen vieren nach oben“, sagt Martin Glantschnig. Technisch anspruchsvoll ist die Passage nicht. „Wir sagen den Leuten, wo sie hinsteigen sollen, wo sie sich mit welcher Hand festhalten sollen. Es kommt vor, dass wir an dieser Stelle umkehren müssen, aber aus psychologischen Gründen, nicht weil es so schwer zu klettern wäre“, sagt Glantschnig. Der Psyche helfen auch das Seil, mit dem die ganze Gruppe verbunden ist, und die Stangen, an denen das Seil in regelmäßigen Abständen eingehängt wird.

GEGENVERKEHR UND GIPFELSTAU
Die Bergführer regeln übrigens auch den Verkehr auf dem Glockner und lotsen entgegenkommende Bergsteiger sicher vorbei. Denn der Großglockner ist ein beliebter Berg. Zwischen Mitte Juli und Mitte August rät Glantschnig vom Aufstieg ab. „Am 15. August ist in Italien Feiertag, da ist das ganze Land oben, dazu kommt noch eine Menge Österreicher – da ist es völlig uninteressant.“ Unser Bergprofi empfiehlt den September. „Da ist die Fernsicht durch die klare Luft viel besser und sind das Licht und die vielen Farben perfekt.“ Und Gipfelstau gibt es dann auch kaum einen mehr.
Warum so viele Leute auf den Großglockner wollen und das trotz geringer Erfahrung auch schaffen, hat neben den Bergführern noch einen weiteren Grund: die Erzherzog-Johann-Hütte:Auf 3.454 Metern steht Österreichs höchstgelegene Schutzhütte. Von dort sind es zum Gipfel nur noch knappe zwei Stunden. „Durch die Hütte ist der Berg weniger hochalpin, als er normal wäre.“ Vom Tal, egal ob von Kärntner Seite aus Heiligenblut oder Tiroler Seite aus Kals, ist die Schutzhütte in fünf bis sechs Stunden zu erreichen. „Ohne Strom, ohne fließendes Wasser, so hoch auf dem Berg. Das ist echt ein Erlebnis“, erinnert sich auch Elisabeth Sassmann zurück. Martin Glantschnig sieht das weniger romantisch verklärt. „Schlafen tut dort keiner richtig gut.“ In der dünnen Luft liegt der Ruhepuls zwischen 90 und 100 – da kapiert der Körper nicht, warum er schlafen sollte.
Die Höhe ist auch der Grund, warum Bergführer eine Besteigung doch erst ab dem 12. Lebensjahr empfehlen. Kinder bekommen in dieser Höhe schon Kopfweh und ein leichtes Höhenödem. Ab dem Teenageralter aber lohnt sich ein Aufstieg auf den Großglockner nicht nur wegen des Panoramas und des Sonnenaufgangs auf 3.500 Metern. Es ist einfach ein erhebendes Gefühl, wenn man behaupten kann, dass einem ganz Österreich zu Füßen liegt ...


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